IHK-Konjunkturbericht Herbst 2025: Von Aufbruchstimmung keine Spur
Die Wirtschaft in der IHK-Region Ulm bewertet ihre aktuelle Lage etwas besser als im Frühjahr 2025. Mehr als eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau ist das jedoch nicht. Die Umsätze lassen weiter zu wünschen übrig, die Nachfrage aus dem In- und Ausland bleibt schwach und die Produktion wird heruntergefahren, vor allem in der Industrie. Die Erwartungen der regionalen Wirtschaft für die nächsten zwölf Monate fallen auch skeptischer aus als zuvor. Von einer Aufbruchstimmung ist somit nichts zu erkennen.
Die aktuellen Lageeinschätzungen der Unternehmen in der IHK-Region Ulm haben sich seit dem Frühjahr leicht verbessert. Der IHK-Lageindikator, der die Differenz zwischen guten und schlechten Lageeinschätzungen wiedergibt, ist von fünf Punkten im Mai auf aktuell 13 Punkte gestiegen. Das gilt für nahezu alle Branchen, nur der Einzelhandel ist unzufriedener als zuvor. Der Wirtschaft ist es trotz aller Widrigkeiten gelungen, ihre Ertragslage zu stabilisieren. Per Saldo ist sie jetzt ausgeglichen.
Zu diesen Widrigkeiten zählt insbesondere das außenwirtschaftliche Umfeld. China tritt auf vielen Märkten, die eine traditionelle Stärke der hiesigen Wirtschaft bildeten, zunehmend als Konkurrent auf. Die Folge sind geringere Absatzchancen in China und verstärkte Konkurrenz auf allen anderen Märkten. Hinzu kommt die protektionistische US-Handelspolitik. Zwar hat die Einigung der EU mit den USA im Zollstreit die Planungssicherheit etwas erhöht, jedoch sind die Importzölle von meist 15 Prozent eine erhebliche Belastung für die regionalen Exporteure. Zudem bremsen die US-Zölle insgesamt die Expansion der Weltwirtschaft, was die Nachfrage nach hiesigen Produkten und Dienstleistungen zusätzlich dämpft.
Politik dringend gefordert
Doch auch die inländischen Rahmenbedingungen machen den Unternehmen zu schaffen.
„Die hohen Energie- und Arbeitskosten sowie die Steuer- und Bürokratiebelastung am Standort Deutschland schwächen die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Zudem behindern sie eine angemessene Reaktion der Wirtschaft auf die neuen globalen Herausforderungen“, sagt IHK-Präsident Dr. Jan Stefan Roell und fordert von der Politik: „Um den zunehmenden Verlagerungen von Aktivitäten ins Ausland entgegenzuwirken, muss von Seiten der Politik endlich gehandelt werden. Taten statt Worte sind gefordert. Der Wirtschaft müssen durch Entlastungen, Deregulierungen und beschleunigte Verfahren dringend mehr Freiräume eingeräumt werden.“
Letztlich bleibt der Lageindikator trotz des Anstiegs auch deutlich hinter seinem langfristigen Durchschnittswert von fast 31 Punkten zurück. Mehr als eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau ist die Aufhellung der Lageurteile somit nicht.
Schwache Nachfrage, schwache Umsätze
Das belegt auch die Umsatzentwicklung, die in den vergangenen zwei Jahren stets abwärtsgerichtet war. 42 Prozent der Betriebe hat in den vergangenen Monaten im Vorjahresvergleich Erlöseinbußen verkraften müssen. Nur ein Viertel konnte mehr einnehmen. Und daran wird sich alsbald nicht viel ändern. Die Nachfrage aus dem Inland bleibt schwach. Die aktuelle Auftragseingangstendenz hat sich gegenüber dem Frühjahr merklich verschlechtert. Während zuvor der Anteil der Unternehmen mit steigender Nachfrage nur zwei Prozentpunkte geringer ausfiel als der Anteil der Betriebe mit Auftragsrückgängen, hat sich der Abstand zwischen beiden Gruppen vergrößert: Im Herbst 2025 melden fast doppelt so viele Unternehmen sinkende Auftragseingänge (35 Prozent) als steigende (knapp 18 Prozent). In der Industrie klagt fast jeder zweite Betrieb über abnehmende Auftragseingänge, sowohl im Inlands- als auch im Auslandsgeschäft.
