21. Februar 2025

IHK-Konjunkturbericht Jahresbeginn 2025: Zwischen Stagnation und Rezession

Die wirtschaftliche Erholung in der IHK-Region Ulm lässt auf sich warten. Zwar hat sich der Abwärtstrend zumindest nicht weiter verstärkt. Die Stimmung bleibt aber in vielen Unternehmen von Skepsis und Verunsicherung geprägt. Impulse durch inländische Investitionen oder steigende Exportzahlen bleiben aus. Die Wirtschaft verharrt somit weiterhin zwischen Stagnation und Rezession.
Immerhin: Zu Beginn des neuen Jahres hat sich der konjunkturelle Abwärtstrend nicht weiter verstärkt. Die hiesigen Unternehmen melden sogar eine leicht verbesserte aktuelle Situation: Der IHK-Lageindikator, der die Differenz zwischen positiven und negativen Lageurteilen wiedergibt, ist von -4 auf 7 Punkte gestiegen. Er bleibt damit allerdings weiterhin deutlich hinter seinem Durchschnitt der letzten zwanzig Jahre von 31 Punkten zurück.
„Eine Trendwende ist diese leichte Verbesserung nicht“, resümiert IHK-Präsident Dr. Jan Stefan Roell die aktuellen Ergebnisse der Konjunkturumfrage zu Jahresbeginn. „Die Stimmung bleibt in vielen Unternehmen von Skepsis und Verunsicherung geprägt. Die Wirtschaft verharrt weiterhin zwischen Stagnation und Rezession.“
Steigende Belastungen mit Steuern, Arbeits-, Energie- und Bürokratiekosten nagen nicht nur an den Erträgen vieler Unternehmen, sie mindern auch deren internationale Wettbewerbsfähigkeit. Das gilt insbesondere für die exportorientierte Industrie: Über die Hälfte klagt über verringerte Exporte, wie schon im Herbst letzten Jahres melden zudem zwei Drittel der Industrieunternehmen gesunkene Inlandsumsätze. Die Kapazitätsauslastung ist auf 74,8 Prozent zurückgegangen. Auch die Geschäfte im Groß- und Einzelhandel sowie am Bau bleiben schwierig. Nur die Dienstleistungen aus der Region sind weiterhin gefragt und tragen damit zur Stabilisierung der konjunkturellen Entwicklung insgesamt bei.

Hohe Verunsicherung, fehlende Impulse

In der Vergangenheit haben anziehende Exporte die hiesige Konjunktur in Schwung gebracht und die Wirtschaft aus der Flaute gezogen. Angesichts einer geringen weltwirtschaftlichen Dynamik, hoher Standortkosten in Deutschland, zunehmend starker Konkurrenz aus dem Ausland sowie wachsender Handelsbarrieren stehen die Chancen hierfür in diesem Jahr jedoch eher schlecht. So sieht das auch die regionale Industrie: Ein Viertel der Unternehmen rechnet mit steigenden Exporten in diesem Jahr, fast genauso viele (24 Prozent) befürchten aber abnehmende Exporte. Expansive Impulse aus Nord- und Südamerika und in abgeschwächter Form auch aus Asien reichen gerade einmal aus, um die erwarteten Einbußen in der EU und auch im restlichen Europa zu kompensieren. Sollte der neue US-Präsident seine im Wahlkampf angekündigten Zollpläne in die Tat umsetzen und die EU entsprechend darauf mit Gegenmaßnahmen reagieren, dürften sich die Perspektiven nochmals massiv eintrüben.
Und aus dem Inland ist auch nicht mit positiven Überraschungen zu rechnen. Denn die Rahmenbedingungen für potenzielle Investoren sind in Deutschland aus mehrerer Hinsicht alles andere als günstig. Die Absatzperspektiven sind schlecht, die Standortkosten zu hoch (Energie- und Arbeitskosten), die Verfahren zu langwierig und bürokratisch, die Infrastruktur unzureichend. Zudem ist es unklar, wie die Wirtschaftspolitik künftig ausgerichtet wird. Gegenwärtig sehen mehr als vier von zehn Betrieben in diesem Punkt ein Risiko für die eigene wirtschaftliche Entwicklung.
Folglich hält sich die Wirtschaft weiterhin mit Investitionen in Deutschland zurück. 13 Prozent der Betriebe wollen gar nicht investieren. Von denen, die Investieren, hat ein knappes Drittel seine geplanten Ausgaben für Inlandsinvestitionen gekürzt. Nur ein gutes Fünftel will 2025 mehr investieren als 2024. In der Industrie fällt die Investitionsbereitschaft dabei noch etwas ungünstiger aus als im Schnitt aller Branchen.

