Rechtsinformation

Sozialversicherungspflicht des GmbH-Geschäftsführers

1.   Allgemeines

Die Sozialversicherungspflicht des GmbH-Geschäftsführers ist ein vielschichtiges Thema, das in der Rechtsprechung und der Literatur nicht einheitlich behandelt wird und immer einer Prüfung des Einzelfalls bedarf.
Sozialversicherungspflichtig sind abhängig Beschäftigte. § 7 Absatz 1 SGB IV trifft hierfür die folgende Regelung: “Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.”

2.    Selbständige oder nichtselbständige Arbeit

Ob eine Tätigkeit als selbständig oder nichtselbständig einzustufen ist, richtet sich nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung. Maßgeblicher Gesichtspunkt ist dabei die Betriebseingliederung (Rechtsmacht im Unternehmen) beziehungsweise das Unternehmensrisiko.
Nichtselbständig und damit sozialversicherungspflichtig ist der Geschäftsführer häufig dann, wenn er so in den Betrieb eingegliedert ist und an Weisungen gebunden ist, dass er in seiner Arbeitsausführung hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort nicht mehr frei entscheiden kann. Gleiches gilt auch dann, wenn der Geschäftsführer zwar seine Arbeitsausführung hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort frei gestalten kann, diese Freiheit jedoch jederzeit widerrufen werden kann.

a)    Kapitalbeteiligung

Die Weisungsunabhängigkeit des GmbH-Geschäftsführers lässt sich vor allem anhand der Kapitalbeteiligung einschätzen. Dies ist das mit Abstand wichtigste Kriterium. Handelt es sich bei dem Geschäftsführer um einen Mehrheitsgesellschafter (Inhaber von mehr als 50 Prozent der Gesellschaftsanteile), der sich Weisungen faktisch selbst geben kann, so ist dieser regelmäßig nicht sozialversicherungspflichtig.
Unter Umständen kann auch schon eine geringere Kapitalbeteiligung ausreichen, nämlich dann, wenn der geschäftsführende Gesellschafter über eine im Gesellschaftsvertrag festgeschriebene Sperrminorität verfügt, die sich darauf erstreckt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort der Tätigkeit zu verhindern (so genannte “umfassende Sperrminorität”).
Minderheitsgesellschafter bzw. Fremdgeschäftsführer werden also grundsätzlich aufgrund der angenommenen Weisungsgebundenheit der Gesellschafterversammlung als unselbständig eingestuft.
Als selbständig werden beherrschende Gesellschafter auch dann angesehen, wenn sie nicht als Geschäftsführer, sondern in einem anderen Rechtsverhältnis für die GmbH tätig sind (zum Beispiel als einfacher Arbeitnehmer). Hier steht der Gesellschafter zwar formal in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis oder muss jedenfalls Weisungen vom Geschäftsführer entgegennehmen. Diese Abhängigkeit kann er aber aufgrund seiner beherrschenden Gesellschafterstellung jederzeit beenden oder ändern, so dass er als selbständig anzusehen ist.

