24. Mai 2024

IHK-Konjunkturbericht Frühjahr 2024: Konjunkturelle Schwäche verfestigt sich

Wie von den Unternehmen aus der IHK-Region Ulm erwartet, war die Erholung der Geschäftslage zu Jahresbeginn nicht von Dauer. Nahezu jeder zweite Betrieb meldet im Frühjahr 2024 gesunkene Erlöse. Und auch die Erwartungen bleiben trotz leichter Verbesserung skeptisch. Die sinkende Inflation, mögliche Zinssenkungen und Anzeichen für eine Stabilisierung des Auslandsgeschäfts heben die Stimmung. Dagegen bremsen wachsende Sorgen im Inland. Eine Trendumkehr ist vorerst nicht in Sicht.
Der IHK-Konjunturklimaindex – ein Maß für die Lageurteile und die Erwartungen der regionalen Wirtschaft – tritt weiter auf der Stelle und verharrt spürbar unter dem langjährigen Durchschnitt.
„Damit schwinden die Chancen der regionalen Wirtschaft, sich noch in diesem Jahr aus der sich verfestigenden konjunkturellen Schwäche zu befreien“, resümiert IHK-Präsident Dr. Jan Stefan Roell die aktuellen Ergebnisse der IHK-Frühjahrsumfrage.
Umsatzeinbußen weiten sich aus
Der Anteil der Unternehmen, deren Umsätze in den vergangenen Monaten zurückgegangen sind, ist von 36 Prozent zu Jahresbeginn auf 48 Prozent im Frühjahr geklettert. Auf steigende Erlöse können derzeit nur noch 19 Prozent der Betriebe verweisen, zuvor waren es noch 32 Prozent. Diese Entwicklung beruht auf einer anhaltend schwachen Nachfrage aus dem In- und Ausland, der sich kaum eine Branche entziehen kann.
In der Industrie sind ähnlich viele Unternehmen vom Schwund der Erlöse betroffen (49 Prozent) wie in der Gesamtwirtschaft. Im Großhandel klagen sogar 63 der Betriebe Prozent über Erlösrückgänge. Im Einzelhandel tun dieses deutlich weniger (27 Prozent), trotzdem ist auch hier die Umsatzentwicklung im Schnitt der Branche negativ, da nur jeder fünfte Einzelhändler seine Umsätze steigern konnte. Die Erlöse der Dienstleister stagnieren, jeweils ein Viertel meldet gestiegene bzw. gesunkene Einnahmen.
Schwache Nachfrage senkt die Zufriedenheit
In der Folge fallen die aktuellen Lageeinschätzungen der Unternehmen ungünstiger aus als zu Beginn des Jahres. Unverändert bewerten 37 Prozent der Unternehmen ihre aktuelle geschäftliche Situation als gut. Der Anteil, der über eine verschlechterte Lage klagenden Betriebe, ist jedoch von 13 auf 19 Prozent gestiegen. Entsprechend ist die Zahl der Unternehmen in befriedigender Lage auf 44 Prozent zurückgegangen. Damit bleibt der Lageindikator (Differenz zwischen positiven und negativen Lagerurteilen) im positiven Bereich (18 Punkte), fällt jedoch weiter hinter seinen langfristigen Durchschnitt (34 Punkte) zurück.
Angesichts anhaltend negativer Nachfragetendenzen rechnet die regionale Wirtschaft vorerst auch nicht mit einer kurzfristigen Umkehr der wirtschaftlichen Situation. Zwar hat sich in der Industrie der Rückgang der Auftragseingänge aus dem Ausland spürbar abgeschwächt, jedoch trübt der beschleunigte Auftragsschwund im Inland die Auftragslage insgesamt. Trotz merklicher Besserung der Bestelleingänge im Großhandel bleibt auch hier die Tendenz negativ. Von einer Rückkehr der Kauffreude ist auch im Einzelhandel kaum etwas zu spüren. Das Auftragsvolumen der Dienstleister verharrt trotz leichter Besserung im Rückwärtsgang.
