Güterkraftverkehr

Kabotageverkehr in der EU

Im Mai 2010 sind die Regelungen über die Kabotage (Artikel 8 und 9 der Verordnung (EG) 1072/2009) in der gesamten EU in Kraft getreten. Somit ist EU-weit einheitlich geregelt, unter welchen Rahmenbedingungen welche Anzahl an Kabotagebeförderungen innerhalb welchen Zeitraumes durchgeführt werden dürfen und wie dies belegt werden muss.
Konkret dürfen im Anschluss an eine beladene grenzüberschreitende Beförderung, die vollständig im „Kabotageland“ entladen wurde, drei Kabotagebeförderungen innerhalb von sieben Kalendertagen durchgeführt werden. Die Frist beginnt dabei zu laufen, sobald die Güter der grenzüberschreitenden Beförderung vollständig entladen wurden. Die Kabotage-Beförderungen können entweder nur in einem Mitgliedstaat oder auch in mehreren Mitgliedsstaaten durchgeführt werden.
Im letzten Fall - Durchführung in mehreren Mitgliedsstaaten - ist jedoch nur eine Kabotagebeförderung je Mitgliedsstaat erlaubt, diese muss innerhalb von drei Tagen nach Einfahrt des unbeladenen Fahrzeugs in das Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats durchgeführt werden.
Analog gilt, dass bei einem unbeladenen Grenzübertritt innerhalb von drei Tagen nur eine Kabotagebeförderung durchgeführt werden darf.
Sobald das Kontingent an Fahrten oder Tagen aufgebraucht ist, muss eine beladene oder leere grenzüberschreitende Fahrt stattfinden.
Dass die rechtlichen Vorgaben eingehalten wurden, muss durch entsprechende Beförderungspapiere nachgewiesen werden. Üblicherweise genügt dazu ein Frachtbrief, der mindestens folgende Angaben umfassen muss (vgl. Artikel 8 Absatz 3 der VO (EG) Nr. 1072/2009):
  • Name, Anschrift und Unterschrift des Absenders
  • Name, Anschrift und Unterschrift des Verkehrsunternehmers (Frachtführer)
  • Name und Anschrift des Empfängers sowie nach erfolgter Lieferung dessen Unterschrift und das Datum der Lieferung
  • Ort und Datum der Übernahme der Ware sowie die Lieferadresse
  • die übliche Beschreibung der Art der Ware und ihrer Verpackung sowie bei Gefahrgütern ihre allgemein anerkannte Beschreibung, die Anzahl der Packstücke sowie deren besondere Zeichen und Nummern
  • die Bruttomasse der Güter oder eine sonstige Mengenangabe
  • das amtliche Kennzeichen des Kraftfahrzeugs und des Anhängers
Der vor der ersten Kabotagebeförderung stattgefundene grenzüberschreitende Transport muss ebenso in Form eines CMR-Frachtbriefes nachgewiesen werden. Bei unbeladener Einfahrt in das „Kabotageland“ gibt es einen solchen natürlich nicht, was auch das Indiz dafür wäre, dass nur eine Kabotagefahrt innerhalb von drei Tagen erlaubt ist.
Entgegen der weit verbreiteten Wahrnehmung unterliegen nicht nur genehmigungspfllichtige Fahrten (mit im gewerblichen Güterkraftverkehr eingesetzten Fahrzeugen, die eine zulässige Höchstmasse (zHm) von mehr als 3.500 kg aufweisen) den Kabotagebestimmungen. Auch leichtere Fahrzeuge, die von ausländischen Unternehmen für Binnenbeförderungen (für Dritte gegen Entgelt) eingesetzt werden, unterliegen den beschriebenen Einschränkungen im Kabotageverkehr. Dazu etwa folgender Hinweis zu den rechtlichen Gegebenheiten auf der Website des Bundesamtes für Güterverkehr: „Vom Geltungsbereich der Vorschriften, die für Kabotagebeförderungen gelten, sind gemäß der Bestimmungen der Artikel 8 und 9 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 auch Fahrzeuge mit einem zGG von bis zu 3,5 t umfasst. Da auch Unternehmen, die unter die Freistellung nach Artikel 1 Absatz 5 c) (Kraftfahrzeuge bzw. Kraftfahrzeugkombination bis 3,5 t zGG) fallen, gemäß Artikel 8 Absatz 5 der Verordnung Kabotagebeförderungen durchführen können, gelten auch für diese Fahrzeuge die Voraussetzungen wie für Fahrzeuge mit mehr als 3,5 t zGG.”

