Warten auf die Kehrtwende: Regionale Wirtschaft kommt nicht von der Stelle
In der Herbstumfrage der IHK Aschaffenburg zeigt sich die Geschäftslage am Bayerischen Untermain leicht verbessert. 25 Prozent der Unternehmen bewerten ihre laufenden Geschäfte als gut, 53 Prozent als befriedigend und 22 Prozent als schlecht.
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Geschäftslage leicht verbessert, Sorgen bleiben
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Industrie, Handel und Tourismus schwach, Bau und Dienstleistungen stabiler
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Inlandsnachfrage und Arbeitskosten größte Risiken
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Erwartungen sinken
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Investitionen und Beschäfigung rückläufig
„Zwar hat sich die Lage unserer Betriebe zuletzt etwas verbessert, doch viele Sorgen bleiben bestehen. Von den groß angekündigten Herbstreformen wurde bislang nicht genug umgesetzt, um eine echte wirtschaftliche Wende einzuleiten. Im dritten Jahr der Rezession wartet die Wirtschaft weiterhin auf grundlegende Reformen und klare Schritte zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit“, fasst Dr. Andreas Freundt, Hauptgeschäftsführer der IHK Aschaffenburg, zusammen.
Die Industrie steckt weiterhin in der Krise – belastet durch eine schwache Inlandsnachfrage, handelspolitische Unsicherheiten im Auslandsgeschäft und steigenden Kostendruck. Auch im Handel bleibt die Lage trotz einer leichten Erholung gegenüber dem Frühjahr angespannt. Im Tourismus halten sich Optimisten und Pessimisten derzeit die Waage. Bei den Dienstleistern ist die Stimmung vergleichsweise gut und hat sich gegenüber der letzten Umfrage nochmals verbessert. Einen leichten Stimmungsaufschwung verzeichnet auch das Baugewerbe.
„Die Erwartungshaltung im Hinblick auf das Infrastruktursondervermögen sorgt zumindest im Bau für positive Effekte. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass dieser Stimmungsaufschwung schuldenfinanziert ist und tiefgreifende strukturelle Probleme überdeckt. Die eigentlichen Herausforderungen – dass Bauen in Deutschland zu teuer und zu langwierig ist – bleiben weiterhin ungelöst“, erläutert Andreas Elsner, Konjunkturexperte der IHK Aschaffenburg.
Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht bleibt die schwache Inlandsnachfrage der größte Belastungsfaktor. An zweiter Stelle stehen die Arbeitskosten, die sich weiterhin auf einem Umfragehöchststand befinden. Mit Blick auf die bevorstehende zweistufige Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf letztlich 14,60 Euro im Januar 2027 gibt rund die Hälfte der befragten Unternehmen an, dass dies nicht nur zu Lohnerhöhungen bei den Mindestlohnbeschäftigten, sondern auch in weiteren Lohngruppen führen wird. Während die Hälfte der Betriebe diese Mehrkosten durch Preiserhöhungen ausgleichen wollen, gibt jedes vierte Unternehmen an, dass sie mit Stellenabbau oder einer geringeren Zahl an Neueinstellungen reagieren werden.
Auch der Blick in die Zukunft ist von Herausforderungen geprägt: 75 Prozent der Unternehmen rechnen damit, dass der Arbeits- und Fachkräftemangel zu einer Mehrbelastung der bestehenden Belegschaft führt. 56 Prozent befürchten den Verlust betriebsspezifischen Wissens, und 42 Prozent sehen ihre Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr.
Für die kommenden Monate erwarten die Betriebe einen weiteren Rückgang der Kapazitätsauslastung, auch die Investitionsbereitschaft nimmt weiter ab. Der vorsichtige Aufwärtstrend bei den Geschäftserwartungen, der seit Herbst 2024 zu beobachten war, endet – die Erwartungen trüben sich wieder ein.
Insgesamt gehen 16 Prozent der Unternehmen davon aus, dass sich ihre Geschäftslage in den nächsten Monaten verbessern wird. Eine Verschlechterung erwarten hingegen 23 Prozent. Entsprechend verschlechtern sich auch die Aussichten für den Arbeitsmarkt: 6 Prozent der Betriebe planen, ihre Beschäftigtenzahl zu erhöhen, während 24 Prozent mit einem Rückgang rechnen.
Der Konjunkturklimaindikator, welcher sich aus der Beurteilung der aktuellen Geschäftslage und der künftigen Geschäftserwartung zusammensetzt, tritt auf der Stelle. Nach zuletzt 98,6 Punkten liegt er aktuell bei 98,4 Punkten. An der Umfrage haben sich 218 Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größen aus der Region Bayerischer Untermain beteiligt.
