Der Handelsvertreter

Der Artikel gibt Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Regelungen und häufig auftretende Probleme im deutschen Handelsvertreterrecht. Die Informationen sind als Hilfestellung für Unternehmen und Handelsvertreter gedacht, können jedoch die vielfältigen Rechtsprobleme nicht abschließend behandeln.

1. Typische Merkmale eines Handelsvertreters

Als Handelsvertreter wird im allgemeinen Sprachgebrauch jemand bezeichnet, der „im Außendienst tätig ist“. Eine präzise Beschreibung enthält § 84 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB):
Demnach ist ein Handelsvertreter eine Person, welche als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer in dessen Namen und für dessen Rechnung Geschäfte zu vermitteln oder abzuschließen.
 Charakteristischen Merkmale des Handelsvertreters sind:
  • Ständige Vertragsbeziehung zum vertretenen Unternehmen
  • Vermittlung/Abschluss von Geschäften und Kundenbetreuung im Namen und auf Rechnung des vertretenen Unternehmens
  • Selbständigkeit (eigenes Gewerbe, Unternehmer- beziehungsweise Kostenrisiko, Gewerbesteuer)
  • Freie Gestaltung der Tätigkeit und freie Bestimmung der Arbeitszeit (Weisungsunabhängigkeit)
  • Auszahlung des Entgelts ohne Abzug von Steuern und Sozialabgaben.
Handelsvertreter ist man unabhängig davon, ob man sich nun „Handelsvertreter“ nennt oder nicht. Es kommt alleine auf die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit an. Auch Personen, die nicht die Bezeichnung „Handelsvertreter“ führen, können Handelsvertreter sein, wenn sie die oben genannten Merkmale erfüllen.
Handelsvertreter gibt es in allen denkbaren Branchen und Unternehmensbereichen unabhängig von der Art der Rechtsform, zum Beispiel auch als OHG, KG oder GmbH. Wenn das Unternehmen des Handelsvertreters keinen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Gewerbebetrieb erfordert, ist der Handelsvertreter Gewerbetreibender ohne Kaufmann zu sein (sogenannter Kleingewerbetreibender - KGT). Jedenfalls muss der Handelsvertreter aber in der Gemeinde, in welcher er seinen Sitz hat, ein Gewerbe anmelden.

2. Abgrenzung zu ähnlichen Vertragsverhältnissen

Um zu verstehen, was ein Handelsvertreter genau ist, hilft es sehr, ihn von anderen im Vertriebsbereich und/oder im Außendienst eingesetzten Personen abzugrenzen. Eben kein Handelsvertreter sind der „Angestellte Handelsreisende“, der „Kommissionär“, der „Vertrags- und Eigenhändler“, der „Franchisenehmer“ und der „Handelsmakler“.

2.1 Angestellter Handelsreisender

Der Handelsreisende kann im Gegensatz zum Handelsvertreter seine Arbeitszeiten sowie seine Tätigkeit nicht selbst frei bestimmen. Er ist kein Selbständiger, sondern ein Angestellter, der Weisungen unter anderem hinsichtlich Arbeitszeit, Reiseroute und Kundenbesuche unterliegt. Er vermittelt oder schließt als Angestellter Geschäfte im Namen eines Arbeitgebers und nicht in eigener Person ab. Als Vergütung erhält er in der Regel ein festes Grundgehalt (das sogenannte Fixum), das häufig durch eine Erfolgsprovision ergänzt wird. Auf den Provisionsanteil der Vergütung ist dann das Handelsvertreterrecht entsprechend anwendbar.

2.2 Kommissionär

Der Kommissionär unterscheidet sich vom Handelsvertreter dadurch, dass er die Waren zwar auch für fremde Rechnung aber im Unterschied zum Handelsvertreter nicht in fremden Namen sondern in eigenem Namen verkauft (Beispiel: Zeitschriftenhändler). Der Kommissionär benötigt dann zwar, wie auch der Handelsvertreter, keine Geldmittel, um seine Tätigkeit aufzunehmen und auch keine Zwischenfinanzierung. Ihn trifft jedoch anders als beim Handelsvertreter eine vertragliche Haftung. Im Gegensatz zum Handelsvertreter müsste er also nach Vertragsschluss möglicherweise mit Gewährleistungsansprüchen aus dem Vertragsschluss rechnen. Für den Kommissionär gelten die speziellen Regelungen der §§ 383 ff. HGB.

2.3 Vertrags- oder Eigenhändler

Der Vertrags- oder Eigenhändler kauft typischerweise auf Grund eines dauernden Vertrages mit einem Hersteller/Lieferanten Waren ein, die er in eigenem Namen und auf eigene Rechnung weiterverkauft. Einzelne Klauseln in Händlerverträgen gleichen denen eines Handelsvertretervertrages. Wenn der Händler ähnliche Rechte und Pflichten wie ein Handelsvertreter besitzt und in die Absatzorganisation des Herstellers oder Lieferanten eingegliedert ist, so kann Handelsvertreterrecht zum Teil entsprechend gelten, zum Beispiel für die Begründung eines Ausgleichsanspruchs des Vertragshändlers.

2.4 Franchisenehmer

Zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer besteht ein Dauervertragsverhältnis mit umfangreichen gegenseitigen Rechten und Pflichten. Der Franchisegeber stellt dem Franchisenehmer dabei in der Regel ein Geschäftskonzept (das “know how”) zum Vertrieb von Waren oder Dienstleistungen mit einheitlicher Geschäftsbeziehungen und häufig weiteren Vorgaben zur Corporate Identity zur Verfügung, für welche der Franchisenehmer eine Franchisegebühr zahlen muss. Der Franchisenehmer wird aber im Gegensatz zum Handelsvertreter im eigenen Namen und auf eigene Rechnung tätig.

