Adressbuchschwindel - Inklusive Muster einer Anfechtungserklärung

Aktuelles

GWE-Wirtschaftsinformationsges. mbH, Düsseldorf: Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof zurückgewiesen!
Die GWE-Wirtschaftsinformationsges. mbH, Düsseldorf (GWE), versandte über einen Zeitraum von über zwei Jahren täuschende Angebotsformulare für Eintragungen in einer Gewerbedatenbank.
Auf Antrag des Deutschen Schutzverbands gegen Wirtschaftskriminalität e.V.  wurde das Versenden derartiger Formulare durch das Landgericht Düsseldorf untersagt (Urteil vom 15.04.2011, 38 O 148/10). Gegen dieses Urteil legte die GWE Berufung ein.  Das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigte das erstinstanzliche Urteil und ließ in diesem Zusammenhang keine Revision zu (Urteil vom 14.2.2012, I-20 U 100/11).  Dies wurde von der GWE zum Anlass genommen, Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einzulegen.
Per Beschluss vom 6. Februar 2013 (I ZR 70/12) hat der Bundesgerichtshof diese Beschwerde zurückgewiesen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung habe und im Übrigen auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erforderten.
Das Verbotsurteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist damit rechtskräftig. Weitere Formularaussendungen der GWE dürften jetzt nicht mehr zu erwarten sein. Außerdem besteht die Hoffnung, dass die GWE endlich auch ihre massive Mahntätigkeit bei denjenigen Opfern einstellt, die solche Formulare irrtümlich unterschrieben haben und in der Folge Rechnungen und Mahnungen erhalten haben.

Adressbuchschwindel

Seit einigen Jahren nimmt die Zahl unseriöser Adressbuchverlage, die als Rechnungen aufgemachte Eintragungsangebote für Unternehmensdateien, Branchenregister, Zentralverzeichnisse, Gewerberegister oder ähnlich lautende Verzeichnisse in Umlauf bringen, stetig zu. Die Angebote sind dabei so aufgemacht, dass der flüchtige Leser meint, es handle sich um eine Rechnung für einen bereits erteilten Auftrag.
Gerne wird durch die Adressbuchverlage auch der Eindruck erweckt, eine öffentliche Stelle sei Absender der Rechnung für eine vermeintlich gesetzlich verlangte Veröffentlichung. Leidtragende - weil bevorzugte Adressaten solcher Machenschaften - sind vor allem Existenzgründer und junge Unternehmen, deren Anschriften zum Teil Veröffentlichungen über Handelsregistereintragungen entnommen werden. Die Auswertung solcher Veröffentlichungen ist erlaubt. Der Bundesanzeiger weist seine Inserenten in einer Mitteilung ausdrücklich auf diesen
Umstand hin, betont jedoch gleichzeitig, in keinerlei Zusammenhang mit den Angeboten unseriöser Adressbuchverlage zu stehen.
Eine andere Vorgehensweise unseriöser Adressbuchverlage besteht darin, Formulare zu verwenden, in die Anzeigentexte aus anderweitig veröffentlichten, von den angeschriebenen Unternehmen tatsächlich in Auftrag gegebenen Werbeanzeigen, montiert werden. Der flüchtige Leser erkennt seine eigene alte Werbeanzeige und bemerkt gegebenenfalls nicht, dass er mit seiner Unterschrift nicht nur den richtigen Text der Anzeige bestätigt (z. B. Korrekturabzug für eine Widerveröffentlichung), sondern einen neuen Anzeigenvertrag mit einem ganz anderen Unternehmen unterschreibt.
Der wirtschaftliche Schaden, der den Betrieben durch den ungewollten Vertragsschluss zugefügt wird, ist immens. Falls die Verzeichnisse überhaupt erscheinen, sind sie meist wertlos, da die Eintragungen z. B. ohne Sortierung nach Branche oder Sitz des Unternehmens erfolgen.

Woran erkennt man Werbeschreiben unseriös arbeitender Adressbuchverlage?

