Taxonomie-Entscheidung

EU-Kommission verabschiedet Nachhaltigkeitskriterien für Gas- und Atomkraftwerke

Die Europäische Kommission hat am 2. Februar 2022 den zusätzlichen delegierten Rechtsakt zur Bewertung des Beitrags der Stromerzeugung in Gas- und Atomkraftwerken zu den Klimaschutzzielen der Taxonomie gebilligt. Insbesondere für Gaskraftwerke gelten strenge Kriterien.
Mit dem delegierten Rechtsakt ergänzt die Kommission den im April 2021 verabschiedeten Kriterienkatalog für zahlreiche Wirtschaftstätigkeiten um Kriterien für die Stromerzeugung in Gas- und Atomkraftwerken.
Der Rechtsakt sieht vor, dass beide Stromerzeugungstechnologien unter bestimmten Bedingungen als nachhaltig im Sinne der EU-Taxonomie eingestuft werden können, da sie zur CO2-Minderung beitragen können.
Im Vergleich zu dem am 31.12.2021 zur Konsultation gestellten Entwurf hat die Kommission in der finalen Fassung nur wenige Änderungen vorgenommen. So wurden für die Stromerzeugung in Gaskraftwerken die Beimischungsquoten für erneuerbare oder CO2-arme Gase für die Jahre 2026 und 2030 gestrichen. Gleich geblieben ist die Anforderung, dass ab dem Jahr 2036 nur noch erneuerbare oder CO2-arme Gase genutzt werden dürfen.
Die Emissionsgrenzwerte für Gaskraftwerke, die nur Strom erzeugen, sowie für Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK) blieben unverändert. Ebenso ist weiterhin vorgesehen, dass neue Gaskraftwerke emissionsintensivere ältere Kraftwerke ersetzen müssen. Im Falle von KWK-Kraftwerken darf die Kapazität hierbei nicht erhöht werden.
Die europäischen Gesetzgeber, der Rat der EU und das Europäische Parlament, können das Inkrafttreten durch Mehrheitsentscheidung blockieren. Während im Rat eine verstärkte qualifizierte Mehrheit die Ablehnung beschließen müsste (20 Mitgliedstaaten, die über 65 Prozent der EU-Bevölkerung vereinen), genügt im Europäischen Parlament eine einfache Mehrheit (353 Abgeordnete).
Kriterien für Gaskraftwerke
Reine Stromerzeugung
Für Erdgaskraftwerke sieht die Kommission eine Übergangsregelung vor. Für Anlagen, deren Bau spätestens im Jahr 2030 genehmigt wurde, gelten folgende Grenzwerte und Kriterien:
  • direkte Treibhausgasemissionen von unter 270 g CO2ä (CO2-Äquivalente) pro kWh erzeugtem Strom
  • oder jährliche Treibhausgasemissionen von durchschnittlich 550 kg CO2ä pro kW installierter Leistung, über 20 Jahre hinweg berechnet
  • Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare und CO2-arme Gase ab dem Jahr 2036
  • Ersatz einer emissionsintensiveren Anlage, die flüssige oder feste fossile Brennstoffe nutzt
  • Kapazität des neuen Kraftwerks übersteigt die Kapazität des alten Kraftwerks um maximal 15 Prozent
  • Ersatz des alten Kraftwerks führt zu einer Treibhausgaseinsparung von 55 Prozent pro kWh erzeugter Energie (über die gesamte Betriebsdauer gerechnet)
  • Mitgliedstaat hat Kohleausstieg beschlossen
Für alle später genehmigten Anlagen gilt die Stromerzeugung aus fossilem Gas als nachhaltig im Sinne der Taxonomie, wenn die Treibhausgasemissionen über den Lebenszyklus der Anlage hinweg bei unter 100 g CO2ä pro erzeugter kWh Strom liegen. Dies lässt sich nur durch eine sehr hohe Beimischung CO2-armer bzw. CO2-freier Gase (bspw. blauer Wasserstoff oder Biogas) oder die Abscheidung und Speicherung oder Nutzung von CO2 erreichen (CCS/CCU).
Hocheffiziente KWK-Gaskraftwerke
Für KWK-Anlagen, deren Bau spätestens im Jahr 2030 genehmigt wurde, gelten folgende Grenzwerte und Kriterien:
  • direkte Treibhausgasemissionen von unter 270 g CO2ä pro KWh erzeugter Energie
  • Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare und CO2-arme Gase ab dem Jahr 2036
  • Primärenergieeinsparung von mindestens 10 Prozent im Vergleich zur getrennten Strom- und Wärmerzeugung
  • Ersatz einer emissionsintensiveren Anlage, die flüssige oder feste fossile Brennstoffe nutzt
  • Kapazität des neuen Kraftwerks übersteigt die Kapazität des alten Kraftwerks nicht
  • Ersatz des alten Kraftwerks führt zu einer Treibhausgaseinsparung von 55 Prozent pro kWh erzeugter Energie
  • Mitgliedstaat hat Kohleausstieg beschlossen
In nach 2030 genehmigten Kraftwerken gilt die kombinierte Strom- und Wärmeerzeugung aus fossilem Gas als nachhaltig im Sinne der Taxonomie, wenn die Treibhausgasemissionen über den Lebenszyklus der Anlage hinweg bei unter 100 g CO2ä pro erzeugter kWh Energie liegen. Dies lässt sich nur durch die Nutzung CO2-armer bzw. CO2-freier Gase (bspw. blauer Wasserstoff oder Biogas) oder die Abscheidung und Speicherung oder Nutzung von CO2 erreichen (CCS/CCU).
Kernkraft
Die Stromerzeugung aus Kernkraftwerken soll ebenfalls als nachhaltig im Sinne des Klimaschutzes eingestuft werden. Dies gilt sowohl für den Neubau (inklusive der Herstellung von Wasserstoff) als auch Laufzeitverlängerungen bestehender Kraftwerke.
Die einzuhaltenden CO2-Grenzwerte entsprechen den Messlatten für Gaskraftwerke und die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien (100 g CO2 pro kWh erzeugtem Strom) und können somit problemlos eingehalten werden.
Da die Technologie laut Kommission als Übergangslösung zum Einsatz kommen sollte, wird beim Neubau eine Baugenehmigung bis zum Jahr 2045 gefordert. Eine Laufzeitverlängerung müsste bis zum Jahr 2040 genehmigt werden. Für Neubauten werden konkrete Pläne gefordert, spätestens im Jahr 2050 über Endlager für hochradioaktive Abfälle zu verfügen. Bei Laufzeitverlängerungen, die nach 2025 genehmigt werden, gilt die Regel analog. Auch die Finanzierung der Endlagerung und des Rückbaus muss bereits bei Genehmigung des Neubaus oder der Laufzeitverlängerungen über einen Fonds geregelt sein.