Exporterwartungen im Keller
Auch die längerfristigen Absatzperspektiven deuten auf anhaltend schwierige Zeiten hin. Für die kommenden zwölf Monate rechnet die Mehrheit der Unternehmen mit einem stagnierenden Absatz, ein gutes Viertel erwartet sogar fallende Erlöse. Das gilt auch für die Industrie, deren Hoffnung auf frische Nachfrageimpulse sich in Luft aufgelöst hat. Der Exportindikator ist von sieben Plus- auf 15 Minuspunkte gefallen. Insbesondere die Geschäfte in den USA und in China verschlechtern sich. Zudem bleiben Impulse aus anderen Märkten aus: Die Exporte nach Großbritannien stagnieren, die Geschäfte im restlichen Europa, in Kanada und Mexiko sowie in Asien (ohne China) lassen tendenziell etwas nach.
Skepsis statt Zuversicht
Die im Frühjahr aufkeimende zaghafte Hoffnung auf eine allmählich einsetzende Erholung hat im Herbst 2025 somit erneut einen Dämpfer erhalten. In der regionalen Wirtschaft übertreffen die skeptischen (24 Prozent) die zuversichtlichen Erwartungen (17 Prozent) an die kommenden Monate. Das Gros geht zudem von einer Entwicklung auf dem heutigen, niedrigen Niveau aus. Neben der schwachen Nachfrageentwicklung aus dem In- und Ausland drücken zahlreiche weitere Risiken auf die Stimmung. So bereiten die Arbeits- (54 Prozent) sowie die Energiekosten (45 Prozent) vielen Unternehmen große Sorgen. Trotz der anhaltenden Flaute bleibt zudem der Fachkräftemangel für fast jedes zweite Unternehmen ein Risiko. Auch die geopolitischen Spannungen treiben 45 Prozent der Betriebe Sorgenfalten auf die Stirn, in der Industrie sind es sogar 53 Prozent. Der Anteil der Unternehmen, die in der Wirtschaftspolitik ein Risiko sehen, hat nochmals leicht auf 37 Prozent zugenommen. Hier macht sich eine Ernüchterung oder gar Enttäuschung mit Blick auf die neue Bundesregierung breit.
Inlandsinvestitionen verharren im Minus
In Anbetracht der schwachen Nachfrage, großer Unsicherheit und einer neuen Bundesregierung, die es bislang nicht geschafft hat, glaubhaft zu vermitteln, die strukturellen Probleme Deutschland wirksam anzupacken, hält sich die regionale Wirtschaft weiterhin mit Inlandsinvestitionen zurück. Lediglich 21 Prozent der Unternehmen, die Investitionen in Deutschland planen, haben ihre Investitionsbudget erhöht, 31 Prozent wollen weniger investieren. Jeder neunte Betrieb verzichtet vollständig auf Inlandsinvestitionen. Dabei werden Ersatzinvestitionen vor allem für eine weitere Digitalisierung der eigenen Geschäftsprozesse sowie zur Kostensenkung (Rationalisierung) genutzt. Angesichts der unklaren Klimapolitik der Bundesregierung hat das Motiv des Umweltschutzes an Bedeutung verloren. Nicht ganz 30 Prozent wollen hier investieren, vor gut zwei Jahren wollte dies noch die Hälfte der Unternehmen. Investitionen zur Erweiterung ihrer Kapazitäten wollen nur noch 12 Prozent investieren, in hochkonjunkturellen Zeiten taten dies bis zu 45 Prozent der Unternehmen. In der Industrie ist dieses Motiv noch unbeliebter. Nur jeder zehnte Industriebetrieb will erweitern - so niedrig war deren Anteil zuletzt in der globalen Finanzmarktkrise 2009.
