Recht und Steuern

Insolvenz und Arbeitsrecht

Eine drohende oder eingetretene Insolvenz ändert die arbeitsrechtlichen Regelungen im Unternehmen. In der Regel besteht schneller Handlungsbedarf. Andererseits ist gute Kommunikation mit der Belegschaft wichtig. Personalverantwortliche - und ggf. Betriebserwerber - sollten sich in jedem Fall beraten lassen. Ein paar grundlegende Fragen sollen in diesem Beitrag kurz beantwortet werden.

1. Was ist zu beachten beim Arbeitsentgelt im Vorfeld der Insolvenz?

Um zu verhindern, dass Arbeitnehmer im Vorfeld einer Insolvenz kündigen oder ihre Arbeitsleistung zurückbehalten, weil der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt nicht oder nicht vollständig zahlen kann, sollte der Arbeitgeber versuchen, Stundungsregelungen als Rechtsgrundlage für eine Nichtzahlung von Gehältern zu vereinbaren. Werden die Arbeitnehmer schon nicht mehr beschäftigt und bezahlt, können sie darauf verwiesen werden, Arbeitslosengeld zu beantragen, wenn das Insolvenzverfahren noch nicht durch Beschluss des Insolvenzgerichts eröffnet ist. Darauf, ob bereits der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wurde, kommt es nicht an. Vorsicht ist im Zusammenhang mit den Sozialversicherungsbeiträgen geboten. Nach § 266a StGB ist es strafbar, Arbeitnehmersozialversicherungsbeiträge nicht abzuführen, obwohl liquide Mittel vorhanden sind. Deshalb sollte besonders darauf geachtet werden, diesen Verpflichtungen den Vorrang vor anderen zu gewähren oder ggf. auch mit den Sozialversicherungsträgern Stundungsvereinbarungen zu treffen. Da rückständige Verbindlichkeiten gegenüber Mitarbeitern, Sozialversicherungsträgern oder dem Fiskus ein Indiz für Zahlungsunfähigkeit sein können, ist es für Organe juristischer Personen in diesem Fall besonders wichtig zu prüfen, ob der Insolvenzantrag gestellt werden muss, um nicht eine Strafe wegen Insolvenzverschleppung zu riskieren.

2. Was ist Insolvenzgeld?

Das Insolvenzgeld ist eine Leistung der Agentur für Arbeit. Ein Anspruch der Arbeitnehmer gegenüber der Agentur für Arbeit auf Insolvenzgeld entsteht erst durch ein sog. Insolvenzereignis (z. B. Insolvenzeröffnung, Abweisung der Insolvenzeröffnung mangels Masse). Die Agentur zahlt für alle Beschäftigten (auch Azubis, Aushilfen, geringfügig Beschäftigte) das ausstehende Nettoarbeitsentgelt (Bruttolohn minus gesetzliche Abzüge wie Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge) der letzten drei Monate vor dem Insolvenzereignis. Außerdem übernimmt die Agentur für Arbeit auch alle rückständigen Versicherungspflichtbeiträge (Kranken-, Renten-, Pflege-, Arbeitslosenversicherung), sodass für den Beschäftigten keine Versicherungslücken entstehen. Um das Geld zu erhalten, müssen die Beschäftigten bis max. zwei Monate nach Insolvenzverfahrenseröffnung bei der Agentur für Arbeit am Unternehmenssitz einen Antrag stellen, für welchen der Insolvenzverwalter entsprechende Insolvenzbescheinigungen erstellen muss, mit denen er die bestehenden Gehaltsrückstände bestätigt.

3. Was gilt für Zahlungsansprüche von Arbeitnehmern vor dem Insolvenzgeldzeitraum?

Die Ansprüche von Arbeitnehmern aus der Zeit vor dem Insolvenzgeldzeitraum genießen keine Vorzugsbehandlung. Sie sind, wie bei anderen ungesicherten Insolvenzgläubigern, zur Insolvenztabelle anzumelden, um den Quotenanteil zu erhalten. Forderungen von Mitarbeitern, die das Unternehmen benötigt, sollten deshalb in der Praxis auch in der Krise beglichen werden, um diese zu halten. Unternehmer sollten in der Krise die Kommunikation mit der Belegschaft pflegen, um eine Sanierung zu fördern.

