European Sustainability Reporting Standards (ESRS)

ESRS: Leitfaden zur Nachhaltigkeitsberichterstattung

Mit der neuen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verpflichtetet die EU zukünftig weitaus mehr Unternehmen als bisher zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Die Berichtsinhalte werden zudem mittels verbindlicher EU-Nachhaltigkeitsberichtstandards (European Sustainability Reporting Standards, ESRS) standardisiert. Hier erfahren Sie, wie Sie einen Nachhaltigkeitsbericht im Rahmen der neuen Vorgaben erstellen. 

Schritt 1: Prüfung der Betroffenheit

Abhängig von der Unternehmensgröße ergibt sich die Betroffenheit von rechtlichen Vorgaben für Ihr Unternehmen. Nachfolgend zeigt die Übersicht, ab wann die CSRD für Ihr Unternehmen wirksam werden. 
2024: Unternehmen, die bereits in den Geltungsbereich der bislang gültigen Non-financial Reporting Directive gefallen sind, müssen im Jahr 2025 erstmals über das Geschäftsjahr 2024 entsprechend der CSRD berichten.
2025: Alle großen Unternehmen, die mindestens zwei der unten genannten Kriterien erfüllen, müssen den ersten Bericht im Jahr 2026 auf Basis des Jahres 2025 veröffentlichen.
Als groß gelten alle Unternehmen, die zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen:
  • Bilanzsumme ≥ 25 Mio Euro
  • Nettoumsatzerlöse ≥ 50 Mio Euro
  • Zahl der Beschäftigten ≥ 250
Ab 2026: Alle börsennotierten kleinen und mittleren Unternehmen ab 10 Mitarbeitenden, mit Ausnahme von Kleinstunternehmen, sind ab 2026 berichtspflichtig. Eigenschaften von Kleinstunternehmen sind: Bilanzsumme max. 450.000 €, Nettoumsatzerlöse max. 900.000 €, max. 10 Mitarbeitende. Zudem sind ausgewählte Unternehmen aus Drittstaaten ab 2028 verpflichtet zu berichten.
Für die Umsetzung hat die EU-Kommission die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) mit der Erarbeitung von europäische Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) beauftragt. 2023 erschien das erste Set der ESRS, die generellen und themenbezogenen Standards. 

Schritt 2: Übersicht über die ESRS verschaffen

Grundlage für die ESRS ist die CSRD-Richtlinie der Europäischen Union. Im Kontext des Green Deals der EU soll die CSRD die Nachhaltigkeitsberichterstattung von europäischen Unternehmen transparent und vergleichbar machen und so in der Folge auch zu einer höheren Nachhaltigkeitsleistung führen.
Für die Umsetzung hat die EU-Kommission die EFRAG mit der Erarbeitung von europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) beauftragt. 2023 erschien das erste Set der ESRS, die generellen und themenbezogenen Standards (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1: © Infozentrum Umwelt Wirtschaft im LfU, 2024
Weitere KMU-Standards sowie sektorspezifische Standards sind für 2024 bzw. 2026 angekündigt.

