Änderungen im Kaufrecht

Neues Kaufrecht: zehn wichtige Änderungen


HINWEIS: Dieser Artikel soll – als Service Ihrer IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg– nur erste Hinweise geben und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl er mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.
                                                         
Vorwort
Ab Januar 2022 treten einige Änderungen des deutschen Kaufrechts in Kraft. Ziel dieser Änderungen ist die Umsetzung der europäischen Warenkaufrichtlinie und der Digitale-Inhalte-Richtlinie. Mit Fokus auf den Verbraucherschutz wird das Kaufrecht innerhalb der EU  beim  Verkauf von digitalen Produkten und Waren mit digitalen Inhalten, wie z.B. Smartphones, Smart-TV‘s und Smartwatches harmonisiert. 
Die Änderungen betreffen Regelungen des allgemeinen Kaufrechts und finden somit Anwendung auf Unternehmerverträge (B2B), Privatverkäufe (C2C) sowie den Handel mit Verbrauchern (B2C) und gelten für den Online-Handel und den stationären Handel für Verträge, die ab dem 1. Januar 2022 abgeschlossen werden. Zahlreiche Neuerungen betreffen nur das B2C-Geschäft, so dass eine differenzierte Betrachtung notwendig ist:

1.     Neuer Sachmangelbegriff – Wann ist eine Sache mangelhaft?

Ab wann eine Sache mangelhaft ist, wird neu definiert. In Zukunft reicht es für eine Mangelfreiheit nicht mehr aus, wenn die Sache einer von den Vertragsparteien vereinbarten Beschaffenheit entspricht. Die Sache muss nun auch den objektiven (branchenüblichen) Anforderungen und den Montageanforderungen genügen. Demnach kann eine Sache mangelhaft sein, obwohl sie die Beschaffenheit aufweist, die die Parteien vereinbart haben. Der automatische Vorrang von subjektiven Beschaffenheitsvereinbarungen der Parteien greift in Zukunft nicht mehr.

Eine Sache ist mangelfrei, wenn kumulativ diese Voraussetzungen erfüllt sind:
  • die vereinbarte und die branchenübliche Beschaffenheit aufweist,
  • sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte und für die gewöhnliche Verwendung eignet und
  • mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen übergeben wird und
  • auch den Montageanforderungen entspricht.

Gegebenenfalls müssen dadurch in Zukunft Verträge und Allgemeine Geschäftsbedingungen angepasst werden (siehe unter 10.) um Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche zu verhindern. Insbesondere sollten Eigenschaften der Sache bzw. das Fehlen dieser Eigenschaften in Form einer Beschaffenheitsvereinbarung festgehalten werden.

2.     Neuer Vertragstyp für den Handel mit digitalen Produkten

In Zukunft ist eine Abgrenzung zwischen digitalen Produkten (§ 327 BGB), Waren mit digitalen Elementen und analogen Waren im B2C Geschäft notwendig.
Digitale Produkte sind in digitaler Form erstellte und bereitgestellte Daten wie z.B. Spiele auf CD´s, DVD`s oder Speicherkarten. Darunter fallen auch digitale Dienstleistungen, welche dem Verbraucher die Erstellung, Verarbeitung oder Speicherung von Daten in digitaler Form, den Zugang oder die gemeinsame Nutzung solcher Daten ermöglichen. Das erfasst Verträge über die Fernnutzung von Software und Daten, die Nutzung von Video- und Audioinhalten und andere Formen des Datei-Hostings oder Cloud-Lösungen. Eine gemeinsame Nutzung findet bei den Social-Media- und Messenger-Diensten aber auch auf Verkaufs-, Buchungs-, Vergleichs-, Vermittlungs- und Bewertungsplattformen statt. 
Beim Handel mit digitalen Produkten ist, anders als im Kaufrecht allgemein, nicht die Übergabe eines körperlichen Gegenstandes geschuldet, sondern die Bereitstellung. Deshalb wurde für diese Produkte ein neuer Vertragstyp mit eigenem Regelungsregime in §§ 327ff BGB geschaffen. Insbesondere greifen hier besondere Gewährleistungsregeln. 
Für Waren mit digitalen Inhalten gelten andere Sonderregeln (§ 475b BGB). Nach der neuen Definition ist eine Ware mit digitalen Elementen eine Sache, die in einer solchen Weise digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen enthält oder mit ihnen verbunden ist, dass sie ihre Funktionen ohne diese digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen nicht erfüllen kann. Das digitale Element muss demnach für die Funktion des Produktes entscheidend sein. Typische Beispiele dafür sind etwa Smartphones, Tablets, Smartwatches sowie andere smarte Elektronikgeräte.
Es ist daher zukünftig genau zu differenzieren, um welches Produkt es sich handelt, weil danach bei Mängeln unterschiedliche Gewährleistungsvorschriften greifen.
Im B2C-Geschäft gelten unterschiedliche Regeln für
  • Analoge Waren                                       z.B. Buch
  • Waren mit digitalen Elementen    z.B. Smartwatch
  • Digitale Produkte                                 z.B. Speicherkarte        (neuer Vertragstyp!)
Unter Unternehmern und unter Verbrauchern (B2B und C2C) richtet sich die Frage, ob ein Sachmangel vorliegt ausschließlich nach § 434 BGB. Der Gesetzgeber hat in diesen Bereichen keine abweichenden Regeln für Produkte mit digitalen Inhalten schaffen wollen – also z.B. keine Aktualisierungspflichten (siehe unter 3.).3.   

