Ungarn

Externe Risiken belasten Erwartungen deutscher Unternehmen

Die konjunkturellen Aussichten haben sich nach Einschätzung der deutschen Unternehmen in Ungarn deutlich eingetrübt. Dennoch ist auch in diesem Jahr mit einem – wenn auch gedämpften – Wachstum zu rechnen. Dies ergibt der jüngste Konjunkturbericht der Deutsch-Ungarischen Industrie- und Handelskammer (DUIHK).
Der Konjunkturbericht der DUIHK enthält die Ergebnisse der jährlichen Umfrage unter den Mitgliedsunternehmen der Kammer und anderen ausländischen Investoren, die 2023 bereits zum 29. Mal durchgeführt wurde. Seit 2006 wird eine inhaltsgleiche Umfrage auch von den deutschen Auslandshandelskammern in 15 weiteren Ländern der Region Mittel- und Osteuropa durchgeführt, so dass der Konjunkturbericht auch internationale Vergleiche ermöglicht. DUIHK-Präsident András Sávos erinnerte, dass in Ungarn knapp 3000 deutsche Unternehmen tätig sind, die über 220.000 Mitarbeiter beschäftigen und fast ein Sechstel zur Bruttowertschöpfung in der privaten Wirtschaft beitragen. In diesem umfangreichen Beziehungsgeflecht würden permanent sektorübergreifend Erfahrungen geteilt – positive wie negative, die auch Investitionsentscheidungen über Branchengrenzen hinweg beeinflussen können, so Sávos. Mit Blick auf die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen fügte er hinzu: “Wir sind überzeugt, dass der Wettbewerbsfähigkeit Ungarns langfristig am besten marktkonformen Instrumenten gedient ist, die faire und gleichberechtigte Rahmenbedingungen für ungarische und ausländische Firmen gewährleisten.”
Finanzminister Mihály Varga sagte, dass Umfragen wie der Konjunkturbericht der DUIHK wichtig seien, um über harte statistische Fakten hinaus auch die “weichen Faktoren” abzubilden, die die Stimmungslage und Entscheidungen von Investoren mit beeinflussen. Die deutsch-ungarischen Wirtschaftsbeziehungen wertete er als “krisenfest”, ihre Qualität hätte sich jedoch in den letzten Jahren zunehmend verändert, und werde neben der Produktion immer stärker von der Zusammenarbeit in wie Forschung und Entwicklung, Innovation und Hochschul- und Berufsbildung geprägt. Zum Ergebnis der DUIHK-Umfrage, wonach erneut 88 Prozent der Befragten angaben, sie würden auch heute wieder Ungarn als Investitionsstandort wählen, meinte der Finanzminister: “Wir arbeiten daran, auf 100 Prozent zu kommen.” Ausführlich ging Varga auf die größten Herausforderungen ein, denen die ungarische Wirtschaftspolitik gegenübersteht. Dazu gehören aus seiner Sicht die Inflation und der daraus resultierende Zinsanstieg, der nicht nur für den Staat, sondern auch für die Unternehmen die Finanzierung verteure. Ungarn müsse daher eine stabile und disziplinierte Finanzpolitik betreiben, das Defizit solle schon in diesem Jahr auf 4,9 Prozent, und 2023 auf 3,5 Prozent sinken. Das Wirtschaftswachstum sieht der Minister 2022 bei rund vier Prozent.

Keine Entspannung am Arbeitsmarkt

Der Konjunkturbericht selbst untersucht neben der konjunkturellen Entwicklung traditionell auch ausführlich die Qualität des Wirtschaftsstandortes. Dirk Wölfer, Bereichsleiter Kommunikation der Kammer und Autor der Studie, ging insbesondere auf den Arbeitsmarkt ein. Der Fachkräftemangel habe sich nicht entspannt – im Gegenteil: zwei Drittel aller Befragten zeigten sich unzufrieden: mehr, als in den meisten anderen Ländern der Region. Damit einher geht ein enormer Lohndruck: In diesem Jahr rechnen die Firmen mit einem Anstieg der Lohnkosten um durchschnittlich 10 Prozent, was nach Einschätzung der Kammer möglicherweise noch höher ausfallen kann. Wölfer betonte aber auch, dass dies keine spezifisch ungarischen Probleme seien, sondern viele Länder in der Region betreffen. Hinsichtlich der allgemeinen Standortbedingungen haben sich viele positive Trends der letzten Jahre auch 2022 fortgesetzt. Besonders gefreut haben dürfte den Finanzminister, dass sich zum Beispiel die Beurteilung des Steuersystems weiter verbessert hat, und nach schrittweisen Verbesserungen in den vergangenen Jahren auch über dem Durchschnitt der Region Mittel- und Osteuropa liegt. Ähnliches gilt unter anderem auch für das Niveau der Infrastruktur oder die Bedingungen für Forschung und Entwicklung.

Globale Risiken

Die aktuellen europäischen und weltwirtschaftlichen Risiken schlagen sich auch auf die Unternehmen in Ungarn wieder. Das größte Risiko sehen die Firmen derzeit in steigenden Energie- und Rohstoffpreisen, aber auch der Währungskurs wird zunehmend als Risiko gesehen. In der Folge haben sich in diesem Jahr wieder deutlich mehr Firmen für die Einführung des Euro ausgesprochen. Finanzminister Varga dämpfte allerdings auf Nachfrage diesbezügliche Hoffnungen: gute Wirtschaftspolitik könne man sowohl mit als auch ohne Euro machen.