Die Generellen Standards: ESRS 1 und ESRS 2

ESRS 1: 
Durch ESRS 1 werden allgemeine Rahmenbedingungen zur Erstellung und definiert. Der ESRS 1 beschreibt die allgemeinen Anforderungen an die Erstellung und Darstellung nachhaltigkeitsbezogener Informationen, wie etwa die zugrunde liegenden Konzepte und Prinzipien:
  • Über das Verfahren werden die relevanten Themen für den Nachhaltigkeitsbericht bestimmt.
  • Durch die sogenannte Zeitreihenbetrachtung wird über vergangene, aktuelle sowie geplante Maßnahmen und Entwicklungen transparent berichtet.
  • Transparenz ist für die Berechnung und Einordnung von Kennziffern von großer Bedeutung. Die ESRS schreiben hier die Prinzipien Vollständigkeit, Vergleichbarkeit und Überprüfbarkeit vor.
ESRS 2: 
ESRS 2 legt fest, welche Angaben Unternehmen verpflichtend veröffentlichen. Darunter fallen die folgenden Punkte. 
  • Kontext:
    • Hintergrundinformation zum Nachhaltigkeitsbericht
    • wichtige Kontextinformationen
  • Governance:
    • Zusammensetzung und Nachhaltigkeitsexpertise der Verwaltungs-, Management- und Aufsichtsorgane
    • Betrachtung von Nachhaltigkeitsbelangen durch die Aufsichtsabteilung
    • Integration von nachhaltigkeitsbezogener Leistung in Anreizsysteme
    • Erklärung zu Due-Diligence für Nachhaltigkeitsbelange
    • Risikomanagement und interne Kontrolle der Nachhaltigkeitsberichterstattung
  • Strategie:
    • Marktposition, Strategie, Geschäftsmodell und Wertschöpfungskette
    • Interessen und Ansichten der Stakeholder (inkl. Zweck der Stakeholder-Beteiligung und Berücksichtigung der Ergebnisse in Wesentlichkeitsanalyse und/oder Due Diligence sowie in Unternehmensstrategie und/oder Geschäftsmodell)
    • Wesentliche Auswirkungen, Risiken und Chancen und deren Zusammenspiel mit Strategie und Geschäftsmodell.
  • Management:
    • Offenlegungen zur Wesentlichkeitsanalyse (Vorgehen)
    • Berücksichtigung der ESRS-Offenlegungsanforderungen.

Schritt 3: Bestandsaufnahme durchführen

Zuerst sollte der Status quo Ihres Unternehmens erfasst werden. Dafür können Sie auf die Checkliste Nachhaltigkeitsmanagement im Umwelt- und Klimapakt Bayern zurückgreifen. Analysieren Sie, in welchen Bereichen des Betriebes bereits Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit getätigt werden und wo noch Verbesserungspotentiale bestehen. Dabei ist es sinnvoll, den Fokus auf die für das Unternehmen wesentlichen Themen des ESRS vor. Dabei sollten bestehende Lücken öffentlich gemacht werden, da Transparenz Kern der ESRS.

Schritt 4: Interessenträger einbinden

Die ESRS geben vor, alle relevanten Interessensträger einzubinden. Die Einbindung von Interessenträgern ist von den ESRS vorgegeben, z. B. bei der Wesentlichkeitsanalyse. Interessenträger sind Individuen oder Gruppen, mit direkten oder indirekten Geschäftsbeziehungen zu beliebigen Stufe der Wertschöpfungskette eines Unternehmens.
Durch die Einbindung soll sichergestellt werden, dass die Wesentlichkeitsbestimmung die Anforderungen der Interessenträger berücksichtigt werden. Beispiele sind:
Interne Stakeholder: Mitarbeitende, Führungskräfte, andere Arbeitskräfte, Arbeitnehmervertreter wie der Betriebsrat, schutzbedürftige Gruppen oder besonders gefährdete Personen, Eigentümer des Unternehmens.
Externe Stakeholder: Lieferanten, Geschäftspartner, Kunden, Konsumenten, Behörden, (potenzielle) Investoren, Analysten, Anwohner, Medien, Gewerkschaften, Zivilgesellschaft, NGOs, Gesetzgeber.
ESRS: Worüber soll berichtet werden?
  • Einbindung der Interessenträger: die wichtigsten Stakeholder, Kategorien der Einbindung, Organisation der Stakeholder, Zweck der Einbindung, Ergebnisberücksichtigung).
  • Interessen und Ansichten der Interessenträger
  • Strategieänderung zur Interessenerfüllung der Interessenträger inkl. geplante zukünftige Einbindung.
  • Information zu den Interessen innerhalb des Unternehmens.