Blick nach vorn hellt nur leicht auf
Es gibt jedoch auch einzelne positive Entwicklungen, die die konjunkturelle Entwicklung in den nächsten Monaten beleben könnten. So führt die nachlassende Inflation zusammen mit kräftigen Lohnsteigerungen und robustem Arbeitsmarkt zu realen Einkommenssteigerungen, die den privaten Konsum stützen. Mit einer Belebung seiner Geschäfte rechnet der Einzelhandel jedoch weiterhin nicht. Seine Kundschaft bleibt bei seinen Ausgaben zurückhaltend und legt seine gestiegene Kaufkraft vorerst lieber als Ersparnis zurück.
Da sich die zurückgehende Inflation langsam der Zielmarke der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent annähert, eröffnen sich Spielräume für künftige Senkungen der Leitzinsen. In der Folge sinkenden Finanzierungskosten, könnte die Talfahrt im Wohnungsbau bremsen und Investitionsbereitschaft fördern.
Zudem geht die Industrie davon aus, dass sich der Rückgang der Auslandsaufträge nicht nur abschwächt, sondern im weiteren Verlauf des Jahres zunehmend stabilisieren wird. 29 Prozent der Betriebe rechnet mit steigenden, 21 Prozent mit sinkenden Exporten in den nächsten zwölf Monaten. Besonders ausgeprägt ist die Zuversicht bezüglich Nordamerikas. Auch aus Asien sollen positive Impulse kommen. Die Nachfrage aus Europa dürfte tendenziell stagnieren.
Viele Unternehmen aus der IHK-Region Ulm scheinen jedoch trotzdem daran zu zweifeln, dass sich die genannten Entwicklungen schon in den nächsten Monaten positiv auf ihre eigenen Geschäfte auswirken werden. Zuversichtlich sind nur minimal mehr Betriebe (16 Prozent, ein Plus von einem Prozentpunkt gegenüber dem Jahresauftakt). Die leichte Erwartungsaufhellung beruht dagegen vor allem darauf, dass die Zahl der Pessimisten von 19 auf 12 Prozent zugunsten der Unternehmen mit gleichbleibenden Erwartungen zurückgegangen ist. Somit blicken weiterhin mehr Unternehmen skeptisch als zuversichtlich nach vorn.
Anhaltend hohe Risiken schüren Verunsicherung
Der Grund dieser anhaltenden Skepsis liegt in zahlreichen Risikofaktoren begründet. Nahezu drei Viertel aller Betriebe, so vielen wie noch nie, bereitet die Inlandsnachfrage Sorgen. In der Industrie sehen sogar 86 Prozent der Unternehmen in der Inlandsnachfrage ein Risiko für die eigene Geschäftsentwicklung in den nächsten zwölf Monaten. Mögliche erneute Energiepreissteigen beunruhigen sechs von zehn Betrieben. Steigende Arbeitskosten sowie der akute Fachkräftemangel nennen 55 bzw. 54 Prozent als Risiken.
„Der Dauerstreit innerhalb der Bundesregierung über die künftige Wirtschafts- und Finanzpolitik trägt zur Verunsicherung der Wirtschaft bei“, kommentiert Roell. „Wichtige Weichenstellungen bleiben ungewiss. Und dringend notwendige öffentliche Investitionen in die Infrastruktur verzögern sich auf unbestimmte Zeit, was nicht nur die aktuelle konjunkturelle Entwicklung bremst, sondern durch die Erosion der Standortqualität auch die langfristigen Wachstumschancen verringert.“
47 Prozent der Unternehmen nennen die Wirtschaftspolitik letztlich auch als Risiko, mehr als jemals zuvor. Fast jedes fünfte Industrieunternehmen hat in den letzten drei Jahren Investitionen in Deutschland zu Gunsten Investitionen im Ausland zurückgestellt.
