Medieninformation vom 20. Januar 2023

IHK begrüßt Übergangsbestimmungen bei MDR

Knapp 20 Prozent der deutschen Medizintechnikunternehmen haben ihren Sitz in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg. Die Unternehmen stellen mit mehr als 13.000 Menschen rund sechs Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in der Region, wie eine aktuelle statistische Auswertung der IHK ergab.
„In Anbetracht dieser Zahlen wird die Relevanz der EU-Medizinprodukteverordnung (MDR) für unsere Wirtschaftsregion deutlich“, so IHK-Präsidentin Birgit Hakenjos. „Etwa die Hälfte der 13.000 Beschäftigten sind in kleinen, hochspezialisierten Unternehmen beschäftigt – vor allem für diese stellt die MDR mit ihren aufwändigen und kostenintensiven Zertifizierungen eine unverhältnismäßige Belastung dar. Auch gibt es weiterhin nicht genügend Kapazität bei den Benannten Stellen, die die geforderten Zertifizierungen durchführen.“
Bereits in den letzten Monaten hätten sich die Berichte über die Verknappung von Medizinprodukten aufgrund der neuen Regulatorik gehäuft. Vor allem Nischenprodukte – unter anderem für Kinder - wären betroffen gewesen, für die sich eine erneute Zertifizierung nicht gerechnet hätte und die Hersteller sie deswegen auslaufen lassen.
„Wir begrüßen daher, dass die EU-Kommission eine Anpassung der Übergangsfristen vorgeschlagen hat. Dies ist für die gesicherte Versorgung des Gesundheitssystems - von den Patienten, den Krankenhäusern, den Ärztinnen und Ärzten, sowie den Medizinprodukteherstellern - entscheidend“, sagt die IHK-Präsidentin.
Die IHK sei stolz, mit der MedicalMountains GmbH eine erstklassige Cluster-Initiative in der Region zu haben, die sich mit ihrem Engagement zur MDR als wichtiger Dialog-Partner bei der Landesregierung, der Bundesregierung und in Brüssel erwiesen hat. Auch auf ihre tatkräftige Arbeit seien einige unerlässliche Änderungen am Gesetz zurückzuführen.
„Ganz im Sinne von ‚aufgeschoben ist nicht aufgehoben‘ ändern die neuen Übergangsbestimmungen jedoch nichts an den strukturellen Problemen der Verordnung“, führt Birgit Hakenjos aus. „Wenn regulatorische Hürden die Entwicklung von Nischenprodukten und neuen, innovativen Medizinprodukten hemmen oder gar verhindern, erreicht die MDR statt ihrem Ziel einer sicheren Versorgung der Patientinnen und Patienten genau das gegenteilige Ergebnis. Die Produktion und Entwicklung von Medizinprodukten am Standort Deutschland reduziert die Störanfälligkeit für Lieferengpässe und Abhängigkeiten von ausländischen Produzenten. Vor allem im Gesundheitsbereich sollte die Politik Abwanderungen von Unternehmen vermeiden.
Ein erster Schritt wäre, die für 2027 geplante Evaluation der Verordnung bereits jetzt anzustoßen, um die strukturellen Probleme der Verordnung aufzudecken und anzugehen. Denn die Verwerfungen am Markt sind bereits heute ersichtlich.“


Die MDR war seit über einem Jahrzehnt in Arbeit und gilt seit Mai 2021. Auslöser war ein Fall in Frankreich, in dem Industriesilikon als Füllung für Brustimplantate verwendet wurde. Als Folge müssen alle Medizinprodukte (re-)zertifiziert werden. Zuständig dafür sind die privatwirtschaftlichen Benannten Stellen, die sich selbst erst zertifizieren lassen müssen. Für die komplexen Anforderungen sollen auch relevanten Normen harmonisiert und etwa 50 untergeordnete Rechtsakte zur Umsetzung im Detail erlassen werden.
Die europäische Medizinproduktedatenbank Eudamed ist noch nicht voll funktionsfähig und gilt nicht als benutzungsfreundlich. Der Umfang der Neuerungen führt in der Umsetzung unter anderem zu unterschiedlichen Definitionen, Auslegungen und Abgrenzungen und enorm gestiegenen Kosten – vor allem für kleine Unternehmen eine Herausforderung.
Die neuen Übergangsbestimmungen geben Herstellern unter Erfüllung bestimmter Bedingungen mehr Zeit (bis Ende 2027, bzw. 2028 für Produkte mit geringem Risiko), ihre Produkte (re-) zertifizieren zu lassen. Bestehende Zertifikate sollen dann automatisch nicht auslaufen und dadurch versorgungswichtige Produkte weiterhin verkauft werden können.