Arbeitsmarkt relativ stabil
Die Zahl der Unternehmen, die gegen den Trend zusätzliches Personal einstellen wollen, verharrt im Herbst 2025 bei knapp 13 Prozent. 29 Prozent wollen hingegen ihre Belegschaften verkleinern - eine Zunahme von knapp vier Prozentpunkten gegenüber dem Frühjahr. Dabei herrscht in allen Branchen eine Zurückhaltung bei Neueinstellungen. Selbst der Dienstleistungssektor fällt als Jobmotor derzeit aus. Trotzdem bleibt der regionale Arbeitsmarkt noch relativ stabil. Die Arbeitslosenquote ist im Jahresverlauf um 0,2 Prozentpunkte auf 3,3 Prozent gestiegen. Damit bleiben trotz Konjunkturflaute qualifizierte Arbeitskräfte auf dem regionalen Arbeitsmarkt knapp. Fast jedes zweite Unternehmen hat offene Stellen, die es nicht besetzen kann, vor allem für Fachleute mit dualer Ausbildung. Laut IHK-Fachkräftemonitor bleiben in der IHK-Region Ulm in diesem Jahr 11.500 Stellen unbesetzt.
Blick in die Branchen
Industrie ohne Impulse
Die anhaltend schwache Nachfrage hat der regionalen Industrie zurückgehende Umsätze beschert. Sowohl im Auslands- als auch im Inlandsgeschäft ist die Zahl der von Erlöseinbußen betroffenen Unternehmen um zehn Punkte auf 46 Prozent gestiegen, der Anteil der Betriebe mit einem Umsatzplus hat sich mehr als halbiert (auf 10 Prozent). Das sich die Lageeinschätzungen in der Industrie trotzdem auf niedrigem Niveau leicht stabilisiert haben, liegt unter anderem daran, dass sich die Ertragslage nicht weiter verschlechtert hat. Somit bewerten weniger Betriebe ihre aktuelle Situation als schlecht als im Frühjahr dieses Jahres (Rückgang von 28 auf 21 Prozent), gut geht es unverändert nur einem Fünftel.
Mit einer baldigen Belebung ihrer Geschäfte rechnet die regionale Industrie nicht. Die momentane Nachfragetendenz hat sich für viele Unternehmen verschlechtert. Der Auftragseingangsindikator, der die Differenz zwischen den Anteilen der Betriebe mit steigenden und fallen Auftragseingängen wiedergibt, ist bei den Inlandsaufträgen von 1,4 Punkten im Frühjahr auf aktuell -29 Punkte gefallen, bei der Auslandsnachfrage von 4,7 auf -38 Punkte.
Blicken die hiesigen Industrieunternehmen über den Moment hinaus auf die nächsten zwölf Monate hinaus, sind die Absatzerwartungen nicht so dramatisch, aber ebenfalls ungünstiger als zuvor. Dabei ist die Skepsis bezüglich der Exporte ausgeprägter als beim Inlandsabsatz. Die Exporteure leiden gleich zweifach unter der US-Zollpolitik. Von der Erhöhung der US-Importzölle sind fast alle Länder und Waren betroffen, was den Welthandel insgesamt betrifft. In der Folge fällt auch die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen aus der IHK-Region Ulm. Zudem schaden die US-Zölle auf Importe aus der EU den hiesigen Exporteuren direkt. Darüber hinaus haben sich auch die Perspektiven für den chinesischen Markt deutlich eingetrübt. Daher fehlen insgesamt die Impulse.
Die leichte Zuversicht der Industrie vom Frühjahr ist im Herbst 2025 einer leichten Skepsis gewichen. Als Reaktion auf die mäßigen Perspektiven ist die Zahl der Betriebe, die an den Budgets für Inlandsinvestitionen ansetzen weiter gestiegen. Nur noch jedes zehnte Unternehmen plant Kapazitätserweiterungen, ein Wert nahe dem Allzeittief während der globalen Finanzmarktkrise. Weiterhin sehen sich viele Betriebe zu einer Verkleinerung ihrer Belegschaften gezwungen.
