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Bosnien und Herzegowina: EU-Beitrittsgespräche zum Jahresende

Bosnien und Herzegowina beabsichtige, die von der EU-Kommission gestellten Bedingungen zu erfüllen. Damit wolle man die Beitrittsverhandlungen vor Ende des Jahres eröffnen, sagte die Vorsitzende des Ministerrats, Borjana Krišto, in einem Interview mit Euractiv.
Der EU-Beitritt ist eines der Schlüsselthemen in Bosnien und Herzegowina, bei dem alle drei großen ethnischen Gruppen (Bosniaken, Kroaten und Serben) und Bürger sowie die beiden Gebiete, aus denen Bosnien und Herzegowina besteht (Kroatisch-Bosniakische Föderation von Bosnien und Herzegowina und Republika Srpska), einen Konsens gefunden haben.
„Der positive Bericht ist für uns ein starker Ansporn, noch härter, schneller und besser an der Erfüllung der verbleibenden Kriterien zu arbeiten, um endlich den endgültigen Termin für die Aufnahme der Verhandlungen zu erhalten. Ich bin überzeugt, dass wir alle verbleibenden Bedingungen bis zum Ende dieses Jahres erfüllen werden. Vor allem wir in Bosnien und Herzegowina brauchen das um unserer selbst willen“, sagte Krišto gegenüber Euractiv.
Krišto hat das Amt der Regierungschefin von Bosnien und Herzegowina inne, auch wenn dieses Amt gemäß dem Friedensabkommen von Dayton aus dem Jahr 1995 als Vorsitzende des Ministerrats bezeichnet wird. Als erste Frau wurde sie nach den Wahlen im Jahr 2022 in dieses Amt berufen. Sie ist Mitglied der HDZ BiH, einer Partei, die Teil der Regierungskoalition auf Staatsebene ist. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf dem EU-Beitritt von Bosnien und Herzegowina.
In einem Interview, kurz nachdem die EU-Kommission die Aufnahme von Verhandlungen gegeben bestätigt, sagte Krišto, dass Sarajevo damit zufrieden sei, dass „Brüssel die Bemühungen und den Willen der politischen Subjekte in Bosnien und Herzegowina anerkennt, den europäischen Weg zu beschleunigen.“ Auf die Frage, wie realistisch die Chancen sind, dass Bosnien und Herzegowina die von der EU geforderten Bedingungen in kurzer Zeit erfüllen wird, antwortete Krišto, dass „die Chancen real sind.“ „Jetzt brauchen wir nur noch ein wenig mehr politischen Mut und Willen, um diese Reformen endlich zu Ende zu bringen“, betonte Krišto.
Mehrere Pro-EU-Gesetze in Bosnien und Herzegowina wurden in den letzten Monaten auf Eis gelegt, da sie von politischen Vertretern einer der drei konstituierenden Nationalitäten blockiert werden, die von ihrem Vetorecht Gebrauch machen, welches ihnen durch das Friedensabkommen von Dayton aus dem Jahr 1995 eingeräumt wurde. Diese Gesetze befinden sich bereits in einem hohen Harmonisierungsstadium. Doch aufgrund des komplizierten Verfahrens zur Verabschiedung von Gesetzen in Bosnien und Herzegowina und Meinungsverschiedenheiten über Details kann die Parlamentarische Versammlung von Bosnien und Herzegowina nicht über sie abstimmen.
Krišto ist jedoch der Meinung, dass in Bosnien und Herzegowina ein starker Wille besteht, der EU beizutreten und somit die notwendigen Gesetze zu verabschieden. In einem Interview mit Euractiv nannte sie die Umsetzung der Wahlreform als einen vorrangigen Schritt, den man in Sarajewo zu unternehmen gedenke. Damit plane man die Gleichheit aller drei konstituierenden Völker in Bosnien und Herzegowina in den staatlichen Institutionen zu gewährleisten, sowie die Umsetzung der Entscheidungen des Verfassungsgerichts von Bosnien und Herzegowina und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.
Außerdem fügte sie hinzu, dass eine Reihe von europäischen Gesetzen bereits in Arbeit sei und sie erwarte, dass der Ministerrat von Bosnien und Herzegowina diese im nächsten Monat verabschieden werde. Dabei handelt es sich um die Gesetze über die Gerichte, über die Verhinderung von Interessenkonflikten und über die Bekämpfung der Geldwäsche und der Finanzierung terroristischer Aktivitäten sowie um das Gesetz über den Hohen Rat für Justiz und Staatsanwaltschaft von Bosnien und Herzegowina. „Jetzt muss das Hauptaugenmerk auf der Verabschiedung dieser Gesetze liegen, aber auch auf der Verabschiedung des Haushalts der Institutionen von Bosnien und Herzegowina für 2024, der Ernennung des staatlichen Koordinators für IPA III unter anderem“, betonte Krišto.
Krišto erklärte, dass nach der Bestätigung für die Aufnahme von EU-Verhandlungen der Ministerrat am Beitritt von Bosnien und Herzegowina zur EU arbeite. „Viele Reformprozesse, die wir bereits besprochen haben, müssen schneller gehen, aber auch daran arbeiten wir, und es ist unbestreitbar, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Auch die kontinuierliche Unterstützung durch unsere europäischen Freunde ist ganz klar von großer Bedeutung. Dafür sind wir ihnen sehr dankbar. Schon kurz nach der Vorstellung des offiziellen Berichts habe ich allen ein persönliches Dankesschreiben geschickt. Besonders hervorheben muss ich noch den kroatischen Premierminister Andrej Plenković“, so Krišto.
Ende letzten Jahres erhielt Bosnien und Herzegowina den Status eines EU-Kandidatenlandes, wir berichteten hier. Trotz zahlreicher Unstimmigkeiten auf der politischen Bühne des Landes glaubt Krišto, dass die Regierungskoalition auf staatlicher Ebene die Kraft hat, die Reformen umzusetzen, die Voraussetzung für die Aufnahme von Verhandlungen und den Beitritt zur EU sind. „Ich bin überzeugt, wie der Bericht der Europäischen Kommission über Bosnien und Herzegowina für das Jahr 2023 gezeigt hat, dass die Regierungskoalition in der Lage ist, die erfolgreich begonnenen Reformen weiter umzusetzen. Sicherlich gibt es viele ungelöste innenpolitische Fragen […] Wir müssen alle offenen Fragen diskutieren, einen Kompromiss suchen und vorankommen“, sagte sie.
„Ich rufe alle politischen Akteure in Bosnien und Herzegowina immer wieder dazu auf, unsere Diskussionen auf die Zukunft und Reformen zu konzentrieren, nicht auf die Vergangenheit und Spaltungen. Gemeinsam müssen wir dringend mit der Umsetzung der verbleibenden europäischen Reformen bis zum Ende dieses Jahres fortfahren, insbesondere mit der Wahlreform in Bosnien und Herzegowina, die sich als eines der Schlüsselthemen im Reformprozess unseres Landes herauskristallisiert“, so Krišto.
Sie betonte, dass Sarajevo weiterhin die Visaregelung mit der EU harmonisiere und dass die Visaregelung von Bosnien und Herzegowina bereits fast vollständig harmonisiert sei. Sie sagte auch, dass der Ministerrat bald eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit mit Frontex treffen solle.
Quelle: Euractiv
Stand: November 2023