Investitions- und Personalpläne bleiben zurückhaltend
Wie schon zu Jahresbeginn wollen auch im Frühjahr 2024 mehr Unternehmen ihre Ausgaben für Inlandsinvestitionen verringern (33 Prozent) als erhöhen (24 Prozent). 44 Prozent planen, ihre Investitionsbudgets unverändert zu lassen. Somit werden vom hiesigen Investitionsgeschehen weiterhin keine Impulse für die regionale Konjunktur ausgehen. Die meisten Unternehmen wollen notwendige Ersatzinvestitionen für ihre Digitalisierung nutzen (60 Prozent), nahezu vier von zehn Betrieben investieren in den Umweltschutz, Innovationen und Rationalisierung. Aufgrund der mageren Geschäftsaussichten wollen dagegen nur noch 17 Prozent Ihre Kapazitäten ausbauen.
Die schwächelnde Konjunktur hinterlässt auf dem an sich robusten Arbeitsmarkt Spuren. Die Personalpläne vieler Unternehmen sind von Vorsicht geprägt. Sie halten sich mit Neueinstellungen zurück, lediglich die Kernbelegschaft soll angesichts des Fachkräftemangels im Betrieb gehalten werden. 63 Prozent der Unternehmen gehen von einem gleichbleibenden Personalbestand aus, 28 Prozent wollen ihre Beschäftigtenzahl reduzieren, nur acht Prozent wollen zusätzliche Stellen schaffen.
Im Ergebnis fällt die Frühjahrsbelebung auf dem regionalen Arbeitsmarkt geringer aus als üblich. Die Arbeitslosenquote lag in der IHK-Region Ulm im April 2024 bei 3,0 Prozent, weiterhin die geringste Quote aller deutschen IHK-Regionen, aber doch 0,2 Prozentpunkte höher als im April 2023.

Unter “Weitere Informationen (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 401 KB)” finden Sie die Grafiken „IHK-Konjunkturklimaindex Gesamtwirtschaft“ und „IHK-Konjunkturindikatoren nach Branchen Januar 2024“.
Der IHK-Konjunkturklimaindex spiegelt das Ergebnis der Konjunkturumfrage der IHK Ulm in einem Wert wider. Er ist ein Frühindikator für die konjunkturelle Entwicklung. Entscheidend für die Interpretation der konjunkturellen Entwicklung im Zeitablauf ist die Veränderung des Index. Nimmt er zu, wird sich die Konjunktur tendenziell positiv entwickeln, nimmt er ab, verschlechtert sich hingegen tendenziell die wirtschaftliche Entwicklung.
IHK-Saldenindikatoren werden als Saldo der positiven und negativen Antworten zu den jeweiligen Fragen ermittelt und können demnach zwischen
-100 und +100 Prozentpunkten liegen. Ein Indikator von Null zeigt an, dass sich die positiven und negativen Antworten genau die Waage halten.
Der Konjunkturbericht der IHK Ulm erscheint dreimal pro Jahr. Der aktuelle Bericht basiert auf der Umfrage im April 2024. Von über 38.000 Mitgliedern der IHK Ulm wurde ein repräsentativer Ausschnitt von 357 Unternehmen befragt, von denen sich 143 (40,1 Prozent) an der Umfrage beteiligten. Die Ergebnisse der Konjunkturumfrage (Zahlen und Abbildungen) finden Sie auch unter: https://konjunkturboard-bw.de/.
Hinweis: Die inhaltlichen Aussagen in den Pressemeldungen der IHK Ulm basieren auf den erarbeiteten Positionen der demokratisch legitimierten Gremien der IHK Ulm, Befragungen oder Angaben aus statistischen Auswertungen. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass es zu den dargestellten Aussagen innerhalb der Mitgliedsunternehmen der IHK Ulm auch abweichende Meinungen geben kann.