08.09.2023

IHK-Jahresempfang 2023 - Was uns voranbringt

Angesichts dieser energiegeladenen Rhetorik zuckte der ein oder andere Gast mit typisch norddeutschen Gemüt leicht in seinem Stuhl zurück. Der Festvortrag von Dr. Martin Wansleben, dem Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer, ließ die Funken sprühen und war einer der Höhepunkte des IHK-Jahresempfangs 2023.
Energiegeladen blieb es auch beim Abschied, als die Gäste Bioenergie in Zylinderform für zu Hause erhielten. Auch die Sonne zeigte sich noch einmal von ihrer strahlenden Seite und trieb das Thermometer in tropische Gefilde. Und manchem angemeldeten Gast zog es dann doch lieber an den Strand.
Rund 300 Gäste konnte die IHK aber auch dieses Jahr wieder im Ludwig-Bölkow-Haus begrüßen, darunter Partner aus Politik, Verwaltung, Verbänden und dem IHK-Ehrenamt sowie viele Vertreter kleiner Mitgliedsunternehmen.

Bürger sind den Stillstand leid

Doch es war nicht alles eitel Sonnenschein, denn um die Wirtschaft steht es schlecht, wie IHK-Präsident Matthias Belke in seiner Eröffnungsrede deutlich machte. „Die letzten Jahre haben viele Grundlagen der deutschen Wirtschaft erschüttert, wenn nicht sogar beseitigt, und bestehende Probleme verstärkt.“ Eine Forderung durchzog seine Rede wie ein roter Faden: „Durch Deutschland muss ein Ruck gehen.“
Dabei bezog sich Belke bewusst auf die historische Berliner Rede des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog von 1997. Damals wie heute befand sich Deutschland in einer Krise. Applaus brandete auf, als Belke die Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz aufgriff und dessen zentrale Erkenntnis „Die Bürger sind diesen Stillstand leid. Und ich bin es auch“ mit der Forderung ergänzte, dass jetzt auch endlich Taten folgen müssen.
Belke sprach aus dem Herzen der Anwesenden, als er das Thema Leistungsbereitschaft der jungen Menschen anschnitt: „Wir brauchen ein neues Leistungsprinzip und eine neue Leistungsbereitschaft, die junge Menschen in die Lage versetzt, später dringend benötigte Innovationen in unseren Unternehmen anzustoßen.“

Zuverlässige Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen

Belke betonte in seiner Rede die Chancen, die sich der Region und dem Land mit der Energiewende bieten. Als exzellenter Standort für die Gewinnung von regenerativer Energie und zur Herstellung von Wasserstoff muss dabei das „Deutschlandtempo“ der Maßstab bei der Umsetzung dieser Chancen in Mecklenburg-Vorpommern werden. Konkret forderte Belke einen tiefgreifenden Bürokratieabbau sowie eine massive Beschleunigung beim Ausbau der energetischen Infrastruktur sowie einer zuverlässigen Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen.

„Du kannst nur solange Gutes tun und helfen, wie du selbst nicht hilfsbedürftig bist.“

In seiner Rede nahm DIHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Wansleben die Gäste von Westmecklenburg in die große Welt der europäischen und internationalen Politik mit und sprach grundsätzliche Fragen der Wirtschaftspolitik an. Mit Blick auf die europäische Gesetzgebung betonte er, dass bestehende Gesetze erstmal von den Unternehmen verstanden werden müssen, bevor immer neue Gesetze initiiert werden.
„Weniger ist dann wirklich mehr“ müsse mit Blick auf die tatsächliche Umsetzung vieler Gesetze wieder mehr gelten.
Wansleben plädierte immer wieder für einen stärkeren internationalen Blick bei großen deutschen Projekten wie der Dekarbonisierung der deutschen Wirtschaft. Es macht wenig Sinn, solche Projekte ohne die Beteiligung von China und Indien voranzutreiben, während Deutschland selbst nicht mehr als ein erfolgreiches Vorbild wahrgenommen wird. Das Abschalten von Atomkraftwerken sei ein Beispiel dafür, wie durch unüberlegte politische Entscheidungen das politische Vertrauen verspielt wurde. Jetzt wird massiv Atomstrom aus dem Ausland importiert, eine Entwicklung, auf die im Vorfeld vergeblich hingewiesen wurde.
Wansleben erwähnte auch mehrfach die überbordende Bürokratie. Das Gebäudeenergiegesetz sei etwas, das niemand benötige. Es sei vielmehr eine Unterstellung gegenüber den Bürgern, dass sie nicht in der Lage seien, selbst über Investitionen in ihre Häuser zu entscheiden.
Großen Applaus gab es noch einmal am Ende, als Wansleben mit Blick auf die Gesundheit der deutschen Wirtschaft und dem deutschen Sendungsbewusstsein festhielt: „Du kannst nur solange Gutes tun und helfen, wie du selbst nicht hilfsbedürftig bist.“

