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„Wasserstoff ist ein zentrales Element der Energiewende“
Der Geschäftsbereich Power Systems von Rolls-Royce in Friedrichshafen entwickelt und produziert mit seiner Marke mtu Antriebs- und Energielösungen für den internationalen Markt. Wir sprachen mit Daniel Chatterjee, Director Technology Strategy & Regulatory Affairs, darüber, wie genau das Unternehmen damit auf die schnell wachsende Nachfrage nach nachhaltiger und umweltfreundlicher Energie und Mobilität reagiert.
Wie sieht die Mehrsäulenstrategie zu Emissionsminderung und Klimaneutralität von Rolls-Royce Power Systems aus?
Wir bekennen uns klar zum Pariser Klimaabkommen. Deshalb haben wir 2021 offiziell das Klimaschutz-Programm Net Zero at Power Systems gestartet und die Geschäftseinheit Sustainable Power Solutions gegründet. Bis 2030 will der Geschäftsbereich Power Systems des Rolls-Royce-Konzerns 35 Prozent der Treibhausgas-Emissionen seines Produkt-portfolios im Vergleich zu 2019 einsparen, und die Rolls-Royce-Gruppe will bis spätestens 2050 Netto-Null-Treibhausgas-Emissionen erreichen. Zentral ist dabei die Freigabe unserer wichtigsten mtu-Motorenprodukte für eine Nutzung von synthetischen Diesel-und E-Kraftstoffen. Außerdem bauen wir auf neue Technologien wie CO2-freie Brennstoff-zellensysteme, die ab 2025 in der Energieversorgung zum Einsatz kommen. Darüber hinaus arbeiten wir an Wasserstoff- und Methanolmotoren, an Elektrolyseuren zur Produktion von grünem Wasserstoff sowie an Konzepten für dezentrale Power-to-X-Anlagen. Batteriespeicher, Hybridsysteme für Schiffe und Züge oder Microgrids zur dezentralen, umweltfreundlichen Energieversorgung gehören bereits zu unserem Portfolio. Auch Produktion und Wertschöpfungskette wollen wir langfristig klimaneutral gestalten.
Welche Chancen sehen Sie für neue Brennstoffzellen-Lösungen und Wasserstoff-Blockheizkraftwerke?
Wasserstoff ist ein zentrales Element der Energiewende. Indem wir mit Strom aus erneuerbaren Energien über Elektrolyse grünen Wasserstoff produzieren, nutzen und speichern wir erneuerbare Energien und können sie transportieren. Mit Brennstoffzellen-Systemen und Wasserstoff-Blockheizkraftwerken können wir den Wasserstoff dann als Energieträger nutzen, um Strom und Wärme zu erzeugen. Sehr große Chancen sehen wir in Microgrids. Sie kombinieren verschiedene dezentrale Energieressourcen – von erneuerbaren Energiequellen wie Solar-und Windenergie über Batteriespeicherlösun-gen bis hin zu Verbrennungsmotoren, künftig mit Wasserstoff betrieben, und Brennstoffzellen-Systemen. Sie können auch Schwankungen der erneuerbaren Energien ausgleichen und eine konstante Stromversorgung gewährleisten. In Friedrichshafen betreiben wir ein Microgrid, das mit einem mtu-Brenn-stoffzellen-System und einem Wasserstoffmotor die Energieversorgung des Werks unterstützt. Eine wichtige Anwendung für unsere stationären Brennstoffzellen-Systeme wird ab 2025 Notstrom für Rechenzentren sein. Werden sie mit grünem Wasserstoff betrieben, erzeugen sie CO2-frei Strom. Die Wirtschaftlichkeit der Brennstoffzelle lässt sich steigern, wenn der erzeugte Strom ins Netz eingespeist wird und der Betreiber so von der dezentralen Einspeisevergütung profitieren kann. Dadurch werden auch das Netz entlastet und Leistungsspitzen verringert.
Wie kann Deutschland bei solchen Lösungen eine führende Rolle einnehmen?
In Deutschland gibt es viele Unternehmen, die in der Entwicklung des Wasserstoff-Ökosystems führend sein können. Es kommt jetzt darauf an, den Markt und die entsprechenden regulatorischen Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Produktion schnell hochfahren zu können. Da grüner Wasserstoff teurer ist als grauer, aus Erdgas hergestellter, muss es zum Start CO2-Preise oder Quotenregelungen geben. Bei der Einführung der Infrastruktur darf es zudem nicht zu viele Hindernisse vonseiten der Behörden geben.
Wie können Unternehmen effizient mit Wasserstoff versorgt werden?
Bislang ist die Infrastruktur dafür noch sehr unzureichend. Der Transport geschieht meist per Lkw-Trailer. Es gibt erste Pilotprojekte, bei denen Wasserstoff direkt vor Ort erzeugt wird. Das Ziel muss eine Verteilung über Pipelines sein. Die dezentrale Produktion und kleine Netze werden zunächst eine Schlüsselrolle bekommen.
Wie sehen Sie die Entwicklung der Wasserstoff-Infrastruktur in der Region Bodensee-Oberschwaben?
Die Region Bodensee-Oberschwaben steht leider hintenan. Bis 2050 ist nicht mit einer Pipeline zu rechnen. Die Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff wird aber für die Zukunftsfähigkeit der Region entscheidend sein. In einer Studie haben wir den konkreten Bedarf an grünem Wasserstoff für die Bodenseeregion und für unseren Hauptsitz in Friedrichshafen berechnet. Wir gehen davon aus, dass unser Unternehmen schon ab 2024 den größten Bedarf an grünem Wasserstoff am Bodensee haben wird. Jeden Tag müsste uns ein Lkw beliefern. Dazu sind wir mit den wichtigsten Akteuren und der Landesregierung im Dialog. Es sind sehr schnell konkrete Maßnahmen und Förderprojekte notwendig, um hier ein Wasserstoff-Ökosystem aufzubauen. Wir sind dabei, die eigene Wasserstoffproduktion vor Ort zu planen und zu prüfen.
Interview: Stefan Kesenheimer, Gudrun Hölz