Gesund Arbeiten

Psychische Gefährung am Arbeitsplatz

Die Beurteilung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz ist seit 2014 Bestandteil des Arbeitsschutzgesetzes und ist das zentrale Element im betrieblichen Arbeitsschutz. Nach § 5 Absatz 3 Nr. 6 ArbSchG sind alle Arbeitgeber, unabhängig von der Betriebsgröße, in der Pflicht Arbeitsplätze auf potenzielle psychische Gefahren, wie beispielsweise Stress, Erschöpfung oder Monotonie zu untersuchen. Arbeitgebende, die nicht handeln, riskieren neben Bußgeldbescheiden der Gewerbeaufsichtsbehörden auch Regressansprüche der Sozialversicherungsträger. Seminare und Veranstaltungen zum Thema Arbeitssicherheit finden Sie über unsere Veranstaltungssuche.
Das Gesetz erlaubt den Arbeitgebern, die Beurteilung selbst oder durch Fachpersonal nach entsprechender Unterweisung durchzuführen. Wichtig dabei ist, dass die Entscheidungen nachvollziehbar sein müssen. Die Gefährdungsbeurteilung dient der Prävention und nicht der Beurteilung von Beschäftigten und deren Gesundheit. Ziel ist Belastungsfaktoren bei der Arbeitsaufgabe, der Arbeitsorganisation, der Arbeitsplatzumgebung oder bei den sozialen Rahmenbedingungen aufzuspüren und Verbesserungen durch entsprechende Maßnahmen herbeizuführen.

Schritt 1: Festlegen der Tätigkeiten und Bereichen

Zunächst müssen die zu beurteilenden Tätigkeiten bzw. Bereiche definiert werden. Tätigkeiten oder Bereiche, die in Bezug auf die psychische Belastung gleichartig sind, können zusammengefasst werden. Da die physische Belastung sowohl nach Art der Tätigkeit (Arbeitsintensität, Handlungsspielräume etc.)  als auch in Abhängigkeit von Arbeitsbedingungen im Arbeits-und Organisationsbereich (z.B. in Bezug auf soziale Beziehungen zur Kollegen) verschieden sein kann, können Einheiten sowohl auf Ebene der Tätigkeit als auch Ebene der Arbeits- oder Organisationsbereiche gebildet werden. Die Bildung der Einheiten muss jedoch nachvollziehbar begründet sein. Es kann bei hilfreich sein, zunächst mit einem Pilotprojekt zu starten und sich dann erst „echten“ Problembereichen zu zuwenden.

Schritt 2: Ermittlung der psychischen Belastung

Gestartet wird mit einer Bestandsaufnahme der Belastungsfaktoren, bei der Kennzahlen unterstützen können. Diese sind in der Regel aufgrund der eingesetzten EDV-Programme nach Abteilungen oder Kostenstellen abrufbar. Notwendig sind branchenübliche Kennzahlen, die Rückschlüsse auf eine psychische Belastung zulassen. Typischerweise sind dies mindestens Angaben zu AU-Tagen, nicht genommenen Urlaub, Anzahl der Überstunden und Informationen zu Beschwerden und Terminverstößen. Die Kennzahlen müssen zudem mit den in der Branche üblichen Kennzahlen verglichen werden. Dazu geben verschiedene Organisationen jährlich Informationen bekannt. Zum Beispiel das statistische Bundesamt, Bundesverbände, Berufsgenossenschaften oder Krankenkassen. Der Vergleich beugt dem Vorwurf der fahrlässigen Bewertung vor.
Bei schwieriger Kennzahlenlage sollte der betroffene Arbeitsplatztyp durch individuelle Befragungen vor Ort bewertet werden. Ein mögliches Mittel kann eine anonyme Befragung der Beschäftigten sein. Ziel hierbei sollte sein, festzustellen, inwieweit das beobachtete Verhalten Hinweise darauf gibt, das es nicht die Verhältnisse am Arbeitsplatz sind, die die psychische Belastung ergeben. Eventuell macht es in dieser Situation auch Sinn externe Profis mit einzubeziehen.