Energie-Diskussion mit regionalem und internationalem Blick

Die anschließende Podiumsdiskussion moderierte die NDR-Journalistin Dörte Graner. Unter dem Motto 'Entlastung der Wirtschaft - Gewinn für die Region' stand die aktuelle Energiepolitik im Fokus. Wirtschaftsminister Reinhard Meyer, IHK-Vizepräsident und Vorstand der WEMAG, Thomas Murche, Geschäftsführerin der Stadtwerke Ludwigslust-Grabow, Viola Bortsch, und Dr. Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer, diskutierten dabei die notwendigen Schritte für eine zukunftsfeste Wirtschaft.
Wansleben hielt dabei noch einmal fest, dass die international zu hohen Energiekosten jetzt dazu führen, dass Deutschland seine industriellen Kerne verliert. Das Versprechen beliebig großer Mengen an günstigem Strom ist durch die bisherige Energiewende nicht erfüllt worden. Die Energiewende schaffe Deutschland vielmehr nur als komplett europäisches Projekt. Mit Blick auf das Thema Entbürokratisierung stelle er die Erfolgsformel auf, Politik mit 50 Prozent weniger Detailismus anzugehen und endlich anzuerkennen, dass der Staat nur so viel machen kann, wie er angesichts der demografischen Entwicklung mit weniger Leuten auch tatsächlich bewältigen kann.
Wirtschaftsminister Meyer nahm, wie auch in seiner Rede, in der Diskussion eine kritische Haltung gegenüber Berliner Entscheidungen ein und unterstrich, dass es entscheidend ist, dass am Ende beim Bürger durch den Ausbau der Strompreis sinkt. Was aktuell definitiv nicht passiere.
Für ihn ist neben der Reform der Netzentgelte eine stärkere Beteiligung vor Ort wichtig. Meyer stellte auch selbstkritisch mit Blick auf die Genehmigungsverfahren fest, dass die Landesregierung hier keine Ausreden mehr habe, da alle Stellen nun besetzt seien.
Geschäftsführerin Bortsch erhielt Applaus für ein Pilotprojekt zur regionalen Zusammenarbeit für günstigen 'Mieterstrom', bei dem der Strom am Ende um 7 Cent pro Kilowattstunde günstiger ist. In Bezug auf den verstärkten Ausbau eines Wasserstoffnetzes erklärte sie, dass sich die Stadtwerke Ludwigslust-Grabow auf die Geothermie statt Wasserstoff konzentrieren, aufgrund der Kosten und der Konkurrenz zur Wasserversorgung. Sie forderte insbesondere schnellere Genehmigungsverfahren für den Ausbau erneuerbarer Energien, da die bestehenden Vorschriften viel zu restriktiv seien.
WEMAG-Chef Murche betonte die Notwendigkeit klarer und fokussierter Vorschriften, um Genehmigungen in weniger als 12 Monaten zu erhalten. Er forderte einen verstärkten Dialog zwischen Politik und Versorgern, bei dem es nicht darum geht, Schuldzuweisungen zu machen. Für ihn sollten die erforderlichen Veränderungen schrittweise umgesetzt werden, insbesondere bei der Entlastung und der Verteilung der Kosten für den Netzausbau in ganz Deutschland.

Video mit Statements

  • Dr. Steffen Rothe, engergieunion Schwerin
  • Dr. Josef Wolf, Stadtwerke Schwerin
  • Karl-Heinz Krämer, Block Menü, Zarrentin
  • Thomas Murche, WEMAG, Schwerin
  • Eike Klemkow, prysmian, Schwerin
© IHK zu Schwerin

Fotostrecke mit Impressionen des Jahresempfangs

Video-Beitrag TV:Schwerin