Medieninformation vom 30. Juni 2023

IHK-Präsidentin kritisiert mangelnde Weitsicht des EU-Parlamentes beim geplanten Lieferkettengesetz: Lieferketten resilienter und nachhaltiger gestalten

Das EU-Parlament hat sich am 1. Juni auf eine Position zum geplanten EU-Lieferkettengesetz geeinigt, das an einigen Stellen weit über das deutsche Gesetz hinaus geht. Nach Ansicht von IHK-Präsidentin Birgit Hakenjos hat die geplante Richtlinie über das mögliche Anwendungsgebiet hinaus potenzielle Nebenwirkungen.
„Grundsätzlich begrüßen wir gleiche Wettbewerbsbedingungen innerhalb des europäischen Marktes, gerade wenn es um die Achtung der Menschrechte und den Schutz der Umwelt geht. Sollte sich die Position des EU-Parlamentes am Ende durchsetzen, befürchten wir jedoch, dass sich zum einen die Menschenrechtslage in den betroffenen Regionen nicht verbessert und zum anderen unsere Unternehmen dennoch belastet werden.“
Als Beispiel zeigt Birgit Hakenjos auf Rohstoffe, die für die Energiewende und Digitalisierung benötigt werden, deren Vorkommen aber oft in Ländern liegen, die geringere Menschenrechts- und Umweltstandards aufweisen. Dazu zählen unter anderem die Selte nen Erden, Grafit und Wolfram (China), Kobalt (DR Kongo) oder Rhodium und Platin (Südafrika).
„Diese Länder halten ein Quasi-Monopol auf die Förderung und zum Teil auch die Verarbeitung dieser Rohstoffe, sie beherrschen also den weltweiten Markt für diese Güter. Das bedeutet, sie können sich ihre Kunden aussuchen. Sollten sie mit den Konditionen der europäischen Abnehmer nicht einverstanden sein, kommen unsere Wettbewerber aus den USA oder China zum Zug. Ich sehe das Risiko, dass das Lieferkettengesetz so unsere Rohstoffversorgung in Europa beeinträchtigen könnte. Denn die ausländischen Produzenten, die zum Beispiel von China auch dem Staat gehören, haben nur geringes Interesse, sich europäischen Werten und sozialen Normen zu beugen.“
Umfragen zeigen zudem, dass die europäischen Unternehmen von sich aus einen Rückzug aus diesen Märkten in Betracht ziehen würden. Dann gebe es vor allem zwei Verlierer: Die Menschen und die Umwelt vor Ort, denn dort fehlten dann finanzielle Spielräume für Investitionen in soziale und technische Infrastruktur.
Um die Lieferketten resilienter und nachhaltiger zu gestalten, spricht sich die IHK-Präsidentin für mehr Wettbewerb, offene Grenzen und gestaltende Handelsabkommen aus. „Wir brauchen letztlich mehr Auswahl an Zulieferern und eine Einigung über soziale und ökonomische Normen zwischen den beteiligten Staaten. Dabei verbleibt die Kontrolle über deren Einhaltung dort, wo sie am besten durchgesetzt werden kann: beim Staat und seinem Gewaltmonopol.“
Mit den richtigen Rahmenbedingungen, die digitaler, schneller und günstigere Produktionsbedingungen schaffen, könnten Lieferketten zum Teil wieder in die EU zurückgeholt werden. „Kurze Lieferketten sind beides: sicherer und ökologisch sauberer. Mit den erwirtschafteten Gewinnen können wiederum die internationalen Lieferketten gestärkt und nachhaltiger gestaltet werden.“
Die regionale Wirtschaft appelliere deshalb an den Rat und die Kommission der EU, bei den weiteren Verhandlungen zum europäischen Lieferkettengesetz, ihre Strategie noch einmal grundsätzlich zu überdenken. Ihre Ziele könnten auch gemeinsam mit der Wirtschaft erreicht werden.