26. Juli 2023

Unternehmen im Gespräch mit Landtagsabgeordneten: Verkehrswende nur durch Infrastrukturausbau

Auf Einladung der IHK Ulm diskutierten am 25. Juli Unternehmensvertreter aus der Vollversammlung und Ausschüssen der IHK Ulm mit den regionalen Landtagsabgeordneten und Verkehrsexperten der Regierungsfraktionen Thomas Dörflinger (CDU) und Michael Joukov (Grüne) über ihre Herausforderungen durch stetig steigende Vorgaben sowie die politischen Ziele der Verkehrswende. Fazit: Ohne Unterstützung und Infrastrukturausbau sind die Ziele zur Verkehrswende - trotz Bekenntnis der Unternehmen - nicht erreichbar.
Private Busunternehmen fürchten Benachteiligung
Bei Busunternehmen Bottenschein am Standort Laupheim gaben Sonja Bayer (Robert Bayer GmbH), Horst Bottenschein (Bottenschein Reisen GmbH & Co.KG) und Maximilian Reinalter (H. Reinalter GmbH & Co. KG) zusammen mit Jonas Pürckhauer, stv. Hauptgeschäftsführer der IHK Ulm, und Simon Pflüger, Leiter Standortpolitik der IHK Ulm, den Abgeordneten einen Einblick in die Herausforderungen der Branche. Neben dem gravierenden Busfahrermangel zeigten sie auf, warum die ehrgeizigen politischen Ziele im Bereich der Antriebswende von den kleinen und mittelständischen Busunternehmen unter den derzeitigen Voraussetzungen nicht zu erreichen sind. Unter anderem wurde über das geplante Landesmobilitätsgesetz diskutiert. Es sieht vor, im ÖPNV in Baden-Württemberg bis zum Jahr 2028 nur noch Fahrzeuge (Stadt- und Regionalbusse) mit CO2-freien Antrieben zuzulassen – also 100 Prozent. Im Vergleich dazu gibt die Clean Vehicles Directive der EU nur vor, dass 32,5 Prozent der neuzugelassenen Fahrzeuge (Stadtbusse) ab 2030 emissionsfrei sein müssen.
„Vorneweg, wir unterstützen die Energie- und Verkehrswende. Jedoch wären diese ambitionierten Ziele von uns privaten Busunternehmen in der kurzen Zeit nicht umsetzbar. So sind für Fahrzeuge mindestens zwei Jahre allein für die Beschaffung erforderlich, soweit sie überhaupt auf dem Markt verfügbar sind. Auch fehlt die Infrastruktur, denn bis 2028 können Betriebshöfe, wie der unsre, zum Laden der Fahrzeuge nicht mit der notwendigen Leistung ans Netz angeschlossen werden“, so Horst Bottenschein.
„Ob Wasserstofffahrzeuge und die dafür benötigte Infrastruktur bis in fünf Jahren für den flächendeckenden Einsatz vorhanden sind, ist auch nicht sicher“, ergänzt Sonja Bayer und Maximilian Reinalter gibt zu bedenken: „Über allem schweben dann noch die zusätzlichen Kosten, denn ein E-Bus kostet gleich das doppelte mehr. Wer übernimmt diese Kosten im viel zu klamm finanzierten ÖPNV?“
Aus Sicht der Wirtschaft darf es zu keiner Ungleichbehandlung der Busunternehmen in Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen Bundesländern kommen. Zudem müssen realistische Ziele verfolgt werden und die Unternehmen auf dem Weg zu CO2-neutralen Antrieben mit Austausch der Fahrzeugflotte einbezogen und mit geeigneten Förderprogrammen unterstützt werden. Eine großzügige Übergangszeit ist für die Umstellung notwendig. Für diese Zeit können als „Brückentechnologie“ bereits erfolgreich im Einsatz befindliche alternative Kraftstoffe, die eine deutliche Reduzierung von CO2 erreichen, genutzt werden. So setzen u.a. die Firmen Bottenschein und Bayer solche Busse im ÖPNV ein, die über die eigenen GTL- bzw. HVO-Tankstellen an den Betriebsstandorten betankt werden.    
