Konjunktur in Ostbelgien
Konjunktur in Ostbelgien: Mit Wachstum ist in 2023 nicht zu rechnen
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Die Geschäftslage der ostbelgischen Unternehmen ist im abgelaufenen Jahr 2022 auf einem hohen und stabilen Niveau verblieben. Die pessimistischen Erwartungen der Betriebe Beginn 2022 infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und die damit verbundenen negativen Auswirkungen auf die ostbelgische Wirtschaft sind bisher weniger stark eingetreten. Dennoch befürchten viele regionale Unternehmen, dass sich ihre Geschäftslage wegen der großen Belastungen durch die Energiepreise und die Arbeitskosten, die weltwirtschaftlichen und geopolitischen Herausforderungen und die ungebrochene Inflation im Jahr 2023 verschlechtern wird.
Das sind zentrale Schlussfolgerungen der jüngsten Konjunkturumfrage der ostbelgischen Industrie- und Handelskammer (IHK) aufgrund der Auswertung der aktuellen Befragung für das Jahr 2022-2023, an der sich rund 130 privatwirtschaftliche Unternehmen mit über 7.000 Beschäftigten beteiligten.
86 Prozent der Unternehmen, die sich an der Konjunkturumfrage beteiligt haben, bezeichneten den Geschäftsverlauf des gesamten Jahres 2022 als "gut bis zufriedenstellend". Dieser Wert liegt also auf dem gleich guten Niveau wie der des Jahres 2021. Zu einer ausreichenden bis schlechten Bewertung der Geschäftslage kommen folglich nur 14 Prozent der befragten Unternehmen.
Im Laufe des Jahres 2022 waren die Aussichten auch für die Wirtschaft in Ostbelgien düster. Der Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen gegen Russland verschärften die Lage auf den Energiemärkten drastisch. Die Strom-, Energie- und Rohstoffpreise erreichten im Sommer 2022 Höchstwerte. Zudem gab es große Verunsicherungen, ob bis zum Ende der Winterperiode genügend Energiekapazitäten zur Verfügung stehen würden oder ob es im schlimmsten Fall zu einer Mangellage kommen würde. Die hohen Energiepreise fachten die Inflation an, so dass auch über die automatische Lohnindexierung die Arbeitskosten der belgischen Betriebe nach oben getrieben wurde. Und doch schließt das Jahr 2022 aufgrund der Analyse der Ergebnisse der der IHK-Umfrage besser als befürchtet ab.
Zwei von drei ostbelgischen Unternehmen berichten von Umsatzsteigerungen, die sie im Jahr 2022 gegenüber 2021 realisieren konnten. Nur zehn Prozent der Befragten mussten Rückgänge verzeichnen. Knapp 80 Prozent vermelden eine gleichbleibende oder sogar verbesserte Ertragslage in 2022. Eine der Gründe hierfür ist die zumindest teilweise Weitergabe der gestiegenen Kosten an die Kundschaft. 75 Prozent der befragten Unternehmen sprechen von steigenden Verkaufspreisen. Vor dem Hintergrund des akuten Arbeitskräftemangels und trotz der wirtschaftlichen Risiken hat nur jedes zehnte Unternehmen den Personalbestand im Jahr 2022 reduziert. Drei von zehn Betrieben haben den Investitionsumfang in 2022 gesteigert.
Hat die Wirtschaft in der Region angesichts des wirtschaftlich herausfordernden Jahres 2022 noch einmal die Kurve bekommen?
Da der Ukraine-Krieg weiterhin ungelöst ist und die damit verbundenen zukünftigen Folgen unklar scheinen, verbleibt die Bewertung der Gesamtlage im Jahr 2023, in Verbindung mit den größten Wirtschaftsrisiken – Energiekosten, Rohstoffpreise und Liefersicherheit, Zinsentwicklung sowie der Fachkräftemangel – auf einem überdurchschnittlich hohen ungünstigen Niveau und führt zu Sorgenfalten und weniger Zuversicht bei der hiesigen Wirtschaft. Nur noch 40 Prozent der Unternehmen gehen von einer guten und 25 Prozent von einer zumindest befriedigenden Geschäftssituation aus. Die wirtschaftliche Lage steht Spitz auf Knopf. Konkret rechnet jedes vierte Unternehmen mit einer Verschlechterung der Geschäftslage im laufenden Jahr 2023, nur jedes fünfte hat Hoffnung auf eine bessere Entwicklung.
Das Risikoempfinden der Unternehmen in Ostbelgien insgesamt ist weiter angestiegen. Die Lohnkosten sind in den Jahren 2022 und 2023 durch deren automatische Bindung an die galoppierende Inflation geradezu explodiert. Der Arbeitskräftemangel übt außerdem zusätzlichen Druck auf die Arbeitskosten aus. Für drei von vier ostbelgischen Unternehmen handelt es sich hierbei um das Geschäftsrisiko Nummer eins. Die hohen Energie- und Rohstoffkosten belasten weiterhin Industriebetriebe, Bauunternehmen und margenschwache Branchen wie das Hotel- und Gaststättengewerbe und den Einzelhandel. Die hohen Energiepreise sind mit 56 Prozent Nennung weiterhin die Nummer zwei der Top-Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung, direkt gefolgt an dritter Stelle von der Problematik der Rohstoff- und Materialpreise und deren weiter vorhandenen Lieferschwierigkeiten mit 55 Prozent Nennung. Ein bedeutender Wachstumsimpuls, der notwendig wäre, um den Investitionsbedarf in den Bereichen Energieeffizienz, Dekarbonisierung und Digitalisierung voranzutreiben, ist derzeit nicht absehbar. Die genannten Risikofaktoren werden zunehmend zur dauerhaften Wachstumsbremse. Unser Geschäftsmodell als Exportnation, dass auf Innovation basiert und eine kostengünstige Energie- und Rohstoffversorgung sowie offene Absatzmärkte voraussetzt, gerät stärker unter Druck. Unter dem Vorbehalt, dass es nicht zu einer Eskalation der geopolitischen Spannungen kommt, die protektionistischen Tendenzen weltweit nicht weiter zunehmen oder eine andere noch nicht identifizierte Krise uns plötzlich heimsucht, wird die Wirtschaft, auch in Ostbelgien, wohl 2023 so gerade an einer Rezession vorbeischrammen.
Quelle: IHK Ostbelgien