3.     Aktualisierungspflichten für den Händler

Für Waren mit digitalen Elementen als auch für digitale Produkte trifft den Verkäufer im B2C-Geschäft in Zukunft zusätzlich eine Aktualisierungspflicht (§§ 475b ff. BGB, § 327f BGB). Die Ware ist danach nur dann mangelfrei, wenn der Verbraucher für den Zeitraum der üblichen Nutzungs- und Verwendungsdauer des Produkts über Aktualisierungen informiert wird und diese bereitgestellt werden. Kommt der Verkäufer dieser Aktualisierungspflicht nicht nach, kann der Verbraucher Gewährleistungsrechte geltend machen.
Unklar ist, wie lange eine solche Aktualisierungspflicht besteht. Dabei kommt es darauf an, was der Vertrag vorgibt. Maßgeblich können zudem Werbeaussagen, die Materialien des Produktes, der Kaufpreis, sowie die übliche Verwendungsdauer sein. So wird z.B. ein Betriebssystem für einen Computer wegen seiner zentralen Bedeutung länger mit Aktualisierungen zu versorgen sein, als die jeweilige Anwendungssoftware. Hinsichtlich des Umfanges der Aktualisierungen sollen schließlich sowohl funktionserhaltende Aktualisierung, aber auch Sicherheitsupdates umfasst sein.
In der Regel wird der Verkäufer nicht der Hersteller des digitalen Elements sein. Hinsichtlich der Aktualisierungspflicht ist dieser demnach auf die Mitwirkung des Herstellers angewiesen. Beide Seiten sollten unbedingt durch entsprechende vertragliche Anpassungen darauf reagieren.

4.     Erleichterter Rücktritt für Verbraucher

Unabhängig von der Art des Produkts wird eine Fristsetzung bei Rücktritt, Minderung und Schadensersatz in vielen Fällen für Verbraucher entbehrlich (§ 475d I Nr. 1-5 BGB). Bereits ab der Mitteilung des Mangels durch den Verbraucher an den Verkäufer wird in Zukunft eine (fiktive) angemessene Frist zu laufen beginnen. Der Käufer hat nach wie vor zunächst nur das Recht, Nacherfüllung (also Reparatur oder Neulieferung) zu verlangen. Der Verkäufer sollte aber die Nacherfüllung innerhalb der angemessenen Frist ab Unterrichtung vom Mangel ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher zügig durchführen, sonst ist der Käufer nach neuem Recht zum Rücktritt oder den sonstigen Gewährleistungsrechten (Minderung oder Schadenersatz) berechtigt. 
Dieser erleichterte Rücktritt gilt nicht im unternehmerischen Geschäftsverkehr (B2B).
  • Beispiel: Ein Kfz-Händler darf bei der Bearbeitung der Reklamation wegen eines überschaubaren Mangels nicht zu viel Zeit benötigen. Sonst läuft er Gefahr, dass er den Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückgabe des gebrauchten Pkw zurückzahlen muss.
Der Kaufpreis ist im Rücktrittsfall schon dann zu erstatten, wenn der Verbraucher den Nachweis über die Rücksendung erbringt, wenn er z.B. einen Einlieferungsbeleg der Post oder eines anderen Transportunternehmens vorlegt. 