Schritt 5: Wesentlichkeitsanalyse durchführen

Die Doppelte Wesentlichkeit als Grundprinzip der ESRS: 
  • Die Wesentlichkeitsanalyse ist ein zentrales Instrument, um die konkreten Berichtsinhalte zu bestimmen.
  • Ziel: Eingrenzung der Themen und Datenpunkte, die nach mindestens einer Perspektive wesentlich sind (inside-out und/oder outside-in). 
  • Die Durchführung ist in den ESRS klar geregelt. Neben übergeordneten Vorgaben gibt es auch themenspezifische Regelungen. 
  • Die EFRAG hat eine Handreichung zur Durchführung der Wesentlichkeisanalyse für 2024 angekündigt.

Wesentlichkeitsanalyse durchführen: 

Bei der Wesentlichkeitsanalyse werden die für die Berichterstattung relevanten Themen inklusive der Unterthemen und Unterunterthemen betrachtet. Zentral ist dazu die Inside-out-Perspektive: Es werden positive und negative sowie jeweils die dazugehörigen Auswirkungen entlang der Wertschöpfungskette berücksichtigt. Die Auswirkungen sollen nach Ausmaß und Umfang kategorisiert werden. Für die Outside-in-Perspektive werden im zweiten Schritt die finanziellen Chancen und Risiken nach Quantität und Wahrscheinlichkeit bewertet.
Checkliste zur Wesentlichkeitsanalyse nach ESRS:
  • Eine Berücksichtigung der gesamten Wertschöpfungskette ist bei der Wesentlichkeitsanalyse sinnvoll. Bei heterogenen Geschäftstätigkeiten innerhalb des Unternehmens können getrennte Analysen nützlich sein. 
  • Branchenspezifische Standards können eine Hilfestellung bieten.
  • Das Fachwissen aus den jeweiligen Abteilungen nutzen, um die Bewertung entlang der Standards zu beschleunigen.
  • Eine präzise und detaillierte Analyse ist notwendig. Diese ist für die externe Wirtschaftsprüfung wichtig. 

Schritt 6: Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie integrieren

Durch die Zielformulierung können wesentliche Themen identifiziert werden, um in diesen Bereichen Nachhaltigkeitsstrategien zu initiieren.
Vorgehen bei der Strategieformulierung
  • Für die relevanten Themen werden Ziele entwickelt welche nach dem „SMART“-Prinzip definiert.
  • Umsetzungsinitiativen und Maßnahmen zur Erreichung der Ziele werden mit den Fachabteilungen festgelegt. Sie bestimmen, wie die Ziele erreichbar werden.
Ergebnis des Prozesses ist ein Fahrplan oder auch Arbeitsprogramm mit priorisierten Zielen und Maßnahmen (kurz-, mittel- und langfristig), klaren Verantwortlichkeiten und definierten Kennzahlen zur Überprüfung und Steuerung des Prozesses.
Ablauf:
  • Wesentliche Themen identifizieren
  • Ziele definieren
  • Maßnahmen entwickeln
Für Ihre Zieldefinition sollten Sie Ihre Ziele möglichst SMART formulieren.

Was bedeutet SMART?

  • S steht für „spezifisch“: Ziele sollten Sie so konkret wie möglich für Ihr Unternehmen formulieren, damit alle Beteiligten das gleiche Verständnis haben.
  • M steht für „messbar“: Ziele sollten Sie so formulieren, dass sie messbar sind und somit die Erreichung festgestellt werden oder gegengesteuert werden kann.
  • A steht für „angemessen“: Ziele sollten valide sein und z. B. einen Bezug zu Ihrer Unternehmensstrategie haben und externe Rahmenbedingungen beachten.
  • R steht für „realistisch“: Ziele sollten Sie unter Beachtung des Ambitionsniveaus, der Ressourcen und der verfügbaren Zeit setzen.
  • T steht für „terminiert“: Das Zeitfenster zur Zielerreichung muss klar festgehalten werden.