b)    Fachkenntnisse und familiäre Beziehungen

Zum Teil kann auch der Minderheitsgesellschafter und der Fremdgeschäftsführer als nicht weisungsgebunden und damit sozialversicherungsfrei angesehen werden. Derartige Fälle betreffen insbesondere den Geschäftsführer von Familienunternehmen. Jedoch machen weit reichende Entscheidungsbefugnisse einen “leitenden Angestellten” nicht schon zu einem Selbstständigen, nur weil er einem geminderten Weisungsrecht unterliegt. Handelt ein Geschäftsführer aufgrund einer engen familiären Beziehung zu den Gesellschaftern oder aufgrund eines Übermaßes an Fachkenntnissen faktisch wie ein Alleininhaber, so reicht auch dies nach neuer Rechtsprechung noch nicht für eine Befreiung von der Sozialversicherungspflicht aus. Diese bisher als “Herz und Seele”-Rechtsprechung bekannte Sichtweise hat das Bundessozialgericht verworfen.
Die Rechtsprechung geht bei ihrer Bewertung vielmehr von vertraglichen Verhältnissen des Geschäftsführers aus. Werden die Verträge tatsächlich aber anders “gelebt”, ist dies nur dann erheblich, wenn eine formlose Abbedingung der betreffenden Vertragsklauseln auch möglich ist. Dies ist bei Befugnissen eines Geschäftsführers nur schwer denkbar, weil diese sich aus dem Gesetz beziehungsweise dem Gesellschaftsvertrag ergeben und nicht einfach formlos abbedungen werden können. Deswegen ist dringend zu empfehlen, bereits bei der Abfassung des Gesellschaftsvertrags auf diesen Umstand Rücksicht zu nehmen.

c)    Stimmrechtsvereinbarungen

Der Abschluss einer Stimmrechtsvollmacht oder einer Stimmbindungsvereinbarung kann die erforderliche Rechtsmacht grundsätzlich nicht vermitteln, da sie lediglich eine rechtsge-schäftliche und keine gesellschaftsvertragliche Befugnis vermittelt. Anders kann das dann sein, wenn sich alle Gesellschafter beteiligen und der Stimmbindungsvertrag unwiderruflich ist, denn dann kann eine vertragswidrige Ausübung des Stimmrechts anfechtbar sein. Ein Urteil des Bundessozialgerichts zu Stimmbindungsverträgen steht allerdings noch aus.

d)    Treuhandverhältnisse

Ein weiterer Sonderfall sind Treuhandschaften. Hier überträgt ein Treugeber seinem Treu-händer ein Recht (zum Beispiel eine Gesellschaftsbeteiligung) unter der Bedingung, dieses Recht im seinem Sinne auszuüben. Diese Bedingung ist aber “nur” vertraglicher Natur und deswegen nach Auffassung der Deutschen Rentenversicherung nicht entscheidend. Damit “zählt” also der treuhänderisch übergebene Geschäftsanteil bei der sozialversicherungsrechtlichen Bewertung zum Treuhänder. Auch zu diesem Thema steht eine höchstrichterliche Entscheidung allerdings noch aus.

3.    Überprüfung der Sozialversicherungspflicht im Antragsverfahren

Um Rechts- und Planungssicherheit für den betroffenen Geschäftsführer zu erlangen, kann vor, während oder nach Beendigung der Beschäftigung bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) ein Anfrageverfahren durchgeführt werden (optionales Statusanfrageverfahren). Die darauf folgende Entscheidung ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls verbindlich. Ein Antragsverfahren kann auch von Amts wegen durch die Krankenkasse initiiert werden, wenn die Krankenkasse Kenntnis darüber erlangt, dass der Betroffene Gesellschaftergeschäftsführer ist.
Vergleiche hierzu auch das Formularpaket “Statusfeststellung” der DRV
http://www.deutsche-rentenversiche-rung.de/Allgemein/de/Inhalt/5_Services/04_formulare_und_antraege/01_versicherte/01_vor_der_rente/_DRV_Paket_Versicherung_Statusfeststellung.html