2.5 Handelsmakler

Der Handelsmakler schließt in fremdem Namen gewerbsmäßig Geschäfte ab, ohne jedoch im Gegensatz zum Handelsvertreter ständig vertraglich damit betraut zu sein. Es steht in keinem dauerhaften Vertragsverhältnis zu einem Auftraggeber und ist daher auch nicht zu einer ständigen Kundenbetreuung und Geschäftsvermittlung verpflichtet. Auf den Handelsmakler finden die eigenen Regelungen der §§ 93 ff. HGB Anwendung.

3. Sonderformen des Handelsvertreters

Der Handelsvertreter kann nicht nur als „klassischer Handelsvertreter“ tätig werden, sondern auch in anderen Variationen:

3.1 Handelsvertreter im Nebenberuf

Gemäß § 92 b HGB ist der Handelsvertreter im Nebenberuf nicht hauptsächlich als Handelsvertreter tätig, sondern auch in anderen Bereichen. Studenten, Hausfrauen oder Rentner sind häufig als Handelsvertreter im Nebenberuf tätig.
Entscheidende Kriterien für die Feststellung einer Tätigkeit im Nebenberuf sind regelmäßig die überwiegende Tätigkeit des Handelsvertreters (zeitlich) und das erzielte Bruttoarbeitseinkommen. Stammt dieses teilweise aus der Tätigkeit als Handelsvertreter und überwiegend aus anderen Beschäftigungen, kommt eine Einordnung als Handelsvertreter im Nebenberuf in Frage.
Für den Handelsvertreter im Nebenberuf bestehen kürzere Kündigungsfristen von einem Monat für den Schluss eines Kalendermonats, die Möglichkeit eine davon abweichende, für beide Parteien gleiche Kündigungsfrist zu vereinbaren und die Möglichkeit, den Anspruch auf Vorschuss vertraglich auszuschließen.
Außerdem steht dem Handelsvertreter im Nebenberuf kein Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB zu. Zu beachten ist aber, dass der Unternehmer sich auf diese Besonderheiten nur berufen kann, wenn er den Handelsvertreter ausdrücklich lediglich als solchen im Nebenberuf beauftragt hat.

3.2 Untervertreter

Der Handelsvertreter kann zur Erfüllung seiner Aufgaben gegenüber dem zu vertretenden Unternehmen ein mehrstufiges Vertreterverhältnis eingehen und einen Untervertreter mit der Vertretung betrauen. Hierbei ist zwischen einer echten und unechten Untervertretung zu unterscheiden:
Bei einer echten Untervertretung ist der Untervertreter als Erfüllungsgehilfe des Hauptvertreters anzusehen. Es besteht lediglich eine vertragliche Beziehung zwischen Untervertreter und Hauptvertreter. Der Hauptvertreter ist damit dem Untervertreter zur Zahlung einer Provision verpflichtet und nicht das vertretene Unternehmen. Der Hauptvertreter bezieht seinerseits Provisionen von zu vertretenden Unternehmen mit der Folge des Ausgleichsanspruchs nach § 89 b HGB, auch wenn der Untervertreter für dieses den Geschäftsabschluss vermittelt oder getätigt hat. Die Beendigung des Vertragsverhältnisses zwischen vertretenem Unternehmen und Hauptvertreter beendet nicht automatisch auch das Vertragsverhältnis zwischen Untervertreter und Hauptvertreter. Es bedarf dafür einer eigenen Kündigung, die Ausgleichsansprüche des Untervertreters gegen den Hauptvertreter auslösen kann.
Dagegen besteht bei der unechten Untervertretung ein Handelsvertretervertragsverhältnis direkt zwischen zu vertretendem Unternehmen und Untervertreter. Ergänzend wird ein Subordinationsverhältnis zwischen Hauptvertreter und Untervertreter vereinbart. Die Untervertreter-Provision wird häufig über den Hauptvertreter abgerechnet, bei dem sie einen durchlaufenden Posten darstellt. Hinsichtlich des Ausgleichsanspruchs sind je nach Vergütung des Hauptvertreters Besonderheiten zu berücksichtigen, wenn der Hauptvertreter am Vermittlungserfolg des unechten Untervertreters beteiligt ist. Dies geschieht entweder in der Praxis durch das Recht des Hauptvertreters, einen bestimmten Teil als eigene Vergütung (sogenannte Provisionsspitze) von der durchlaufenden Untervertreterprovision einzubehalten. Alternativ kann eine Beteiligung unter bestimmten Voraussetzungen aber auch durch Vergütung des Hauptvertreters erfolgen, wenn diese eine mitwirkende, werbende Tätigkeit des Hauptvertreters vergüten soll und ihm damit die Tätigkeit des Untervertreters zugerechnet wird.

 3.3 Versicherungs- und Bausparkassenvertreter

Versicherungsvertreter ist, wer als Handelsvertreter damit betraut ist, Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen. Der Versicherungsvertreter muss sämtliche Voraussetzungen erfüllen, die auch ein Handelsvertreter zu erfüllen hat.
Ein Bausparkassenvertreter ist ein Handelsvertreter, der Bausparverträge vermittelt oder abschließt. Für ihn gelten sinngemäß dieselben gesetzlichen Regelungen und Besonderheiten wie für den Versicherungsvermittler.
In § 92 HGB sind einige spezielle Vorschriften abweichend vom Handelsvertreterrecht geregelt: Der Versicherungs- oder Bausparkassenvertreter hat nur Anspruch auf Provision für Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind. Damit gibt es keine Bezirks- oder Kundenschutzprovision sowie auch keine Provisionen für Folgeaufträge und Nachbestellungen. Außerdem entsteht der Provisionsanspruch erst, wenn der Kunde die Prämie gezahlt hat, wobei von dieser Regelung vertraglich abgewichen werden kann.