4. Welche Auswirkungen hat die Insolvenzverfahrenseröffnung auf arbeitsrechtliche Regelungen?

Grundsätzlich gilt: Alle Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis bestehen für den Arbeitnehmer fort, nur der Arbeitgeber wird durch den Insolvenzverwalter ersetzt. Dieser bezahlt die Arbeitsentgelte vorrangig aus der Insolvenzmasse. Die Insolvenzordnung sieht allerdings einige Sonderregelungen für das Kündigungs- und das Betriebsverfassungsrecht vor: Sind z. B. in Betriebsvereinbarungen Leistungen vorgesehen, welche die Insolvenzmasse belasten, beraten Insolvenzverwalter und Betriebsrat über deren Herabsetzung. Scheitern die Verhandlungen, kann der Insolvenzverwalter die Betriebsvereinbarungen allgemein mit einer 3-Monats-Frist kündigen.

5. Was ist bei arbeitgeberseitigen Kündigungen in der Insolvenz zu beachten?

Allgemein besteht der Kündigungsschutz, bis auf einige Kündigungserleichterungen, unverändert fort. Betriebsbedingte Kündigungen sind jedoch in der Regel leichter zu begründen: Zwar stellt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens an sich noch kein dringendes betriebliches Erfordernis zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung dar, aber betriebsbedingte Gründe werden regelmäßig durch insolvenzspezifische Entscheidungen des Insolvenzverwalters geschaffen (z. B. durch den Entschluss zur Stilllegung einzelner Betriebe oder Betriebsteile). Dabei ist für die Sozialauswahl wichtig, dass diese innerhalb des Gesamtbetriebs zu erfolgen hat, falls nur ein Teil des Betriebs insolvenzbedingt stillgelegt werden soll.
Das Arbeitsentgelt kann durch eine betriebsbedingte Änderungskündigung herabgesetzt werden, sofern dies unter Berücksichtigung eines umfassenden Sanierungsplans verhältnismäßig erscheint. Ab Insolvenzeröffnung gilt nach § 113 InsO allgemein eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende, sofern im Arbeitsvertrag keine kürzere Frist vereinbart wurde. Dies gilt unabhängig von der Vertragsdauer und auch bei befristeten Verträgen. Der Arbeitnehmer kann gegebenenfalls Schadenersatz als Insolvenzgläubiger zur Tabelle anmelden. Der Insolvenzverwalter hat Lohn bis zum Ablauf der Kündigungsfrist auszubezahlen, sofern die Masse dies zulässt (Massenunzulänglichkeit § 208 InsO); ist dies nicht möglich, kann der Insolvenzverwalter Mitarbeiter sofort unwiderruflich freistellen, sodass diese sofort Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Verbleibende Ansprüche der Mitarbeiter werden später quotal befriedigt. Die Beteiligungsrechte des Betriebsrates nach § 102 BetrVG bleiben auch in der Insolvenz bestehen. Arbeitet der Insolvenzverwalter bei betriebsbedingten Beendigungs- oder Änderungskündigungen mit dem Betriebsrat zusammen, führt dies zu Beweiserleichterungen, z. B. wenn beim Interessenausgleich eine Namensliste ausgearbeitet wird. Vor Gericht wird die Sozialauswahl dann lediglich auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Blockiert ein Betriebsrat, so kann der Insolvenzverwalter beim Arbeitsgericht die Zustimmung zur Durchführung eines Interessenausgleiches (§ 122 InsO) beantragen; in Betrieben ohne Betriebsrat kann der Antrag sofort nach Insolvenzeröffnung gestellt werden.
Stand: Oktober 2018