Handel: Keine Besserung in Sicht
An der Situation des Handels insgesamt hat sich seit dem Frühjahr nicht viel geändert. Im Einzelhandel ist die Unzufriedenheit weiter gestiegen. Die Verunsicherung der Kundschaft verharrt auf hohem Niveau. Vier von fünf Einzelhändlern melden ein zurückhaltendes Kaufverhalten.
Auch der Großhandel hatte bislang mit einer geringen Nachfrage und sinkenden Erlösen und schrumpfenden Erträgen zu kämpfen. Die aktuell eingehenden Bestellungen deuten jedoch darauf hin, dass sich die Nachfrage in den nächsten Monaten stabilisieren und der Umsatzschwund nicht weiter fortsetzen dürften.
Entsprechend hat sich die Stimmung im Großhandel aufgehellt. Wenn auch kein Aufschwung, ist zumindest eine Konsolidierung auf eher geringem Niveau in Sicht. Sorgen bereitet den meisten Betrieben die Inlandsnachfrage sowie steigende Arbeitskosten. So halten sich die meisten Händler mit Investitionen und Neueinstellungen zurück.
Dienstleistungen im Seitwärtsgang
Die Geschäfte der Anbieter von Dienstleistungen laufen im Vergleich zu den anderen Branchen auf gutem Niveau. 46 Prozent von ihnen melden eine gute aktuelle Lage, knapp 14 Prozent geht es schlecht. Guter Dinge sind vor allem das Transport- und Verkehrsgewerbe sowie die Finanzdienstleister. Jedoch vermisst auch der Service jegliche Dynamik. Die Umsätze stagnieren, das Auftragsvolumen hat sich jüngst sogar verringert.
Diese Entwicklungen drücken neben zahlreichen Risiken auf die Stimmung – vor allem im Fachkräftemangel, aber auch in der Inlandsnachfrage, den Arbeitskosten sowie den Energiekosten sehen viele Dienstleister ein Risiko für die eigenen Geschäfte. Der Service blick angesichts der weiterhin schwächelnden Wirtschaft in Deutschland eher skeptisch nach vorn. Die Ausgaben für Inlandsinvestitionen sollen in etwa auf dem bisherigen Niveau gehalten werden, die Beschäftigung auch.
Unter weitere Informationen finden Sie die Grafiken „IHK-Konjunkturklimaindex Gesamtwirtschaft“ und „IHK-Konjunkturindikatoren nach Branchen Herbst 2025“ zum downloaden.
IHK-Saldenindikatoren werden als Saldo der positiven und negativen Antworten zu den jeweiligen Fragen ermittelt und können demnach zwischen -100 und +100 Prozentpunkten liegen. Ein Indikator von Null zeigt an, dass sich die positiven und negativen Antworten genau die Waage halten.
Der Konjunkturbericht der IHK Ulm erscheint dreimal pro Jahr. Der aktuelle Bericht basiert auf der Umfrage von Mitte September bis Anfang Oktober 2025. Von über 38.000 Mitgliedern der IHK Ulm wurde ein repräsentativer Ausschnitt von 359 Unternehmen befragt, von denen sich 156 (43,5 Prozent) an der Umfrage beteiligten. Die Ergebnisse der Konjunkturumfrage (Zahlen und Abbildungen) finden Sie auch unter: https://konjunkturboard-bw.de/.
Hinweis: Die inhaltlichen Aussagen in den Pressemeldungen der IHK Ulm basieren auf den erarbeiteten Positionen der demokratisch legitimierten Gremien der IHK Ulm, Befragungen oder Angaben aus statistischen Auswertungen. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass es zu den dargestellten Aussagen innerhalb der Mitgliedsunternehmen der IHK Ulm auch abweichende Meinungen geben kann.