Die neue EU-Produkthaftungsrichtlinie
Die neue EU-Richtlinie 2024/2853 zur Produkthaftung bringt tiefgreifende Änderungen mit sich. Sie muss bis zum 9. Dezember 2026 in deutsches Recht umgesetzt werden und wird das Produkthaftungsrecht grundlegend modernisieren – insbesondere im Hinblick auf digitale Produkte, KI-Systeme und globale Lieferketten.
Was ist neu? – Die wichtigsten Änderungen im Überblick
- Erweiterter Produktbegriff:
- Software, KI-Systeme, digitale Konstruktionsunterlagen und sogar Elektrizität gelten künftig als Produkte.
- Auch „verbundene Dienste“ wie Cloud-Dienste, die für die Funktion eines Produkts wesentlich sind, fallen unter die Produkthaftung.
- Open-Source-Software bleibt ausgenommen, sofern sie nicht kommerziell bereitgestellt wird.
- Digitale Dateien selbst gelten nicht als Produkte. Anders aber digitalen Bauunterlagen, diese sollen künftig als digitale Konstruktionsunterlagen dem Produkthaftungsrecht unterliegen.
- Haftung bei Produktveränderungen:
- Wer ein Produkt wesentlich verändert (z. B. durch Upcycling), kann als neuer Hersteller gelten und haftet entsprechend.
- Auch nachträgliche Updates oder Upgrades können haftungsrelevant sein.
- Haftung entlang der Lieferkette:
- Importeure, Fulfillment-Dienstleister und Online-Plattformen können haftbar gemacht werden, wenn der Hersteller außerhalb der EU sitzt und nicht erreichbar ist.
- Unbegrenzte Haftung:
- Die bisherige Haftungsobergrenze von 85 Mio. € entfällt.
- Beweiserleichterungen für Geschädigte:
- Gerichte können Unternehmen zur Offenlegung sicherheitsrelevanter Informationen verpflichten.
- Dass ein Produkt fehlerhaft ist und dass dadurch ein Schaden entstanden ist, muss weiterhin durch die Geschädigten bewiesen werden. In Zukunft kann allerdings bereits die Vermutung ausreichen, dass ein Kausalzusammenhang zwischen Produktfehler und Schaden wahrscheinlich ist, um Schadensersatzansprüche durchzusetzen.
- Die Beweislast kann sich umkehren, wenn ein Produktfehler plausibel gemacht wird.
Was sollten Unternehmen jetzt tun? – Handlungsempfehlungen
1. Digitale Produkte und Dienste prüfen
- Bewerten Sie Software, KI-Systeme und digitale Dienste unter Haftungsgesichtspunkten.
- Dokumentieren Sie Updates und Upgrades sorgfältig.
2. Produktveränderungen rechtlich absichern
- Prüfen Sie, ob durch Modifikationen eine neue Herstellereigenschaft entsteht.
- Klären Sie Verantwortlichkeiten bei Upcycling oder Refurbishment.
3. Lieferkette rechtlich absichern
- Regeln Sie vertraglich die Haftung mit Importeuren, Plattformen und Fulfillment-Dienstleistern.
- Stellen Sie sicher, dass ein EU-ansässiger Ansprechpartner benannt ist.
4. Qualitätssicherung und Dokumentation stärken
- Überarbeiten Sie Ihre Produktdokumentation und Sicherheitsnachweise.
- Berücksichtigen Sie Cybersicherheitsanforderungen und Nutzererwartungen.
5. Verträge und AGB anpassen
- Integrieren Sie Haftungsregelungen für digitale Komponenten und Dienste.
- Berücksichtigen Sie neue Offenlegungspflichten und Beweislastregelungen.
6. Frühzeitig Risikoanalyse starten
- Identifizieren Sie potenzielle Haftungsrisiken in bestehenden Produkten.
- Planen Sie rechtzeitig Anpassungen bis zum Inkrafttreten am 9. Dezember 2026.