„Die Clean Vehicle Directive (CVD) ist ein wichtiger Baustein, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Deren Umsetzung wird für die Busbranche jedoch herausfordernd sein. Daher ist vom Land auch Unterstützung notwendig. Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, die Ziele der EU-CVD Ziele umzusetzen. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr im Sinne weiterer Verschärfungen“, so Thomas Dörflinger.
„Es ist absolut notwendig, im ständigen Austausch mit den Unternehmen zu sein, denn sie sind es, die die Verkehre umsetzen, die wir landesseitig haben wollen. Gleichzeitig ist es für alle Beteiligten essenziell, Planungssicherheit zu haben, mit einem festen Pfad zu CO2-Neutralität. In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns und nehmen die Aufgaben sehr ernst“, erklärt Michael Joukov.
Wirtschaft will mehr auf die Schiene bringen als bahnseitig möglich
Beim Rohstoffunternehmen Eduard Merkle GmbH & Co. KG in Blaubeuren diskutierten Hartmut Koch-Czech (Eduard Merkle GmbH & Co. KG), Dominik Azadi (Heidelberg Materials AG - Zementwerk Schelklingen), Simon Brunner und Peter Denkinger (Denkinger Internationale Spedition GmbH), Ulrich Heusel und Benjamin Buchmüller (Liebherr-Werk Ehingen GmbH) sowie die IHK-Vertreter mit den Abgeordneten die Schwierigkeiten beim Verladen von Gütern über die Schiene am Beispiel der Donautalbahn.
„Von Seiten einiger großer Unternehmen entlang der Strecke besteht großes Interesse, deutlich mehr Güter auf die Schiene zu verladen und zu transportieren. Wir wollen damit unseren Beitrag zum Klimaschutz noch weiter erhöhen“, so Ulrich Heusel.
„Doch der Schienengüterverkehr auf der Donautalbahn ist unflexibel und es gibt keine Kapazitäten auf der Strecke, um darauf Güter mit unserem Bedarf zu transportieren. Das Ziel der Politik mit mehr Gütern auf der Schiene kann so nicht erreicht werden, auch wenn wir wollen“, fasst Hartmut Koch-Czech das Dilemma zusammen.
Aus Sicht der Wirtschaft ist eine weitere Verkehrsverlagerung von Gütern auf die Schiene nur mit einem zeitnahen Infrastrukturausbau möglich. Neben einem guten Takt für den Personenverkehr müssen auch flexibel nutzbare Trassen für Güterverkehre ermöglicht werden.
„Man kann auf der einen Seite nicht immer nur die Forderung stellen, mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern, aber den notwendigen Infrastrukturausbau hierfür nicht umsetzen“, so Dominik Azadi.
„Wir hoffen auf mehr Unterstützung seitens der Landespolitik“, ergänzt Simon Brunner, dessen Unternehmen gerade mit hohen Investitionen durch Reaktivierung eines alten Bahnanschlusses in Rottenacker den Versand über die Schiene in den letzten Jahren weiter ausgebaut hat.
Aus Sicht der Wirtschaft muss auf der Donautalbahn ein zeitnaher Kapazitätsausbau zur Abwicklung weiterer Güterverkehre erfolgen. Nur so kann ein weiterer Beitrag des Verkehrs zur Reduzierung des CO2-Austoßes erreicht werden.
„Ein funktionierender Schienengüterverkehr ist das Rückgrat einer industrialisierten Volkswirtschaft. Leider ist der Nachholbedarf auf der Donautalbahn enorm. Wir brauchen digitale Stellwerke, damit der Güterverkehr auch nachts stattfinden kann, tagsüber sind die Kapazitäten an der Grenze. Dafür setzt sich der Verkehrsminister und setze ich mich ein – solange, bis die Ertüchtigung kommt, am besten gleich morgen“, verdeutlicht Michael Joukov.
„Nach allen Prognosen wird der Güterverkehr in den kommenden Jahren weiter deutlich zunehmen. Der Verlagerung von Güterverkehren von der Straße auf die Schiene kommt daher eine besondere Schlüsselrolle zu. Für den Ausbau und die Reaktivierung von Schienenstrecken ist zwar der Bund zuständig, das Land wird jedoch entsprechende Maßnahmen im Rahmen seiner Möglichkeiten ebenfalls unterstützen. Dies sehe ich auch bei der Donautalbahn“, ergänzt Thomas Dörflinger.