Schritt 3: Beurteilung der psychischen Belastung

Klares Ziel der Beurteilung ist, das Gesundheitsrisiko einzuschätzen und abzuklären, ob Maßnahmen des Arbeitsschutzes sind erforderlich und wenn ja, welche dies sein können. Zur Beurteilung gibt es für viele Belastungsfaktoren keine spezifischen rechtlichen Festsetzungen, außer der grundlegenden Forderung, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten zu gewährleisten und zu verbessern. Der Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse sind dabei zu berücksichtigen (§ 4ArbSchG, Ziffer 3). Wichtig ist, dass die Beurteilung sachlich begründet ist und die Vorgehensweise nachvollziehbar ist.
Gibt es im Unternehmen bereits präventive Maßnahmen, sollten diese ebenfalls beurteilt werden. Dazu müssen alle bisherigen Maßnahmen zum Beispiel zu den Themen Stressbewältigung, Ernährung oder Bewegung dargestellt und bewertet werden. Ziel hier ist es, zu erkennen, ob und wenn ja, welche Defizite im Unternehmen bestehen. Zum Beispiel: Es werden zwar präventive Maßnahmen angeboten, ein strukturierendes BGM fehlt jedoch.

Schritt 4: Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen

Wird in Schritt drei festgestellt, dass präventive Maßnahmen erforderlich sind, werden in Schritt vier nun geeignete Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Diese müssen aus den Ergebnissen der Beurteilung abgeleitet und begründet sein. Denkbar sind sowohl Maßnahmen der Verhältnis- als auch der Verhaltensprävention.
Es müssen nicht alle identifizierten Problemfelder gleichzeitig bearbeitet werden, sondern es ist sinnvoller zunächst Prioritäten zu setzen (z.B. nach Dringlichkeit oder Anzahl der betroffenen Beschäftigten).

Schritt 5: Durchführung und Kontrolle der Maßnahmen

Nach der Einführung der Maßnahmen, sollte geprüft werden, ob sich die Belastungssituation nach Umsetzung der Maßnahmen in beabsichtigter Weise verändert hat. In Kurzbefragungen, Workshops mit Beschäftigten und Führungskräften oder Vorher-Nachher-Beurteilungen lässt sich herausfinden, ob die Maßnahme den gewünschten positiven Effekt auf die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten erzielt. Die Vorgehensweisen zur Wirksamkeitskontrolle müssen nachvollziehbar sein.

Schritt 6: Dokumentation

Alle Betriebe sind gesetzlich (§ 6 ArbSchG) zu einer Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung verpflichtet.  Aus dieser Dokumentation muss erkennbar werden, dass die Gefährdungsbeurteilung angemessen durchgeführt wurde. Zwar gibt es an Form, Umfang oder Art der Dokumentation keine bestimmten Anforderungen, entsprechend der GDA-Leitlinie „Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation“ sollten jedoch mindestens folgenden Punkte enthalten sein:
  • Beurteilung der Gefährdungen
  • Festlegung konkreter Arbeitsschutzmaßnahmen einschließlich Terminen und Verantwortlichen
  • Durchführung der Maßnahmen
  • Überprüfung der Wirksamkeit
  • Datum der Erstellung
Die Dokumentation dient in erster Linie als Nachweis für Aufsichtspersonen der Arbeitsschutzbehörden und Unfallversicherungsträger.
Zudem kann sie als Instrument zur Organisation der Gefährdungsbeurteilung genutzt werden (z.B. Termine) oder als Grundlage des dauerhaften Verbesserungsprozesses dienen. 

Schritt 7: Aktualisierung

Eine Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung wird dann nötig, wenn sich die der Gefährdungsbeurteilung zugrundeliegenden Gegebenheiten geändert haben. Dies kann vorkommen, wenn sich die Arbeitsbedingungen ändern (z.B. nach Restrukturierungsprozessen), wenn es zu einer plötzlichen Häufung von Beschwerden, Fluktuation oder Gesundheitsbeeinträchtigungen kommt, wenn neue arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse oder neue Arbeitsschutzvorschriften vorliegen oder wenn sich die Möglichkeit zur Gefahrensprävention ergeben.