4. Handelsvertretervertrag

Handelsvertreterverträge können mündlich geschlossen werden. Zur Vermeidung von Unklarheiten sowie aus Beweisgründen sollte der Vertrag jedoch schriftlich abgeschlossen werden. Musterverträge können bei der konkreten Gestaltung ein Anhaltspunkt für die Vertragsparteien sein.
Zu berücksichtigen ist dabei, dass Musterverträge grundsätzlich nur als Anhaltspunkt dienen können. Es empfiehlt sich regelmäßig für die individuelle Vertragsanpassung beziehungsweise -erstellung einen Rechtsanwalt/eine Rechtsanwältin einzuschalten, da selbstformulierte Klauseln häufig gegen gesetzliche Regelungen verstoßen und folglich vor Gericht unwirksam sind.
Tipp:
Bei der Vertragsgestaltung ist es sinnvoll, die im Gesetz vorgesehenen Begrifflichkeiten zu verwenden und den Vertrag in verschiedene Abschnitte aufzuteilen, zum Beispiel in Vertragsgebiet, Rechte, Pflichten, Beendigung und so weiter.
Ein Muster für einen Handelsvertretervertrag finden Sie beispielsweise bei unseren Kollegen der IHK Frankfurt (Main).

5. Verschiedene Arten der Handelsvertretertätigkeit

Im Rahmen der Handelsvertretertätigkeit gibt es verschiedene rechtliche Arten eines Handelsvertreters, die sich auch auf seine Rechte und Pflichten, wie zum Beispiel Provisionsansprüche, auswirken.

5.1 Bezirksvertreter

Ein Bezirksvertreter ist ein Handelsvertreter, wenn ihm ein bestimmter Bezirk oder Kundenkreis zugewiesen wurde. Der Bezirksvertreter hat auch dann einen Provisionsanspruch, wenn während des Bestehens des Handelsvertreterverhältnisses Geschäfte mit Personen/Unternehmen seines Kreises oder seines Kundenkreises abgeschlossen werden, an denen er selbst nicht unmittelbar mitgewirkt hat.

5.2 Alleinvertreter

Dem Alleinvertreter wird besonderer Kundenschutz gewährt. Er hat den Anspruch, dass der zu vertretende Unternehmer nicht selbst (Direktgeschäfte) oder durch andere beauftragte Vertreter in dem ihm zugewiesenen Gebiet tätig wird. Entsprechend der alleinigen Befugnis zum Tätigwerden in seinem Bezirk, steht ihm ein Anspruch sowohl auf Unterlassung als auch auf die Provision des eventuell tätig gewordenen Dritten oder Unternehmers zu.
Um jedoch eine Stellung als Alleinvertreter innezuhaben, bedarf es einer besonderen Regelung im Vertrag zwischen dem Handelsvertreter und dem vertretenen Unternehmen. Die Zuweisung eines bestimmten Bezirks reicht in der Regel nicht aus. Zur Ermittlung des tatsächlichen Vertragsverhältnisses kommt es auf die konkreten tatsächlichen Umstände zwischen den Parteien an.

5.3 Mehrfirmen- oder Einfirmenvertreter

Der Mehrfirmenvertreter ist Handelsvertreter für mehrere Unternehmen mit verschiedenen Produkten. In der Regel darf es sich hierbei nicht um Produkte konkurrierender Unternehmen handeln, da der Mehrfirmenvertreter sonst gegen seine Pflicht zur Interessenwahrung verstoßen würde (Ausnahme: Ausdrückliche Genehmigung des vertretenen Unternehmens).
Ein Alleinvertreter kann ebenfalls Mehrfirmenvertreter sein.
Der Einfirmenvertreter vertritt nur ein Unternehmen, sei es aufgrund vertraglicher Vereinbarung oder da es ihm wegen Art und Umfangs der von ihm verlangten Tätigkeit nicht möglich ist, weitere Unternehmen zu vertreten. Hierbei verfügt das vertretene Unternehmen meist über eine solche Vielzahl von Produkten, dass der Handelsvertreter nicht noch für weitere Unternehmen tätig werden kann, da er mit der Vertretung dieses Unternehmens völlig ausgelastet ist. In einer vertraglichen Vereinbarung ist festzuhalten, dass der Handelsvertreter für die Dauer des Vertragsverhältnisses ausschließlich für die Vertragsfirma tätig werden darf.

6. Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters

Der Handelsvertreter hat Anspruch auf Bezahlung einer Provision für die vermittelten beziehungsweise abgeschlossenen Geschäfte. Die Höhe der Provision (Prozentsatz, Berechnungsgrundlagen) hängt von den Regelungen der Vertragsparteien im Einzelfall ab und variiert in den einzelnen Branchen stark. Grundsätzlich setzt die Entstehung des Provisionsanspruchs neben dem Abschluss des vermittelten Geschäfts auch die Ausführung des Geschäfts durch zum Beispiel Warenauslieferung oder Vorauszahlung voraus. Ergänzend kann der Anspruch wieder entfallen, wenn feststeht, dass der Kunde nicht bezahlen wird. Dies erfordert aber grundsätzlich, dass der Unternehmer seinen Zahlungsanspruch gegen den Kunden einklagt (Ausnahme: Insolvenz des Kunden).
Achtung:
In der Praxis wird die Entstehung des Provisionsanspruchs häufig abweichend von den gesetzlichen Regelungen von der Bezahlung der Rechnung durch den Kunden abhängig gemacht. Bei Bestehen einer solchen Vereinbarung steht dem Handelsvertreter dann mit Warenlieferung beziehungsweise Dienstleistungserbringung durch den Unternehmer ein Anspruch auf angemessenen Vorschuss zu, der auch nicht vertraglich ausgeschlossen werden kann.
 Die Höhe der Provision richtet sich als Erfolgsvergütung regelmäßig nach dem provisionspflichtigen Umsatz. Überwiegend wird dabei auf den dem Kunden in Rechnung gestellten Rechnungsbetrag abgestellt. Grundsätzlich sind bei Bestimmung der Provision folgende Berechnungsgrundsätze zu berücksichtigen:
  •  Skontoabzüge bei der Rechnungszahlung mindern nicht die Provision des Handelsvertreters (§ 87b Abs. 2 HGB)
  • Nebenkosten wie beispielsweise Fracht, Verpackung, Zoll, Steuern und Versicherungskosten sind vor der Provisionsberechnung grundsätzlich nicht vom Rechnungsbetrag abzuziehen (§ 87b Abs. 2 HGB). Nebenkosten dürfen nur dann bei der Berechnung der Provision abgezogen werden, wenn dies mit dem Handelsvertreter vertraglich vereinbar ist oder diese entsprechend den Regelungen mit dem Kunden gesondert in Rechnung gestellt werden.
  • Rabatte mindern die Provision dann, wenn sie dem Kunden von vornherein zugesagt wurden. Nachträgliche Nachlässe gegenüber dem Kunden reduzieren dagegen die Provision regelmäßig nicht.
  • Mehrwertsteuer ist trotz gesonderter Ausweisung auf der Rechnung nicht mindernd bei der Provisionsberechnung zu berücksichtigen. Sofern nichts Anderweitiges vereinbart ist, ist die Provision daher auch aus dem Mehrwertsteuerbetrag zu bezahlen.
  • Die Abrechnung über die Provision hat monatlich zu erfolgen. Dabei kann der Abrechnungszeitraum maximal auf drei Monate ausgedehnt werden.
Zur Nachprüfung der Provisionsabrechnung kann der Handelsvertreter Auskunft über die für den Provisionsanspruch wichtigen Umstände sowie einen Buchauszug fordern. Unter besonderen Umständen hat er auch einen Anspruch auf Bucheinsicht.

7. Die Pflichten der Vertragspartner

7.1 Pflichten des Handelsvertreters

  • Vermittlungs- und Abschlusspflicht: Der Handelsvertreter muss sich um die Vermittlung oder den Abschluss von Geschäften bemühen und dabei das Interesse des Unternehmens wahrnehmen. Dazu gehören die Werbung neuer Kunden sowie die Umsatzerhaltung oder -steigerung mit vorhandenen Kunden. Er hat seinen Vertragspartner über alle wichtigen Angelegenheiten, insbesondere erfolgte Vermittlungen und Abschlüsse zu informieren.
Tipp:
Die vertragliche Vorgabe von zum Beispiel einer gewissen Mindestanzahl monatlicher Kundenbesuche durch den Handelsvertreter sollte vermieden werden, da mit solchen Klauseln die Selbständigkeit des Handelsvertreters beschränkt werden würde.
  • Interessenwahrungspflicht: Der Handelsvertreter hat bei seinen Tätigkeiten die Interessen des Unternehmers wahrzunehmen. Dazu gehört insbesondere die Betreuung von Kunden nach Vertragsabschluss. Es kann aber auch die Prüfung der Liquidität von Kunden dazu gehören.
  • Berichtspflicht: Der Handelsvertreter hat das Unternehmen unverzüglich über jede Geschäftsvermittlung und jeden Geschäftsabschluss, über Vertragsverletzungen und über sonstige wichtige Gegebenheiten zu informieren. Umfang und Häufigkeit der Berichtspflicht hängt von den individuellen Bedürfnissen des Unternehmens ab und kann vertraglich konkretisiert werden, zum Beispiel monatlicher Bericht.
  • Verschwiegenheitspflicht: Der Handelsvertreter darf während und nach Beendigung des Handelsvertretervertrags keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens verwerten oder an Dritte weitergeben. Dies bedeutet auch, dass er die Kundenliste außerhalb der Interessen des Unternehmens weder selbst verwenden noch an andere weitergeben darf.
  • Wettbewerbsverbot: Der Handelsvertreter unterliegt auch ohne besondere Vereinbarung während des Vertragsverhältnisses einem Verbot von Konkurrenztätigkeiten. Dieses Wettbewerbsverbot ergibt sich aus seiner gesetzlichen Pflicht zur Interessenwahrnehmung. In schriftlichen Verträgen wird das Wettbewerbsverbot häufig ausdrücklich geregelt. Weitere Informationen zum Wettbewerbsverbot erhalten Sie unten im Artikel.