Schritt 7: Datenerhebung

Zu den als wesentlich identifizierten Themen werden Daten erhoben.
Durch die Wesentlichkeitsanalyse wurden die relevanten Themen nach ESRS identifiziert. Aus den relevanten Themengebieten werden die in ESRS 1 zu berichtenden Nachhaltigkeitsinformationen abgleitet. Daraus können Sie nun ableiten, welche Nachhaltigkeitsinformationen Ihr Unternehmen neben den. Diese können als qualitative und quantitative Datenpunkte umfassen.
Die Anzahl der zu erfassenden Kennzahlen kann schnell auf 30 oder deutlich mehr steigen. Im Unternehmen ist ein großer Personenkreis gefordert, um diese Daten zusammenzutragen. Einiges wird Ihnen allerdings auch bekannt vorkommen.

Grundlegende Qualitätsanforderungen
  • Relevanz: Alle Themen die bei der Wesentlichkeitsanalyse als relevant identifiziert wurden, sollten im Bericht angegeben werden.
  • Wahrheitsgetreue Darstellung: Voraussetzung dafür ist die Vollständigkeit (Nachvollziehbarkeit der Auswirkungen, Risiken und Chancen), die Neutralität (unvoreingenommene und ausgewogene Auswahl und Angabe von Informationen) und die Korrektheit (Fehlerfreiheit, Präzision, Kennzeichnung von Schätzungen/etc., Angemessenheit von Aussagen).
  • Überprüfbarkeit: Wahrheitsgetreue Darstellung muss objektiv nachvollziehbar und untermauert sein.
  • Verständlichkeit: Klare und prägnante Darstellung sowie Vermeidung von Verallgemeinerungen oder Dopplungen.
Checkliste zur Datenerhebung:
  • Bei fehlenden oder unzureichenden Daten können Branchendurschnitte genutzt werden. Für Emissionsfaktoren eignen sich Datenbanken des BAFA.
  • Die Erfassung ist von nun an jährlich relevant. Daher ist die Einbindung des Controllings sinnvoll – hier laufen alle Daten zusammen.
  • Wenn alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die Datenerfassung informiert werden, kann die Qualität und Quantität der gesammelten Kennziffern erhöht werden.

Schritt 8: Bericht erstatten

Im letzten Schritt werden alle Informationen für die Berichterstattung nach ESRS zusammengeführt. 
Nach der Datenerfassung erfolgt die Berichterfassung- und -Erstellung. Wenn alle notwendigen Daten erhoben worden sind, kann mit der Berichterstattung begonnen werden. Dazu kann der Nachhaltigkeitsbericht in den Konzernbericht integriert werden.
Informationen sind digital im European Single Electronic Format (ESEF) bereitzustellen. Die ESRS listen die geforderten Inhalte auf. Alle Informationen müssen im Bericht selbst enthalten sein. Zusätzliche Nachweise werden nicht explizit eingefordert.

Evaluation durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Den Bericht müssen Sie prüfen lassen. Prüfende sind nach aktuellem Stand die Wirtschaftsprüfer. Diese können konkrete Anforderungen ausweisen. Zunächst wird eine Prüfung mit begrenzter Sicherheit (limited assurance) durch die Prüfenden durchgeführt, im späteren Verlauf soll mindestens eine Prüfung mit hinreichender Sicherheit (reasonable Assurance) etabliert werden. Viele Details zu diesen Prüfungen sind zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht definiert (Stand April 2024).
Je eindeutiger Abstimmungen mit dem Wirtschaftsprüfer erfolgen, desto einfacher ist der Prozess.
Trotz der Vielzahl an Themen gilt: Nicht wesentliche Angaben können ohne Erläuterung im Bericht entfallen. Jedoch kann ein Wirtschaftsprüfer von Unternehmen eine Begründung einfordern, warum bestimmte Themen nicht berücksichtigt werden.
Quellen: DIHK (2024, Berlin), IHK München und Oberbayern (2024, München).