4.    Indizien zur Beurteilung der Sozialversicherungspflicht des Geschäftsführers

Für und gegen die Annahme einer Betriebseingliederung werden in der Rechtsprechung verschiedene Indizien aufgeführt. Ausschlaggebend ist dabei immer der Gesamteindruck im Einzelfall, wobei - wie bereits erwähnt - die Kapitalbeteiligung das wichtigste Kriterium ist
Indizien für eine nichtselbständige Tätigkeit = Sozialversicherungspflicht:
•    Nicht am Kapital beteiligter Geschäftsführer (der Geschäftsführer ist kein Gesellschafter, sogenannter “Fremdgeschäftsführer”)
•    Die Beteiligung des Geschäftsführers am Kapital der GmbH ist kleiner als 50 Prozent
•    Einbindung in die vom Betrieb vorgegebene Arbeitsorganisation
•    Vereinbartes Wettbewerbsverbot
•    Vereinbarung von Jahresurlaub
•    Vereinbarung einer Überstundenvergütung
•    Vereinbarung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
•    Arbeitgeberzuschüsse im Krankheitsfall
•    Festes Jahresgehalt
•    Abschluss von Unfall- oder Lebensversicherungen zugunsten des Geschäftsführers
•    Kontroll- und Überwachungsrechte der Gesellschafter oder eines anderen Geschäfts-führers (auf die tatsächliche Ausübung der Kontrolle kommt es nicht an)
•    Selbstkontrahierungsverbot
•    Unterordnung unter einen anderen Geschäftsführer oder eigene Zuständigkeitsbereiche bei mehreren Geschäftsführern
Indizien für eine selbständige Tätigkeit = keine Sozialversicherungspflicht:
•    Kapitalbeteiligung des Geschäftsführers an der Gesellschaft von über 50 Prozent
•    Trotz geringer Beteiligung an der Gesellschaft besitzt der Geschäftsführer eine um-fassende Sperrminorität (das heißt sämtliche Gesellschafterbeschlüsse können verhindert werden)
•    Freie Einteilung der Tätigkeit hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort
•    Erfolgsabhängiges Gehalt
•    Recht zur unmittelbaren und alleinigen Vertretung der Gesellschaft (nicht schon Handeln in Vollmacht)
•    Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot
•    Familiäre Rücksichtnahme/Nichtausübung von Weisungsrechten durch die zur Familie gehörenden Gesellschafter (vertraglich festgelegt)
•    Übernahme einer Bürgschaft
•    Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte
•    Einfluss auf die Betriebsorganisation

5.    Exkurs: Rentenversicherungspflicht trotz Selbständigkeit

Selbst wenn eine Selbständigkeit nach den genannten Kriterien vorliegt, kann es in Sonder-fällen dennoch zu einer Rentenversicherungspflicht kommen (andere Versicherungen sind hier nicht betroffen). Der Gesetzgeber hat bestimmte Selbständige als derart schutzbedürftig eingestuft, dass er sie als “arbeitnehmerähnlich” der Versicherungspflicht unterworfen hat.  Nach § 2 Nr. 9 SGB VI sind selbständig Tätige rentenversicherungspflichtig, die
  •  im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und
  •  auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind (als Auftraggeber gelten die Auftraggeber der Gesellschaft).
Die wesentliche Tätigkeit für einen Auftraggeber wird angenommen, wenn 5/6 des jährlichen Umsatzes über ihn generiert werden. Eine Ausnahme kann zum Beispiel für Projekte gelten, hier kann der Zeitraum auf drei Jahre erhöht werden. Die Anstellung schon eines Arbeitnehmers kann die Versicherungspflicht ausschließen, solange er kein “Mini-Jobber” ist.
Eine Ausnahme von dieser Rentenversicherungspflicht besteht auf Antrag für Existenzgründer für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren. Auch selbständige Personen, die nach Vollen-dung des 58. Lebensjahres erstmalig versicherungspflichtig wären, können eine Befreiung beantragen.

6.    Sonstige Hinweise

  • Ändern sich die Verhältnisse des Unternehmers, ist der Status erneut festzustellen. Eine solche Änderung der Verhältnisse soll schon dann vorliegen, wenn nach aktueller Recht-sprechung eine andere Bewertung des Sachverhalts möglich ist.
  • Die Verfahrensdauer beträgt für das Antragsverfahren selbst circa vier Monate, das Widerspruchsverfahren kann zwischen drei und sechs Monaten dauern. Vor Gericht sind die Verfahrensdauern leider länger und überschreiten oft ein Jahr.
Stand: Februar 2016
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