 7.2 Pflichten des Unternehmers

  • Informationspflicht: Der Handelsvertreter muss vom Unternehmer über alle Entwicklungen informiert werden, die der Handelsvertreter wissen sollte, um seiner Interessenwahrnehmungspflicht nachkommen zu können. Dazu gehören zum Beispiel Lieferbedingungen, Preise, Änderungen der Produktpalette oder einzelne Produktänderungen, Betriebsstillegungen und Betriebsveräußerungen. Ferner hat der Unternehmer dem Handelsvertreter die Annahme oder Ablehnung eines Geschäfts, sowie Nichtausführung bereits abgeschlossener Geschäfte mitzuteilen. Zu beachten ist, dass der Unternehmer im Rahmen seiner Entschließungsfreiheit entscheiden kann, ob er ein vermitteltes Geschäft abschließt oder nicht.
  • Überlassung von Unterlagen: Ferner sind dem Handelsvertreter Unterlagen, die für die Ausübung seiner Tätigkeit erforderlich sind, zur Verfügung zu stellen. Diese Verpflichtung erfasst nur solche Unterlagen, die für die Anpreisung der Ware beim Kunden erforderlich sind, wie zum Beispiel Preislisten, Muster, Zeichnungen, Werbematerial, Geschäftsbedingungen, spezielle Computerprogramme. Nicht erfasst davon sind Gegenstände wie beispielsweise Koffer, Taschen, Computer oder Büromaterial, die regelmäßig nur allgemeine Hilfsmittel für den Gewerbebetrieb des Handelsvertreters darstellen. Der Unternehmer hat dann bei Beendigung einer Warenserie sowie bei Beendigung des Vertrages einen Anspruch auf Herausgabe der überlassenen Unterlagen.
  • Provisionszahlung: Der Unternehmer schuldet dem Handelsvertreter die Bezahlung der vereinbarten Vergütung. Typischerweise erhält der Handelsvertreter eine Provision. Regelmäßig soll der Unternehmer die Provisionsansprüche monatlich, spätestens bis zum Ende des nächsten Monats abrechnen. Der Abrechnungszeitraum kann durch Vereinbarung auf maximal drei Monate ausgedehnt werden.

8. Wettbewerbsverbote

8.1 Wettbewerbsbeschränkung während der Vertragslaufzeit

Für den Handelsvertreter ergibt sich aus seiner Pflicht zur Interessenwahrnehmung ein Verbot von Konkurrenztätigkeiten. Auch ohne ausdrückliche Regelung darf der Handelsvertreter im Geschäftsbereich des vertretenen Unternehmens nicht ohne dessen ausdrückliche Erlaubnis Konkurrenzprodukte vermitteln oder vertreiben. In schriftlichen Verträgen kann das Wettbewerbsverbot aber stärker beschränkt werden. Solche Klauseln sollten rechtlich auf ihre Zulässigkeit hin überprüft werden.

8.2 Wettbewerbsverbot nach Vertragsende (nachvertragliches Wettbewerbsverbot)

Grundsätzlich besteht nach Beendigung des Handelsvertretervertrages freier Wettbewerb. Soll für den Handelsvertreter ein "nachvertragliches Wettbewerbsverbot" gelten, so muss dieses vertraglich vereinbart werden. Es ergibt sich nicht bereits aus den gesetzlichen Pflichten des Handelsvertreters. In § 90 a HGB sind die Voraussetzungen des Wettbewerbsverbots nach Vertragsende normiert:
  • Vereinbarung vor Ende des Vertrages.
  • Schriftform der Wettbewerbsabrede sowie Aushändigung einer Urkunde mit dem kompletten Inhalt der Vereinbarung.
  • Vereinbarung längstens für zwei Jahre ab Beendigung des Handelsvertretervertrages.
  • Bezug des Verbots nur auf den dem Handelsvertreter zugewiesenen Bezirk oder Kundenkreis.
  • Erstreckung nur auf Gegenstände (Erzeugnisse, Dienstleistungen, Versicherungsverträge etc.), auf die sich die Pflicht des Handelsvertreters zur Vermittlung oder Geschäftsanbahnung bezieht.
  • Angemessene Entschädigung in Geld (sogenannte Karenzentschädigung), wobei sich die Angemessenheit einerseits an den durch den Wettbewerbsverzicht erwachsenden Nachteilen des Handelsvertreters orientiert. Andererseits ist die bisherige Vergütung mit zu berücksichtigen.
Die Vereinbarung einer nachvertraglichen Wettbewerbsabrede sollte im konkreten Einzelfall aus Unternehmersicht gut abgewogen und kalkuliert werden.

9. Die Beendigung des Vertrages

Beide Parteien können dem Handelsvertretervertrag jeweils unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen ordentlich kündigen. Die Frist beträgt, sofern keine abweichende Vereinbarung getroffen ist:
  • im ersten Vertragsjahr ein Monat,
  • im zweiten Jahr zwei Monate,
  • im dritten bis fünften Jahr drei Monate, und
  • nach dem fünften Jahr sechs Monate,
jeweils zum Monatsende. 
Längere Fristen können beiderseitig im Vertrag vereinbart werden. Bei gerechtfertigter Kündigung aus wichtigem Grund müssen die Fristen nicht eingehalten werden. Im Falle des Entwurfs einer Klausel für die außerordentliche Kündigung ist eine besonnene Festlegung außerordentlicher Kündigungsgründe zu empfehlen.
 Liegt ein befristeter Vertrag vor, so endet dieser automatisch mit Fristablauf, sofern die Vertragsparteien keine automatische Verlängerungsklausel vereinbart haben. Fehlt eine Befristungsabrede, gilt der Vertrag als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Die Zusammenarbeit endet dann, abgesehen von den Fällen des Todes oder der Insolvenz einer Partei, durch ordentliche Kündigung. Der Vertrag kann abgesehen davon immer auch durch einvernehmliche Aufhebung beendet werden. In jedem Fall empfiehlt es sich, die Vertragsbeendigung aus Beweisgründen schriftlich vorzunehmen.

10. Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters

10.1 Anspruchsvoraussetzungen

Dem Handelsvertreter kann nach Beendigung des Vertrages ein Ausgleichsanspruch zustehen. Die Anspruchsvoraussetzungen für einen solchen Anspruch sind in § 89 b HGB geregelt:
  • Beendigung des Vertrages: Ein Anspruch kommt nur dann in Betracht, wenn das Vertragsverhältnis beendet wurde (§ 89 b Abs. 1 Nr. 1 HGB)
  • Erhebliche Vorteile des Unternehmers: Der Unternehmer hat auch nach Beendigung erhebliche Vorteile aus der Geschäftsverbindung mit den vom Handelsvertreter geworbenen Kunden (§ 89 b Abs. 1 Nr. 1 HGB)
  • Ausgleich entspricht der Billigkeit: Die Zahlung eines Ausgleiches entspricht unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provision, der Billigkeit (§ 89 b Abs. 1 Nr. 2 HGB)
Liegen die Anspruchsvoraussetzungen vor, hat der Handelsvertreter einen Anspruch auf einen angemessenen Ausgleich. Die Angemessenheit bezieht sich auf die zu erwartenden Umsätze mit den Kunden, die der Handelsvertreter entweder selbst geworben oder mit denen er die Geschäftsbeziehung wesentlich intensiviert hat. Insbesondere dann, wenn der Handelsvertreter einen festen Kundenstamm aufgebaut hat, sind Folgebestellungen, zumindest für einen gewissen Zeitraum, zu erwarten. Der Unternehmer profitiert also noch nachträglich von den Leistungen des Handelsvertreters, ohne dass ein entsprechender Provisionsanspruch ausgelöst wird. Der Handelsvertreter erhält praktisch eine Vergütung für den von ihm aufgebauten und dem Unternehmer nach Vertragsbeendigung überlassenen Kundenstamm.

Zur Vertragsbeendigung:

Der Ausgleichsanspruch entsteht erst bei Beendigung des Vertrages durch Kündigung, Fristablauf, Tod des Handelsvertreters oder einverständliche Aufhebung. Bei Beendigung durch Kündigung ist allerdings zu berücksichtigen, wer und weshalb gekündigt wurde. Kündigt der Handelsvertreter, so besteht regelmäßig kein Anspruch, es sei denn, dass ein Verhalten des Unternehmers hierzu begründeten Anlass gegeben hat (sogenannte „herausgeforderte“ Kündigung nach § 89 a HGB) oder dass dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters (gesetzliches Rentenalter) oder Krankheit nicht zugemutet werden kann. Kündigt der Unternehmer, entfällt der Ausgleichsanspruch, wenn für die Kündigung ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters vorliegt. Der Anspruch besteht auch dann nicht, wenn bei Vertragsbeendigung eine Vereinbarung geschlossen wird, nach der ein Dritter anstelle des Handelsvertreters in das Vertragsverhältnis eintritt (Nachfolgeklauseln). Bei Tod des Handelsvertreters geht der Ausgleichsanspruch auf die Erben über. Eine Vertragsklausel, wonach der Handelsvertretervertrag automatisch mit Vollendung des 65. Lebensjahres des Handelsvertreters endet, ist 2017 vom Oberlandesgericht München als zulässig angesehen worden. Da der Handelsvertreter einen Ausgleichsanspruch habe, liege eine unangemessene Benachteiligung nicht vor.
In Übereinstimmung mit einer Leitentscheidung des Europäischen Gerichtshofs kann der Handelsvertreter neben dem Ausgleichsanspruch noch einen zusätzlichen Schadensersatzanspruch geltend machen, wenn dieser Anspruch über den eigentlichen, vom Ausgleichsanspruch erfassten Schaden hinausgeht. Dies ist klassischerweise dann der Fall, wenn eine vom Unternehmen „herausgeforderte“ Kündigung vorliegt.
Tipp: Es empfiehlt sich die Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs noch vor der Kündigung sorgfältig zu prüfen.