Inland verliert an Attraktivität gegenüber dem Ausland

Je länger die ungünstigen Rahmenbedingungen anhalten, desto mehr verlieren hiesige Standorte an Attraktivität gegenüber dem Ausland. Drei von zehn Industrieunternehmen aus der IHK-Region Ulm planen in diesem Jahr im Ausland zu investieren. Von diesen wollen 57 Prozent ihr investives Engagement ausbauen, nur jeder zehnte Betrieb hat sein Budget für Auslandsinvestitionen gekürzt. Rund 30 Prozent der Industrieunternehmen mit Auslandsinvestitionen haben dabei angegeben, in den kommenden zwölf Monaten ursprünglich geplante Inlandsinvestitionen zugunsten von Investitionen im Ausland zurückzustellen.
„Um einen nachhaltigen Schaden abzuwenden, muss die Politik nach den Wahlen die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft schnellstmöglich verbessern. Die bekannten Probleme müssen angegangen werden: Energiepolitik, Infrastruktur, Fachkräfte, Steuerpolitik und Deregulierung“, appelliert Roell. „Dann entsteht Planungssicherheit und die Unternehmen werden auch wieder vor Ort investieren.“

Flaute erreicht den Arbeitsmarkt

Die regionale Arbeitslosenquote ist im Januar 2025 auf 3,3 Prozent gestiegen und lag damit um 0,2 Prozentpunkte über ihrem Vorjahresniveau. Sie fällt damit zwar weiterhin deutlich niedriger aus als in Baden-Württemberg (4,6 Prozent) und Deutschland (6,4 Prozent), jedoch macht sich die wirtschaftliche Flaute mit zunehmender Dauer immer stärker auch auf dem regionalen Arbeitsmarkt bemerkbar.
Die Beschäftigungspläne der Wirtschaft zeigen weiterhin Richtung Personalabbau. Während die Dienstleister versuchen, ihre Belegschaften in etwa auf dem derzeitigen Niveau zu halten, planen Handel und Industrie, mit weniger Beschäftigten auszukommen. Insgesamt hat nur jedes zehnte Unternehmen vor, zusätzliches Personal einzustellen, ein knappes Drittel plant einen Stellenabbau. Fast sechs von zehn Betrieben gehen von gleichbleibenden Beschäftigtenzahlen aus. Die Kurzarbeit gewinnt dabei immer mehr an Bedeutung.

Erwartungen bleiben eingetrübt

Insgesamt rechnet die regionale Wirtschaft per Saldo nicht mit sich verbessernden Geschäften in den kommenden Monaten. Ein Drittel der hiesigen Unternehmen geht von weiteren Rückschlägen in diesem Jahr aus, nur 13 Prozent sind optimistisch. Damit fällt die Stimmung per Saldo (-20 Punkte) zwar leicht besser aus als noch im Herbst 2024 (-26 Punkte). Das liegt jedoch vor allem daran, dass der Anteil der Pessimisten zugunsten des Anteils der Unternehmen, die mit gleichbleibenden Geschäften rechnen, zurückgegangen ist. Gleichbleibende Geschäfte heißt jedoch in der aktuellen konjunkturellen Situation für die meisten der betroffenen Unternehmen stagnierende Geschäfte auf geringem Niveau.

Blick in die Branchen

Industrieumsätze setzen Sinkflug fort

Die Sorgen der regionalen Industrie sind seit letztem Herbst nicht kleiner geworden. 62 Prozent der Betriebe melden gesunkene Inlandsumsätze, drei Viertel haben auch im Ausland weniger absetzen können. Die Ertragslage bleibt angespannt, die Auslastung der Kapazitäten ist nochmals minimal auf 74,8 Prozent zurückgegangen und bleibt weiterhin deutlich hinter der durchschnittlichen Auslastung der letzten 20 Jahre zurück (83 Prozent).
Eine Trendwende ist für die hiesigen Industrieunternehmen weiterhin nicht in Sicht. Positiv ist immerhin, dass die Zahl der Betriebe mit sinkenden Auftragseingängen deutlich zurückgegangen ist, auch wenn die Nachfragetendenzen sowohl im Inland als auch im Ausland per Saldo negativ bleiben. Entsprechend hat sich auch die Skepsis beim Blick nach vorn verringert. Trotzdem ist der Anteil der Pessimisten immer noch mehr als doppelt so hoch wie die Zahl der Optimisten. Das liegt vor allem an den unverändert ungünstigen Aussichten im Inlandsgeschäft. Beim Export hofft die Industrie zumindest auf eine Bodenbildung, jedoch drohen angesichts der Zollpläne des neuen US-Präsidenten auch hier dunkle Wolken am Horizont. Mit Investitionen im Inland hält sich die Industrie weiterhin zurück, zum Teil, um die investiven Aktivitäten im Ausland auszuweiten. Die Personalpläne zeigen deutlich nach unten.

