Im Interview mit Lisa Haus

Zum 1. Oktober übernahm Lisa Haus die Hauptgeschäftsführung der IHK zu Schwerin. Die Vollversammlung bestellte sie am 11. Juni 2025. Zuvor war sie stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der IHK für Rheinhessen und verantwortete dort die Bereiche Bildung und Unternehmensservice. Studiert hat sie Bildungswissenschaften mit Anglistik und Politikwissenschaft an der Universität Koblenz-Landau.
Frau Haus, herzlich willkommen in Westmecklenburg! Was war Ihr erster Gedanke nach der Wahl durch die Vollversammlung?
Dankeschön! Mein erster Gedanke war: „Gemeinsam loslegen.“ Die Entscheidung der Vollversammlung ist ein großer Vertrauensvorschuss. Ich möchte dieses Vertrauen mit sichtbaren Ergebnissen erwidern – nah an unseren Mitgliedsunternehmen, pragmatisch und lösungsorientiert.
Was sind Ihre drei wichtigsten Prioritäten für die ersten 100 Tage?
Erstens: zuhören. Ich werde viele Unternehmen besuchen und unsere regionalen Formate wie Unternehmergespräche und Branchendialoge intensiv nutzen, um Bedarfepräzise zu verstehen. Zweitens: Service pushen. Wir schauen uns interne Prozesse mit Blick auf Schnelligkeit und Digitale Services an – von Gründung über Weiterbildung bis Außenwirtschaft. Drittens: Schwerpunktagenda definieren – gemeinsam mit unserem Ehrenamt, insbesondere Präsidium und Vollversammlung sowie unserem Team bündeln wir die Themen, bei denen die IHK den größten Hebel für die Region hat. Mit Blick auf die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern im nächsten Jahr wollen wir hier die Interessen unserer Unternehmen mit einer starken Stimme vertreten.
Welche Themen erwarten Sie dabei ganz oben?
Fachkräfte und Bildung. Ausbildung, Weiterbildung, Zuwanderung - das ist die Trias. Als IHK werden wir Betriebe bei der Berufsorientierung, beim Matching und beim Onboarding internationaler Fachkräfte nocht gezielter unterstützen.

Standort und Infrastruktur. Verlässliche Verkehrswege, digitale Netze und Planungsbeschleunigung sind Grundvoraussetzungen. Wir bringen die Stimmen der Unternehmen in die politische Prozesse und Allianzen im Land ein.

Energie und Transformation. Viele Betriebe investrieren in Effiizienz, Elektrifizierung und Wasserstofffähigkeit. Wir wollen Hürden abbauen, Wissen bündeln und Förderzugänge verständlich machen.