Die Wirtschaftszweige im Detail
Industrie
Johannes Oswald, Geschäftsführer, Oswald Elektromotoren GmbH, Miltenberg„Das Monopol und die Exportbeschränkungen Chinas zu Seltenen Erden stellt große Teile der deutschen Wirtschaft vor unlösbare Aufgaben. Wir erwarten, dass die deutsche und die europäische Politik alles dafür tut, dass diese Lieferkette umgehend wieder funktioniert.“
Johannes Oswald, Geschäftsführer, Oswald Elektromotoren GmbH, Miltenberg
In der Industrie geht der Anteil der Pessimisten mit Blick auf die aktuelle Lage leicht zurück. 15 Prozent der Unternehmen bewerten ihre laufenden Geschäfte als gut, 59 Prozent als befriedigend und 26 Prozent als schlecht. Das Auftragsvolumen im Inlandsgeschäft bleibt per Saldo schwach. Im Auslandsgeschäft stellen globale Nachfrageschwäche, handelspolitische Unsicherheiten und steigender Kostendruck die Betriebe vor erhebliche Herausforderungen. Die Hälfte der Unternehmen meldet einen Rückgang im Auslandsgeschäft; lediglich 19 Prozent berichten von Zuwächsen. Insgesamt geben 45 Prozent der Industriebetriebe an, dass der aktuelle Auftragsbestand zu gering ist. Spielraum für Preisanhebungen sehen die Unternehmen derzeit nicht – per Saldo planen sie mit konstanten Verkaufspreisen. Auch bei den Investitionen übt sich die Industrie weiterhin in Zurückhaltung. In den kommenden Monaten werden weder vom Inlands- noch vom Auslandsgeschäft Wachstumsimpulse erwartet. Besonders schwach zeigt sich Nordamerika: Hier rechnen 56 Prozent der Unternehmen mit einem weiteren Rückgang des Auftragsvolumens. Bei der Einschätzung der Geschäftsrisiken steht die schwache Inlandsnachfrage an erster Stelle, gefolgt von hohen Energie- und Rohstoffpreisen sowie steigenden Arbeitskosten. Die Geschäftserwartungen bleiben insgesamt stabil: 24 Prozent der Befragten erwarten eine Verbesserung, 22 Prozent eine Verschlechterung. Die Personalpläne fallen weiterhin deutlich negativ aus. Nur 6 Prozent der Unternehmen planen, zusätzliche Beschäftigte einzustellen; 26 Prozent rechnen mit einem Rückgang der Beschäftigtenzahl.
Dienstleistungen
Im Dienstleistungssektor setzt sich der vorsichtige Stimmungsaufschwung aus der letzten Umfrage auch im Herbst fort. Aktuell bewerten 37 Prozent der Betriebe ihre laufenden Geschäfte als gut, 13 Prozent hingegen als schlecht. Insgesamt hat sich die Auslastung in den vergangenen sechs Monaten verbessert: 36 Prozent der Unternehmen waren in diesem Zeitraum voll ausgelastet. Eine Anhebung der Verkaufspreise wird von 41 Prozent der Befragten in Erwägung gezogen – ein leichter Anstieg gegenüber der letzten Befragung. Die Investitionsbereitschaft geht dagegen leicht zurück: Jeder fünfte Betrieb plant noch, seine Investitionsbudgets zu erhöhen. Vorrangig erfolgen Investitionen für Ersatzbeschaffungen; Produktinnovationen rangieren an zweiter Stelle der Investitionsmotive. Zu den größten Geschäftsrisiken zählen derzeit – neben dem anhaltenden Fachkräftemangel – vor allem die Inlandsnachfrage und die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Die Liquidität der Betriebe hat sich gegenüber der Vorumfrage verbessert. Während die Personalplanungen in anderen Branchen rückläufig sind, rechnet der Dienstleistungssektor insgesamt mit stabilen Beschäftigtenzahlen. Nach einer zuletzt ausgeglichenen Stimmung zwischen Optimisten und Pessimisten trüben sich die Geschäftserwartungen nun wieder leicht ein: 14 Prozent der Betriebe erwarten eine Verbesserung der Geschäftslage, 22 Prozent hingegen eine Verschlechterung.
