IHK-Kongress für Frauen in Führung: "Der Beruf der Unternehmerin muss wieder attraktiv werden“

Mehr Frauen in Führung zu bringen, ist eine gemeinsame Aufgabe von Männern und Frauen. Mit diesem Statement eröffnete Friederike C. Kühn, Präsidentin der IHK Schleswig-Holstein, den dritten IHK-Kongress für Frauen in Führung im Norden in Lübeck. "Mit dieser Veranstaltung wollen wir Frauen Mut machen, in Verantwortung zu gehen, ein Unternehmen zu gründen oder zu übernehmen. Dafür muss der Beruf der Unternehmerin aber attraktiv und erstrebenswert werden", sagte Kühn vor 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Hotel Hanseatischer Hof. 
Die IHK Schleswig-Holstein, die Arbeitsgemeinschaft der IHKs Flensburg, Kiel und Lübeck, will beim Kongress nachhaltige Antworten auf die Herausforderungen des zunehmenden Fachkräftemangels geben. "Quoten oder Regeln sind nicht unser Ziel. Was unsere Wirtschaft braucht, sind Frauen, die in Führung wollen. Es reicht nicht, nur Forderungen zu stellen, aber am Ende doch mit der zweiten Reihe Vorlieb zu nehmen, wenn es um die Übernahme von Verantwortung in Führung und Ehrenamt geht", so Kühn. Es komme entscheidend darauf an, die Rahmenbedingungen zu verbessern, damit Frauen in Führung streben können und auch wollen.

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Das müsse schon in der Schule beginnen, beklagte die Jungunternehmerin Dorina Bausch aus Ahrensburg in einem von der Radio- und Fernsehjournalistin Andrea Wilke moderierten Talk. Dem stimmte Dr. Sabine Sütterlin-Waack, Ministerin für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein, zu: "Das Bild vom Unternehmer in Deutschland ist schräg. Dabei sind wir gerade deshalb gut durch die Finanzkrise von 2008 gekommen, weil wir einen so engagierten Mittelstand haben." Es gelte, das Bild zurechtzurücken, damit das Unternehmertum wieder attraktiv werde. Die gegen Unternehmerinnen und Unternehmer hervorgebrachten Vorurteile seien "Quatsch". Es gebe vor allem viele Frauen in Führung, die gute Vorbilder seien und Mut machten, ihren Beispielen zu folgen. 
Vor allem Frauen eröffneten die Erfahrungen der Corona-Zeit neue Möglichkeiten, Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen. Die Selbstständigkeit sei ein erstrebenswertes Ziel, betonte Dorina Bausch, denn sie eröffne Freiheiten und erlaube es, Kreativität voll zu entfalten und in Wertschöpfung umzusetzen. Wer eine gute Idee hat, solle sie als Chance für den Einstieg in das Unternehmertum sehen, ergänzte Kühn. "Allerdings schrecken viele Frauen vor diesem Schritt zurück, weil sie den hohen Anspruch an sich selbst stellen, immer 100 Prozent zu geben.". Leider gebe es nur eingeschränkte Fördermöglichkeiten für Gründungen in Teilzeit, so Kühn. Erk Westermann-Lammers, Vorstandsvorsitzender der Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH), sagte, hier seien Anpassungen erforderlich.   
Abschreckend für viele Gründungs- und Übernahmeinteressierte sind Erkenntnissen der IHK zufolge allerdings die umfangreichen Regeln und Vorschriften. Das Thema Regulatorik stand daher am Vorabend im Mittelpunkt des IHK-Talks "FOKUS Wirtschaft". Im Gespräch mit dem Moderatorenteam Professor Dr. Thomas Straubhaar, ehemaliger Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsArchivs (HWWI), und dem Lübecker IHK-Vicepräses Dr. Arno Probst betonte Kühn, dass sie den Ermessensspielraum in der unternehmerischen Entscheidungsfindung vermisse. "Alles müssen wir eins zu eins anwenden und in vielen Fällen eine Flut von Dokumentationen erstellen. Das hemmt uns in unserer Kreativität und Zukunftsgestaltung." 
IHK-Vicepräses Alexandra von Oven-Batsch ergänzte, dass ein Grundgerüst an Regeln genüge. Der Kunde werde es honorieren oder sanktionieren, wenn ein Unternehmer seine Freiheiten nutzt oder missbraucht. "Wenn ich ein veganes Gericht anbiete, mögen die Kunden es oder nicht. Dafür brauchen wir doch kein Gesetz für die Kantinen", sagte die Juristin und Hotelchefin aus Timmendorfer Strand. Es sei nicht nachvollziehbar, dass ein Gründer, der eine kreative Idee verfolge, auch noch die Bürokratie schultern müsse. Es könnte eher eine Aufgabe für die IHK und die Verbände sein, die jungen Unternehmer dabei zu unterstützen. 
Dem stimmte die Lübecker Unternehmens- und Personalberaterin Ann-Kathrin König zu. Sie empfahl, sich Hilfe zu holen und funktionierende Netzwerke aufzubauen. Wichtig sei es, dass die Unternehmerinnen und Unternehmer bereit seien, Verantwortung sowie Risiken zu tragen. Kleine und auch größere Herausforderungen ließen sich fokussiert und motiviert am besten meistern. 
Veröffentlicht am 1. September 2021