Änderungen aufgrund des Mobilitätspakets I seit Februar 2022

Durch das am 31. Juli 2020 veröffentlichte „Mobilitätspaket I” ergeben sich seit dem 21. Februar 2022 Änderungen bei den Kabotagereglungen. Konkret sind die neuen Regelungen in der Verordnung (EU) 2020/1055 hinterlegt, die insbesondere die Verordnungen (EG) Nr. 1071/2009 und (EG) Nr. 1072/2009 ändert.
Über den Februar 2022 hinaus bleibt es bei der zuvor beschriebenen „3 in 7” bzw. „1 in 3”-Regelung hinsichtlich der Anzahl der erlaubten Kabotagebeförderungen. Neu ist, dass nach „Verbrauch” des Kabotagepensums, wenn also entweder die X Beförderungen oder die X Tage erbracht wurden bzw. abgelaufen sind, mit dem Fahrzeug innerhalb von vier Tagen nach Ende der Kabotagebeförderungen keine weiteren Kabotagebeförderungen in diesem sogenannten Aufnahmemitgliedstaat mehr durchgeführt werden dürfen. Diese „Abkühlphase” soll sicherstellen, dass Kabotage nicht systematisch - also dauerhaft - betrieben wird.
Gewisse Schwierigkeiten ergeben sich aus der Festlegung auf „vier Tage” als Umfang der Abkühlphase, da sich auf diesem sprachlichen Niveau nicht ohne weiteres ableiten lässt, wann denn nun die nächste Kabotagebeförderung gestartet werden darf. Wenn der Fahrer beispielsweise um 16:30 Uhr an einem Donnerstag die letzte von drei Kabotagebeförderungen vollständig abgeschlossen hat, bedarf es der Interpretation, wann die nächste Kabotagebeförderung erlaubt ist, wenn der EU-Gesetzgeber formuliert, dass das Unternehmen innerhalb von vier Tagen nach Ende seiner Kabotagebeförderung keine weiteren Kabotagebeförderungen (im selben Aufnahmemitgliedstaat) durchführen darf.
Sind vier Tage ein 96-Stunden-Zeitraum oder sind vier Tage die auf den Abladetag folgenden vier Kalendertage? Nach der ersten Lesart wäre der nächste Transport am Montag um 16:30 Uhr möglich, nach der zweiten Lesart ab Dienstag 00:00 Uhr, wenn man den Donnerstag als Tag 0 und den Freitag als Tag 1 ansieht. Oder ist der Donnerstag schon der Tag 1 und somit der nächste Kabotagetransport im Aufnahmemitgliedstaat schon ab Montag 00:00 Uhr möglich? Auch ist unklar, ob zum wann auch immer gelegenen Zeitpunkt erst wieder in den jeweiligen MItgliedstaat eingefahren werden darf oder ob zu diesem Zeitpunkt bereits die erste Beförderung beginnen darf. Eine Klarstellung der EU-Kommission (oder zumindest seitens der Mitgliedstaaten) wäre sehr zu begrüßen, wobei die bislang vorliegenden Aussagen zur Kabotage seitens der Kommission den Schluss zulassen, dass die viertägige Frist um 00:00 Uhr des Folgetags der letzten Entladung beginnt.

Dokumentation, Mitführungspflichten und Kontrollen

Weiterhin muss im Umfang der obigen Auflistung für jede Kabotagebeförderung ein Nachweis vom Unternehmen erbracht werden können. Hinzu kommt, dass sich die Nachweispflicht auch auf die der ersten Kabotagebeförderung vorhergehenden vier Tage ausweitet, um die neu eingeführte Abkühlphase kontrollierbar zu gestalten.
Der Fahrer ist verpflichtet, die Nachweise, die explizit auch in elektronischer Form (insbesondere eCMR) vorgelegt werden können, mitzuführen. Dokumente, die im Unternehmen, nicht aber beim Fahrer vorliegen, können in Straßenkontrollen seitens des Fahrers angefragt und „vor dem Abschluss der Straßenkontrolle” vom Unternehmen bereitgestellt werden.
Um die Kontrollierbarkeit zu verbessern ist zudem vorgesehen, dass künftig auch die über einen Fahrtenschreiber aufgezeichneten Informationen ausgewertet werden.
Beim Risikoeinstufungssystem hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Unternehmen bzw. Verkehrsleiter wurde durch das Mobilitätspaket auch die Verstoßkategorie „Kabotage” hinzugefügt.

Mögliche Änderungen beim Vor- und Nachlauf im grenzüberschreitenden Kombiverkehr

Bis Februar 2022 wurde der rein innerstaatliche Straßentransport im Vor- und Nachlauf zu einem grenzüberschreitenden kombinierten Verkehr nicht als gesonderter Kabotagetransport eingestuft, sondern als Teil der grenzüberschreitenden Beförderung betrachtet. Den Mitgliedstaaten wird nunmehr die Möglichkeit eingeräumt, diese Transporte unter spezifischen Voraussetzungen auch als Kabotagetransport einzustufen.