10.2 Höhe des Ausgleichsanspruchs

Die häufige Äußerung, der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters beliefe sich generell auf eine Jahresprovision, ist falsch. Die durchschnittliche Jahresprovision aus den letzten fünf Jahren stellt eine Obergrenze dar. Die Rechtsprechung hat eine Berechnung des Ausgleichs entwickelt: Zunächst ist der sogenannte “Rohausgleich” zu ermitteln. Ausgangspunkt für diese Berechnung sind die Provisionserträge, die der Handelsvertreter in den letzten zwölf Vertragsmonaten mit irgendwann einmal neugeworbenen Mehrfachkunden verdient hat. Es muss geschätzt werden, wie lange dem Unternehmer die Vorteile aus der Geschäftsbeziehung mit neuen Kunden bleiben. Daraus errechnet sich der sogenannte Rohausgleich:
  • Neue Kunden:
    Im Rahmen einer Prognose (in der Regel ein Prognosezeitraum zwischen zwei und fünf Jahren) ist zu ermitteln, welche erheblichen wirtschaftlichen Vorteile das Unternehmen nach Beendigung des Vertragsverhältnisses aus jenen Geschäftsverbindungen voraussichtlich hat, die der Handelsvertreter aufgebaut oder wesentlich intensiviert hat. Die Rechtsprechung nimmt bei einer Steigerung des Umsatzes des Altkunden um mindestens 100 Prozent eine relevante Intensivierung an. Ausgleichspflichtig soll dabei wohl nur der Mehrumsatz sein, nicht der vorhandene alte Umsatz. In einer Entscheidung aus 2017 hat das Oberlandesgericht Celle als „wesentliche Umsatzsteigerung“ auch Umsatzsteigerungen mit Altkunden um mehr als 50 Prozent angesehen (ob sich dies als neue Mindestgrenze durchsetzt, bleibt abzuwarten).
Tipp: Streitigkeiten über Neukunden können eingeschränkt werden, wenn bei Beginn des Vertragsverhältnisses eine Liste über bestehende Kunden mit Umsätzen erstellt wird.
  • Geschäftsverbindung mit neuen Kunden: Die Kundenbeziehungen (Neukunden, intensivierte Altkunden) müssen von gewisser Dauer sein. Mit vom Handelsvertreter geworbenen Kunden, bei welchen nicht mit weiteren Aufträgen gerechnet werden kann – sogenannte Einmalkunden – entsteht daher keine relevante Kundenbeziehung. Problematisch ist diese Voraussetzung bei langlebigen Wirtschaftsgütern. Bei diesen ist entsprechend branchenspezifisch eine Prognose über Folge beziehungsweise Ersetzungsaufträge zu erstellen. Nach Ansicht des EuGH soll der Begriff „Neuer Kunde“ zum Schutz des Handelsvertreters nicht zu eng ausgelegt werden. Daher könne unter bestimmten Voraussetzungen auch ein bereits vorhandener Kunde ein Neukunde sein. Dazu müsse der Handelsvertreter die bereits bestehenden geschäftlichen Beziehungen aber auf weitere Waren des Unternehmens ausgedehnt haben (EuGH-Urteil vom 7. April 2016 – C-315/14).
  • Vorteile des Unternehmens: Der Vorteil ist bei Fortführung der Geschäftsbeziehung mit den Kunden in dem voraussichtlich zu erwartenden zukünftigen Gewinn des Unternehmens zu sehen. Einen konkreten Zeitraum, innerhalb dessen diese Gewinnmöglichkeiten berücksichtigt werden müssen, nennt das Gesetz nicht; maßgebend sind die Umstände des Einzelfalles. Auch bei einer (Teil-)Betriebsveräußerung ist der Ausgleichsanspruch nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Der Vorteil des Unternehmens kann sich in dem im Kaufpreis enthaltenen Anteil für den Kundenstamm niederschlagen.
  • Billigkeitskriterien: Die Provisionsverluste des Handelsvertreters stellten früher ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal dar. Seit 5. August 2009 sind Provisionsverluste nur im Rahmen der Billigkeit (siehe nachfolgender Punkt) zu berücksichtigen. Zahlreiche andere Umstände können unter Billigkeitsgesichtspunkten die Höhe des Rohausgleichs beeinflussen. Hierzu gehören zum Beispiel eine vom Unternehmer finanzierte zusätzliche Altersversorgung für den Handelsvertreter, die Sogwirkung der Marke, die wirtschaftliche und soziale Lage der Vertragsparteien oder die konjunkturelle Situation.
  • Abwanderungsquote: Zudem ist zu schätzen, in welchem Umfang Kunden ihre Geschäftsbeziehung zum Unternehmen jährlich aufgeben. Diese jährliche Abwanderungsquote wird häufig vom Gericht pauschal zwischen 20 und 30 Prozent festgelegt.
  • Abzinsung: Der ermittelte Betrag ist schließlich abzuzinsen, da dem Handelsvertreter mit dem Ausgleich sein Provisionsverlust für mehrere Jahre in einem Gesamtbetrag zufließt, den er bei weiterer Tätigkeit erst in einem längeren Zeitraum durch monatliche Provisionszahlungen verdient hätte. Die Abzinsung wird nach mathematischen Grundsätzen unter Zuhilfenahme von Multifaktorentabellen (zum Beispiel nach Gillardon) durchgeführt.
  • Anrechnung der laufenden Vergütung: Eine Klausel in einem Handelsvertretervertrag, wonach ein Teil der dem Handelsvertreter laufend zu zahlenden Vergütung auf den künftigen Ausgleichsanspruch angerechnet werden soll, ist im Zweifel nichtig. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist eine solche Klausel nur im Ausnahmefall zulässig. Ein solcher Ausnahmefall liegt vor, wenn bewiesen werden kann, dass die Vertragsparteien auch ohne die Anrechnungsabrede keine höhere Provision als die dem Handelsvertreter nach Abzug des anzurechnenden Teils verbleibende Vergütung vereinbart hätten (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 14. Juli 2016 – VII ZR 297/15).
Der so ermittelte Rohausgleich ist mit dem Ausgleichshöchstbetrag (Obergrenze) abzugleichen. Für den Ausgleichshöchstbetrag sind sowohl die gesamten Jahreseinnahmen des Handelsvertreters aus den letzten fünf Vertragsjahren zu berücksichtigen, also auch Vermittlungsprovisionen für Altkunden, Verwaltungsprovisionen, Inkassoprovisionen und Überhangprovisionen. Dauerte das Vertragsverhältnis weniger als fünf Jahre, so ist der Durchschnitt während der Dauer des Vertragsverhältnisses maßgebend. Höchstens steht dem Handelsvertreter die Obergrenze zu. Überschreitet der Rohausgleich die Obergrenze, so besteht der Ausgleichsanspruch nur in Höhe des Jahresdurchschnitts der letzten fünf Jahre. Ist die Obergrenze höher als der Rohausgleichsbetrag, kann der Handelsvertreter nur den geringeren Rohlausgleich verlangen.