Gründung, Nachfolge und Innovation. Mehr Mut zum Unternehmertum - mit schlanken Verfahren, guter Beleitung und Netzwerken, die Idenn schnell in Märkte tragen und Zugang zu Kapital erleichtern.
Sie kommen aus der IHK-Organisation - welche Erfahrung nehmen Sie mit, die in Schwerin soforrt hilft?
Vor allem das Zusammenspiel aus Interessenvertretung und Unternehmensservice. Gute Positionen entstehen aus der Praxis – aus Gesprächen in Werkhallen, Läden und Büros. Diese Nähe zur Realität, kombiniert mit belastbaren Daten, macht eine IHK stark. Vor allem aber auch eine strategisch ausgerichtete Bildungspolitik ist wichtig. Ausbildung muss als Zukunftsthema auf allen Ebenen in Schulen, Betrieben, und in Fragen der Weiterbildung systematisch gedacht werden. Wir sind fest davon überzeugt, dass die duale Ausbildung die beste Antwort auf den Fachkräftemangel ist. All das funktioniert immer am besten in der Selbstverwaltung der Wirtschaft. Vielleicht ist es auch von Vorteil, dass ich selbst als Unternehmerkind aufgewachsen bin. Ich kenne die DNA eines Unternehmens sehr genau. Es ist gerade für den Mittelstand immens wichtig, über eine schlagkräftige Interessenvertretung zu verfügen. Deshalb freue ich mich auch auf eine konstruktive und kritische Zusammenarbeit mit der politischen Ebene.
Was bedeutet “stärkerer Service” ganz konkret?
Wir werden Anlaufwege vereinfachen. Klare Kontaktpunkte, schnellere Erstreaktion, mehr digitale Self Services, ohne die persönliche Beratung zu ersetzen. Bei Genehmigungs- und Förderfragen wollen wir Lotsin sein: Wer ist zuständig, welches Formular, welche Frist? Ziel ist, dass Mitglieder weniger Zeit mit Suchen verbringen und mehr mit Umsetzen. Wir implementieren dazu als Organisation immer wieder neue zielgruppenaffine Produkte, wie beispielsweise die Unternehmenswerkstatt, die als digitale Plattform Betriebe im gesamten Zyklus eines Unternehmens unterstützt - von der Gründungsidee bis zur Nachfolge.
Viele Unternehmen klagen über Bürokratie. Wie wird die IHK hier aktiv?
Zweigleisig. Erstens im Einzelfall: Wir moderieren, klären, entwirren – gerade bei komplexen Verfahren. Zweitens systemisch: Wir bringen Fälle gebündelt in die Landes- und Bundespolitik, zeigen Wirkungsketten auf und machen Vorschläge für echte Entlastung und digitale Standards. Entbürokratisierung ist kein Schlagwort, sondern tägliche Kleinarbeit – aber genau die zahlt sich aus.
Welche rolle spielen regionale Dialogformate wie der “Klöntörn”?
Das Gehör nah an den Betrieben zu haben ist für uns sehr wichtig. Formate wie der Klöntörn stehen für offene Gespräche auf Augenhöhe – dort hört man ungefiltert, was läuft und wo es hakt. Solche Formate werden wir weiter stärken und in weitere Orte der Region tragen. Sie sind ein direkter Draht zu Lage und Stimmung in der Wirtschaft und die Grundlage für die Sacharbeit in IHK-Fachausschüssen und Arbeitskreisen.
Infrastruktur ist ein Dauerbrenner. Wo setzen Sie an?
Wir brauchen Verlässlichkeit: plan- und finanzierbare Projekte, die wirklich vorankommen für die Straße, Schiene, Wasserstraße und digitale Netze. Die IHK bündelt Positionen, bringt Daten bei Veranstaltungen wie Verkehrskonferenzen ein und hält den Druck hoch, wenn es klemmt. Unternehmen müssen Waren, Mitarbeitende und Daten sicher bewegen können – das ist Standortqualität pur.
Mecklenburg-Vorpommern befindet sich in der Energie- und Industrietransformation. Was kann die IHK beisteuern?
Orientierung. Wir machen Technologien und Förderlandschaft übersichtlich, vernetzen Betriebe mit Projekten in der Region, von Erneuerbaren Energien bis Wasserstoff, und geben realistische Hinweise zu Wirtschaftlichkeit und Qualifizierung. Wichtig ist, dass Mittelstand und Industrie gleichermaßen mitgenommen werden – und dass Erfolge schnell sichtbar werden.
Fachkräfte - ohne sie geht nichts. Womit können Betriebe kurzfristig rechnen?
Mit handfesten Angeboten: Matching-Events, passgenaue Beratung zu Ausbildung und Weiterbildung, Unterstützung bei Anerkennung und Integration, Hilfe bei der Wohnraumsuche im Verbund mit regionalen Partnern. Und wir werden die Stärken der dualen Ausbildung offensiver sichtbar machen – für Jugendliche, Eltern und Schulen.
Und langfristig?
Ökonomische Bildung früher und besser verankern, Karrierewege in den Regionen transparent machen, Menschen mit Beeinträchtigung stärker in Arbeit bringen, Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern – das sind Stellschrauben, an denen wir gemeinsam drehen müssen. Die IHK ist hier Brückenbauerin.
Gründung und Nachfolge - zwei Seiten derselben Medaille. Was planen Sie?
Wir wollen Gründung noch unkomplizierter machen: Schlanke Erstberatung, „Erst-Check in 48 Stunden“, schnell zum Businessplan-Sparring, Kontakte zu Finanzierung, Förderstellen und Mentorinnen. In der Nachfolge bauen wir Matching und Begleitung aus – früh anfangen, realistische Bewertungen, klare Übergabepläne. Beides sichert Wertschöpfung in der Region und ermöglicht Wohlstand. Wir nutzen hier sämtliche Kanäle, die digitale Begleitung aber auch die persönliche Beratung sind möglich. Und wir bieten Vernetzungschancen - bei Events und auch im Zusammenspiel zwischen Startups und Mittelstand.
wie verstehen Sie die Rolle der IHK in politischen Debatten?
Diese Rolle ergibt sich aus dem gesetzlich definierten Auftrag. Demnach müssen wir unabhängig, sachlich und lösungsorientiert sein. Wir sind keine Partei, wir sind die Stimme der gewerblichen Wirtschaft. Wir sagen klar, was funktioniert und was nicht – immer mit dem Ziel, Rahmenbedingungen zu verbessern. Dafür braucht es Dialog, Daten und manchmal auch deutliche Worte - immer vor dem Hintergrund der Gesamtinteressenvertretung. Darin sehe ich ein großes Alleinstellungsmerkmal unserer Organisation.
Was wünschen Sie sich von den Unternehmen der Region?
Zeit und Offenheit. Sagen Sie uns, was Sie bremst und was Sie brauchen. Nutzen Sie unsere Angebote, geben Sie Feedback – kritisch und konstruktiv. Je genauer wir die Realität kennen, desto wirksamer können wir handeln.
Herzlichen Dank und viel Erfolg!
Industrie- und Handelskammer zu Schwerin
Ludwig-Bölkow-Haus
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