Bau
Wolfgang Hörnig, Geschäftsführer, Adam Hörnig Baugesellschaft mbH & Co. KG, Aschaffenburg„Das Vertrauen in angekündigte langfristig verbesserte Rahmenbedingungen für die Wirtschaft fehlt nach wie vor. In der Folge beherrscht die Zurückhaltung die Investitionsbereitschaft der privaten Investoren. Bei der öffentlichen Hand mangelt es an Geld für Investitionen, da die Sozial- und Personalausgaben die Haushalte überfordern. Der Bau leidet unter diesen Bedingungen sehr.“
Wolfgang Hörnig, Geschäftsführer, Adam Hörnig Baugesellschaft mbH & Co. KG, Aschaffenburg
Im Baugewerbe hat sich die Stimmung zuletzt aufgehellt: 42 Prozent der Betriebe berichten von einer guten Geschäftslage, lediglich 5 Prozent bewerten sie als schlecht. Anders als in den zurückliegenden Umfragen wurden diesmal keine deutlichen Rückgänge beim Auftragsvolumen gemeldet. Insgesamt sprechen die Unternehmen von einem konstanten Niveau bei den Bauaufträgen. Von einem komfortablen Auftragspolster kann jedoch keine Rede sein: Nur 10 Prozent der Betriebe geben an, dass der Auftragsbestand größer als saisonüblich sei, während 42 Prozent von einem unterdurchschnittlichen Auftragsbestand berichten. Zumindest die Auslastung hat sich zuletzt verbessert – annähernd jeder dritte Betrieb meldet eine volle Auslastung in den vergangenen Monaten. Einen nachhaltigen Aufschwung leiten die Bauunternehmen daraus jedoch nicht ab: Per Saldo wird für die kommenden Monate erneut mit einem Rückgang der Kapazitätsauslastung gerechnet. Der größte Belastungsfaktor für die Branche bleibt der Fachkräftemangel, gefolgt von der schwachen Inlandsnachfrage und den gestiegenen Arbeitskosten. Bei den Verkaufspreisen rechnen die meisten Betriebe mit Stabilität. Die Investitionsbereitschaft geht hingegen weiter zurück. Personalzuwächse sind derzeit nicht geplant. Im Gegenteil: Rund ein Fünftel der Unternehmen rechnet mit einem Rückgang der Beschäftigtenzahlen. Auch der Ausblick fällt verhalten aus: 6 Prozent der Betriebe erwarten eine Verbesserung der Geschäftslage, 12 Prozent hingegen eine Verschlechterung.
Handel
Regina Oehmann-Wolf, Geschäftsführerin, Mode für Männer Werner Oehmann GmbH, Miltenberg„In der Modebranche ist weiterhin eine spürbare Kaufzurückhaltung zu beobachten. Kunden kaufen überlegter und seltener spontan. Steigende Lebenshaltungskosten sowie politische Unsicherheiten wirken sich zusätzlich dämpfend auf die Konsumfreude aus. Umso wichtiger ist es, mit einem ansprechenden Einkaufserlebnis und freundlicher Kommunikation zu überzeugen. Auch das Thema Nachhaltigkeit spielt eine zunehmend wichtige Rolle und kann als klarer Wettbewerbsvorteil genutzt werden.“
Regina Oehmann-Wolf, Geschäftsführerin, Mode für Männer Werner Oehmann GmbH, Miltenberg
Tourismus
Im Tourismussektor hat sich die Stimmung gegenüber dem Frühjahr leicht verbessert. Bei der Bewertung der aktuellen Geschäftslage halten sich Optimisten und Pessimisten nunmehr die Waage: Jeweils 23 Prozent sprechen von einer guten bzw. schlechten Lage, die übrigen bewerten sie als befriedigend. Entsprechend berichten sowohl Hotels und Gaststätten als auch Reisebüros und Reiseveranstalter von einer gestiegenen Auslastung im Vergleich zum Frühjahr. Die größten Risiken sehen die Betriebe in den Energie- und Rohstoffkosten, gefolgt von steigenden Arbeitskosten sowie dem anhaltenden Fachkräftemangel. Für die kommenden Monate wird jedoch wieder mit einem Rückgang der Auslastung gerechnet. Aus Sicht der Befragten dürfte der Umsatzrückgang bei Tages- und Urlaubsreisenden deutlicher ausfallen als bei Geschäftsreisenden. Die Preisdynamik hat sich im Vergleich zu den vorherigen Umfragen abgeschwächt. Zusätzliche Investitionen sind kaum geplant. Die zuletzt leicht positiven Geschäftserwartungen haben sich wieder ins Negative gedreht: Nur 11 Prozent der Touristiker erwarten eine Verbesserung der Geschäftslage in den kommenden Monaten, während 30 Prozent von einer Verschlechterung ausgehen. Auch die Personalplanungen verschlechtern sich: Lediglich 3 Prozent planen, die Beschäftigtenzahl zu erhöhen, dagegen rechnen 28 Prozent mit einem Rückgang.