Handel: Die Skepsis bleibt groß

Nach einem ordentlichen Weihnachtsgeschäft hat sich die aktuelle Situation im Einzelhandel gefestigt, positive und negative Bewertungen halten sich aktuell die Waage. Von den kommenden Monaten verspricht sich die Mehrheit der Einzelhändler jedoch nichts Gutes: Die Kaufzurückhaltung der Verbraucher verharrt auf hohem Niveau, die Kaufkraftzuwächse durch gestiegene Reallöhne werden durch höhere Sozialabgaben sowie zunehmende Mieten und Nebenkosten aufgezehrt. Zudem steigt die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz bei vielen Beschäftigten. Folglich sind nur noch 16 Prozent der Einzelhandelsbetriebe zuversichtlich, 42 Prozent befürchten hingegen eine Verschlechterung ihrer Geschäfte.
Ein Großteil der Großhändler hängt am Tropf der darbenden Industrie, somit verzeichnet auch er Umsatzrückgänge, vor allem im Inlandsgeschäft. Die anhaltend negative Nachfragedynamik hat etwas Kraft verloren, für eine merkliche Aufhellung der Perspektiven reicht das jedoch noch nicht. Neben der schwachen Nachfrageentwicklung bereiten vor allem die hohen Arbeitskosten sowie die wieder anziehenden Energiekosten den meisten Großhändlern Sorgen. Somit bleiben die Erwartungen für 2025 getrübt.

Dienstleister ein Fels in der Brandung

Mit dem Verlauf ihrer Geschäfte sind die regionalen Anbieter von Dienstleistungen dank verbesserter Ertragsentwicklung aktuell zufriedener als noch im Herbst letzten Jahres. Fast jedem zweiten Betrieb geht es gut, nur noch jedes neunte Unternehmen befindet sich in einer schlechten Lage. Der Service trägt damit zur Stabilisierung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bei. Besonders gefragt sind die Angebote der Berater und der ITK-Dienste. Auch den Finanzdienstleistern geht es gut. Angespannter ist die Situation der Hotels und Gaststätten, steigende Übernachtungs- und Umsatzzahlen stehen einer galoppierenden Kostenentwicklung gegenüber. Dem Güterverkehr macht die nachlassende Nachfrage seitens der Industrie zu schaffen, unter der auch die Arbeitsvermittler leiden.
Die Erwartungen für die nächsten zwölf Monate fallen nicht mehr ganz so skeptisch aus wie noch im Herbst letzten Jahres. Zwei Drittel der Unternehmen rechnen mit gleichbleibenden Geschäften. Optimistisch sind mit knapp elf Prozent nur halb so viele wie pessimistisch. Besonders skeptisch fallen die Erwartungen industrienaher Dienstleister (Transport, technische Berater) sowie der Hotels und Gasstätten aus. Insgesamt rechnen die Dienstleister mit konstanten Erlösen, die Beschäftigungspläne sind ausgeglichen. Top Risiko bleibt der Fachkräftemangel, gefolgt von den Arbeits- und Energiekosten.
Hier (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 403 KB)finden Sie die Grafiken „IHK-Konjunkturklimaindex Gesamtwirtschaft“ und „IHK-Konjunkturindikatoren nach Branchen Januar 2025“
Der IHK-Konjunkturklimaindex spiegelt das Ergebnis der Konjunkturumfrage der IHK Ulm in einem Wert wider. Er ist ein Frühindikator für die konjunkturelle Entwicklung. Entscheidend für die Interpretation der konjunkturellen Entwicklung im Zeitablauf ist die Veränderung des Index. Nimmt er zu, wird sich die Konjunktur tendenziell positiv entwickeln, nimmt er ab, verschlechtert sich hingegen tendenziell die wirtschaftliche Entwicklung.
IHK-Saldenindikatoren werden als Saldo der positiven und negativen Antworten zu den jeweiligen Fragen ermittelt und können demnach zwischen -100 und +100 Prozentpunkten liegen. Ein Indikator von Null zeigt an, dass sich die positiven und negativen Antworten genau die Waage halten.
Der Konjunkturbericht der IHK Ulm erscheint dreimal pro Jahr. Der aktuelle Bericht basiert auf der Umfrage im Januar 2025. Von über 38.000 Mitgliedern der IHK Ulm wurde ein repräsentativer Ausschnitt von 353 Unternehmen befragt, von denen sich 142 (40 Prozent) an der Umfrage beteiligten. Die Ergebnisse der Konjunkturumfrage (Zahlen und Abbildungen) finden Sie auch unter: https://konjunkturboard-bw.de/
Hinweis: Die inhaltlichen Aussagen in den Pressemeldungen der IHK Ulm basieren auf den erarbeiteten Positionen der demokratisch legitimierten Gremien der IHK Ulm, Befragungen oder Angaben aus statistischen Auswertungen. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass es zu den dargestellten Aussagen innerhalb der Mitgliedsunternehmen der IHK Ulm auch abweichende Meinungen geben kann.