10.3 Berechnungsbeispiel

Ein im Jahr 2014 geschlossener Handelsvertretervertrag wurde zum 31. Dezember 2021 beendet. In den vergangenen fünf Vertragsjahren betrugen die Provisionserträge des Handelsvertreters:
300.000 Euro (2017)
295.000 Euro (2018)
291.000 Euro (2019)
264.000 Euro (2020)
250.000 Euro (in den letzten zwölf Monaten von 1. Januar 2021 bis 31. Dezember 2021)
Aus dem letzten Vertragsjahr betragen Provisionen aus Geschäften mit Altkunden 150.000 Euro. Die Vertragsprodukte (hier beispielsweise Modeartikel) des Herstellers genießen einen starken Markennamen.
Ausgangspunkt für die Berechnung des Rohausgleichs ist die Summe der Provisionen des letzten Vertragsjahrs mit neuen Kunden: 100.000 Euro.
Die Abwanderungsquote für jedes prognostizierte Vertragsjahr beträgt 20% (denn naturgemäß wandern jedes Jahr Kunden ab):
1. Jahr:     80.000 Euro             
2. Jahr:     64.000 Euro        
3. Jahr:     51.200 Euro
Summe: 195.200 Euro
Abzinsung mit (zum Beispiel) 3 % über drei Prognosejahre: 178.153,77 Euro
Abzug Billigkeit für Sogwirkung der Marke und sinkende Umsätze 25 %: verbleiben 133.615,32 Euro (sog. Rohausgleich)
Obergrenze: 280.000 Euro nach § 89b Abs. 2 HGB gebildet aus dem Durchschnitt aus 300.000 Euro plus 295.000 Euro plus  291.000 Euro plus 264.000 Euro plus 250.000 Euro.
Die Obergrenze als Ausgleichshöchstbetrag übersteigt den nach der Prognose errechneten Rohausgleich. Eine Kappung anhand der Obergrenze findet nicht statt.
Dem Handelsvertreter steht der unter der Obergrenze liegende Betrag (Rohausgleich = 133.615, 32 Euro) zu.
In der Praxis kommt es auch vor, dass sich die Parteien einvernehmlich auf die (vergleichsweise leichter zu ermittelnde) Obergrenze einigen.

10.4 Geltendmachung und Ausschluss des Ausgleichsanspruchs

Einzuhaltende Frist:
Der Anspruch kann gesetzlich nur innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses geltend gemacht werden (Ausschlussfrist). Eine genaue Bezifferung ist aber zunächst nicht erforderlich. Daneben ist die Verjährungsfrist zu beachten, innerhalb deren der Ausgleichsanspruch gerichtlich eingeklagt werden muss, um nicht an der Verjährung zu scheitern. Diese Frist spielt also dann eine Rolle, wenn sich die Parteien nicht zeitnah außergerichtlich einigen können. Die gesetzliche Verjährungsfrist beträgt drei Jahre, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem das Vertragsverhältnis endete. Zu beachten ist aus Sicht des Handelsvertreters, dass regelmäßig im Vertrag die gesetzliche Verjährungsfrist abgekürzt wird, häufig auf zwölf Monate ab Entstehung des Anspruchs und Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen.
Der Ausgleichsanspruch kann nach Beendigung des Handelsvertretervertrags einvernehmlich ausgeschlossen werden. Ist der Handelsvertreter außerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums tätig, kann der Ausgleichsanspruch im Voraus ausgeschlossen werden (§ 92 c Abs. 1 HGB). Maßgeblich ist hier das vertraglich vereinbarte Tätigkeitsgebiet des Handelsvertreters.
 Ausschlussgründe:
Der Anspruch entfällt
  • wenn der Unternehmer das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund kündigt, den der Handelsvertreter zu vertreten hat (§ 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB),
  • ein neuer Handelsvertreter in den bisherigen Vertrag eintritt und der bisherige Handelsvertreter eine Einstands- beziehunsgweise Übernahmezahlung erhält,
  • der Handelsvertreter an den Unternehmer eine Einstandszahlung für die Übernahme des Vertragsgebiets beziehungsweise den Kundenstamm leistet und diese dann mit einem Ausgleichsanspruch aufgerechnet wird (die Einstandszahlung muss allerdings “angemessen” sein, andernfalls kann eine Einstandsvereinbarung unwirksam sein; was angemessen ist, muss im Einzelfall betrachtet werden).
Der Anspruch kann nicht im Voraus vertraglich ausgeschlossen oder beschränkt werden, auch nicht mit einer Aufhebungsvereinbarung vor Beendigung des Vertriebsmittlerverhältnisses. Die Rechtsprechung legt „im Voraus“ weit aus. Erfasst sind auch Vereinbarungen, die den Anspruch teilweise ausschließen, oder beschränken, auch wenn die beschränkende Vereinbarung nur wenige Tage vor Beendigung in Kraft tritt. Auch der Ausschluss oder eine Beschränkung durch Wahl eines ausländischen Rechts (zum Beispiel amerikanisches Recht) ist unwirksam. Insoweit ist der Ausgleichsanspruch nicht abdingbares Recht.
Bei beziehungsweise nach Vertragsbeendigung sind jedoch Vereinbarungen über die Zahlung und die Höhe eines Ausgleichsanspruches möglich.
Besonderheiten gelten gemäß § 89 b Abs. 5 HGB für Versicherungs- und Bausparkassenvertreter. An Stelle der Geschäftsverbindung mit Neukunden, die der Vertreter gewonnen hat, tritt die Vermittlung neuer oder wesentliche Erweiterung bestehender Versicherungsverträge. Die Höchstgrenze beträgt hier drei Jahresprovisionen oder -vergütungen.
(Quelle: Der Artikel beruht auf einer Publikation der IHK Stuttgart)