  • Das Werbeschreiben ähnelt einer Rechnung, zumeist sind bereits ausgefüllte Überweisungsträger dem Schreiben fest beigefügt.
  • Angegebene Kunden- oder Registriernummern sollen den Eindruck bereits bestehender Geschäftsverbindungen erwecken.
  • Es werden Logos oder Bezeichnungen verwendet, die denen von Behörden oder halbamtlichen Stellen gleichen.
  • Zumeist geben erst die kleingedruckten Geschäftsbedingungen auf der Rückseite einen Hinweis darauf, dass es sich um ein kostenpflichtiges Eintragungsangebot handelt.
  • Häufig werden aufgeklebten Ausschnitte von Handelsregisterveröffentlichungen aus dem Bundesanzeiger verwendet.
  • Datenerhebungsbögen für eine vorgeblich kostenfreie Aufnahme der Firmendaten in eine Datenbank werden zugesandt. Kostenlos ist jedoch gemeinhin nur die Veröffentlichung der sogenannten Stammdaten (Firmenbezeichnung, Anschrift).
  • Es werden sogenannte Firmengründungsurkunden verschickt.
  • Die Eintragungsofferten werden oftmals per Fax verschickt. (Hinweis: unerbetene Telefaxwerbung ist wettbewerbswidrig).
  • In Formularen werden Anzeigentexte aus anderweitig veröffentlichten, von den angeschriebenen Unternehmen tatsächlich in Auftrag gegebenen Werbeanzeigen, montiert. Die Richtigkeit eines angeblichen Korrekturabzuges soll schriftlich bestätigt werden, tatsächlich handelt es sich um die Unterschrift zu einem Anzeigenauftrag.
Wie die Beispiele zeigen, zielen die Werbemethoden bewusst auf Schwachstellen der innerbetrieblichen Organisation ab. Dabei rechnen die Versender damit, dass die Zahlungen ohne genauere Prüfung angewiesen werden, da sich die Kosten für eine Eintragung in die Verzeichnisse in der Regel auf weniger als 500 Euro belaufen.

Richtig reagieren

Wie ist mit diesen Angeboten umzugehen? Die IHK warnt davor, auf diese Angebote einzugehen. Der richtige Platz für Eintragungsofferten der vorgenannten Art ist der Papierkorb. Daher sollten speziell die mit Zahlungsvorgängen betrauten Mitarbeiter über die dubiosen Praktiken unseriöser Adressbuchverlage aufgeklärt werden.
Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang eine genaue Prüfung, ob ein entsprechender Bestellvorgang vorliegt beziehungsweise ob die angebotene Leistung wirklich in Anspruch genommen werden soll.
Die IHK bemüht sich seit Jahren, Unternehmen vor unseriösen Adressbuchverlagen zu schützen. Zur Bekämpfung arbeitet die IHK seit langem mit dem Deutschen Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität e.V. (DSW) und dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) zusammen.
Bei der IHK eingehende Beschwerden werden an den DSW weitergeleitet. Der Schutzverband fordert die unseriösen Unternehmen zur Abgabe einer strafbewährten Unterlassungserklärung auf und leitet gegebenenfalls gerichtliche Schritte ein, unter Umständen wird sogar Strafanzeige gestellt.
Seriös arbeitende Adressbuchverlage können über den Verband Deutscher Adressbuchverleger erfragt werden. Dieser versendet auf Anfrage kostenlos das "Handbuch der Langzeitmedien" mit einem Verzeichnis der ihm angeschlossenen Verlage, die sich zu einwandfreiem Geschäftsgebaren - insbesondere zur lauteren Werbung – verpflichtet haben.
Kontakt:
VDAV - Verband Deutscher Auskunfts- und Verzeichnismedien e.V.
Heerdter Sandberg 30, 40549 Düsseldorf
Telefon 0211 577995-0

Was tun, wenn ein Vertrag schon unterschrieben wurde?

Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. Januar 1995 (AZ.: I ZR 39/93) können solche Angebote gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen. Leider nützt dies dem Betroffenen noch nicht allzu viel, da der unterschriebene Vertrag hierdurch nicht per se unwirksam wird. Für die Betroffenen besteht allerdings die Möglichkeit, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB schriftlich anzufechten. Zwar besteht unabhängig von einer Anfechtung des Betroffenen das Risiko einer Zahlungsklage seitens des Verwenders. Durch diese Vorgehensweise wird jedoch die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass ein Gericht später im Streitfall doch von einem wirksam zustande gekommenen, aber möglicherweise wirksam angefochtenen, Vertrag ausgeht. Einen Formulierungsvorschlag für eine Anfechtungserklärung finden Sie am Ende dieses Merkblattes. Ergänzend kann geprüft werden, ob der auf Basis des Formulars geschlossene Vertrag eventuell auch AGB-rechtswidrig ist, denn vorformulierte Klauseln, die als überraschend im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) angesehen werden können (so z.B. die verschleierte Kostenpflichtigkeit), können als unwirksam gelten.
Die aktuelle Rechtsprechung geht zwar nicht immer eindeutig von einem Täuschungscharakter der Angebotsschreiben aus, die Tendenz geht jedoch in diese Richtung, wie beispielsweise das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 26.07.2012 VII ZR 262/11 zeigt. Dieser hat eine Entgeltklausel in einem Antragsformular "Eintragungsantrag Gewerbedatenbank…" für einen Grundeintrag in ein Branchenverzeichnis "gewerbliche Verzeichnis für Handwerk Handel und Industrie" im Internet für überraschend erklärt. Mit Rücksicht darauf, dass Grundeinträge in ein Branchenverzeichnis im Internet in einer Vielzahl von Fällen unentgeltlich angeboten werden, wird eine Entgeltklausel, die nach der drucktechnischen Gestaltung des Antragsformulars so unauffällig in das Gesamtbild eingefügt ist, dass sie von dem Vertragspartner des Klauselverwenders dort nicht vermutet wird, gemäß § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil. Eine Kenntnisnahme durch den durchschnittlich aufmerksamen gewerblichen Adressaten war nicht zu erwarten. Die AGB-Klausel war deshalb unwirksam, ein Zahlungsanspruch bestand nicht.
Vorinstanz: LG Bochum - Urteil vom 15. November 2011 - 11 S 100/11.
Im Falle einer rechtlichen Auseinandersetzung kann das Urteil des Landgerichts Köln vom 26. September 2007, 9 S 139/07, als Argumentationshilfe geeignet sein. Darin hat das Landgericht eine Zahlungsverpflichtung für eine Aufnahme in ein Verzeichnis wegen erklärter Anfechtung und anderer rechtlicher Mängel mit sehr eingehender Begründung abgelehnt. Ähnlich auch: Landgericht Hamburg, Urteil vom 14. Januar 2011, 309 S 66/10.
Daneben sollte stets vorsorglich gleichzeitig auch eine Kündigung des Vertragsverhältnisses erklärt werden, um die Zusendung von Folgerechnungen für einen gegebenenfalls mit der Unterzeichnung erteilten Mehrfachauftrag oder eine weitere Vertragsverlängerung grundsätzlich zu vermeiden.

Was tun, wenn schon gezahlt wurde? 

Wer auf eines der rechnungsmäßig gestalteten Auftragsformulare eine Zahlung im falschen Glauben an eine bereits bestehende Verbindlichkeit geleistet hat, sollte noch nicht ausgeführte Überweisungsaufträge umgehend bei der Hausbank stoppen. Falls es für diesen Schritt bereits zu spät ist, sollte der Betrag gegebenenfalls mit anwaltlicher Hilfe zurückgefordert werden. In jedem Fall sollte der ungewollt erteilte Auftrag wegen arglistiger Täuschung schriftlich angefochten werden (siehe das Muster weiter unten). Allerdings kommt es auch hier wieder auf die Sicht des Gerichts an, denn für eine erfolgreiche Rückzahlungsklage des Betroffenen, auch nach Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, ist es zusätzlich erforderlich, dass das Gericht einen Täuschungswillen des Versenders bejaht.
Vorsorglich sollte auch in diesem Fall immer die Kündigung erklärt werden, um die Zusendung von Folgerechnungen für einen gegebenenfalls mit der Unterzeichnung erteilten Mehrfachauftrag oder eine weitere Vertragsverlängerung grundsätzlich zu vermeiden.

Muster einer Anfechtungserklärung

Sehr geehrte Damen und Herren,
(Falls zutreffend: ich habe unter dem Eindruck einer Zahlungsverpflichtung den Betrag von ... Euro an Sie gezahlt. Mit dieser Zahlung ist kein wirksamer Vertragsschluss zustande gekommen.)
Hiermit fechte ich meine Erklärung vom ... wegen arglistiger Täuschung an. Mit Ihrem Formularschreiben vom ... haben Sie in arglistig täuschender Weise den Eindruck vermittelt, es handle sich um eine Rechnung mit Zahlungsverpflichtung und nicht lediglich um ein Angebot. Der Angebotscharakter war nicht ohne weiteres erkennbar. Hinzu kommt, dass der Hinweis auf die Kosten derartig in den übrigen Text eingebettet war, dass der Leser geradezu verleitet werden sollte, den ausschlaggebenden Teil in Bezug auf die Kosten zu überlesen.
(Falls zutreffend: Ich fordere Sie auf, die von mir geleisteten Zahlungen unverzüglich, spätestens bis zum ... auf mein Konto ... zurückzuerstatten.)
Rein vorsorglich kündige ich den Vertrag hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Rechtliche Schritte behalte ich mir ausdrücklich vor.
Weitere Informationen zur Vorgehensweise enthält auch der Warnflyer, den Sie in der rechten Spalte zum Download finden. Dieser wurde von der Arbeitsgemeinschaft der Hessischen IHks zusammen mit der Notarkammer Frankfurt und der Notarkammer Kassel sowie dem DSW entwickelt.
Hinweis: Das Merkblatt ist eine Zusammenfassung der rechtlichen Grundlagen, enthält erste Hinweise und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl das Merkblatt mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.