5.     Mängelansprüche auch bei Kenntnis des Mangels

Im B2C-Geschäft hat der Verbraucher zukünftig selbst dann Gewährleistungsansprüche, wenn er den Mangel bei Vertragsschluss kennt. Dies hat zur Folge, dass - anders als bisher - zum Beispiel bei B-Ware der Kunde nun „eigens“ von dem Mangel in Kenntnis gesetzt und die Abweichung ausdrücklich und gesondert vereinbart werden muss. Eine negative Beschreibung in den AGB oder Produktbeschreibungen genügt nicht mehr, um Gewährleistungsansprüche wegen dieser Mängel auszuschließen. Im Online-Handel reicht ein vorangekreuztes Kästchen nicht aus, das der Verbraucher deaktivieren kann. Er muss vor Vertragsschluss mit einem Click bestätigen, dass er von dem Mangel Kenntnis genommen hat.

6.     Beweislastumkehr von 6 Monaten auf 1 Jahr verlängert

Eine zentrale Verschärfung des Verbraucherschutzes stellt die Verlängerung der Beweislastumkehr nach Übergabe der Sache von sechs Monaten auf ein Jahr dar. Tritt zukünftig innerhalb eines Jahres ab Übergabe der Sache ein Mangel auf, wird zugunsten des Verbrauchers vermutet, dass dieser Mangel von Anfang an vorlag. Die Vermutung kann zwar, wie bisher, widerlegt werden, wenn der Verkäufer unsachgemäße Behandlung oder Verschleiß nachweisen kann. Die Beweisführung ist aber i.d.R. aufwendig und schwierig.
Besonderheiten gelten bei Waren mit digitalen Inhalten bei denen eine dauerhafte Bereitstellung vereinbart wurde (z.B. Verkauf eines Smartphones mit Betriebssystem und einer Vereinbarung, dass der Verbraucher für 5 Jahre zur Speicherung von Bildern einen Cloud-Speicher auf einem Server zur Verfügung gestellt bekommt). Treten Mängel am Cloud-Speicher während der Dauer der Bereitstellung oder innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren seit Gefahrübergang auf, so wird vermutet, dass die digitalen Elemente während der Dauer der Bereitstellung mangelhaft waren. 

7.     Verlängerung der Verjährungsfristen durch neue Ablaufhemmung

Gewährleistungsansprüche verjähren grundsätzlich nach zwei Jahren ab Übergabe der Sache. Ist der Kunde ein Verbraucher sind zukünftig bei der Verjährung von Mängelansprüchen sogenannte Ablaufhemmungen zu beachten. Bei einem Mangel innerhalb der zweijährigen Verjährungsfrist, tritt die Verjährung nicht vor dem Ablauf von 4 Monaten ein, nachdem sich der Mangel erstmals gezeigt hat. Demnach läuft bei einem Mangel, der sich am letzten Tag der Gewährleistungsfrist zeigt, die Gewährleistungszeit noch vier weitere Monate. Da es für Verkäufer kaum nachweisbar sein wird, wann sich ein Mangel das erste Mal gezeigt hat, empfiehlt es sich in Zukunft von einer faktischen Gewährleistungszeit von 28 Monaten auszugehen. 
Darüber hinaus sieht der Gesetzgeber eine neue Ablaufhemmung von 2 Monaten vor, wenn der Unternehmer während der Verjährungsfrist einem geltend gemachten Mangel durch Nacherfüllung abhilft. Diese Regelung ermöglicht dem Käufer, dass er nach Rückerhalt der Sache prüfen kann, ob die Mängel tatsächlich behoben wurden.

8.     Verjährung von Regressansprüchen in der Lieferkette

Regressansprüche des Unternehmers gegen seinen Lieferanten verjähren weiterhin grundsätzlich in 2 Jahren ab Ablieferung. Damit der Letztverkäufer aufgrund seines Lagerrisikos nicht in eine „Gewährleistungsfalle“ gerät, hat der Verkäufer noch zwei Monate nach Erfüllung der Ansprüche gegenüber seinem Verbraucherkunde Zeit, um diese Rückgriffsansprüche gegen den Lieferanten geltend zu machen. Die bisherige „Fünfjahresregel“ wurde damit gestrichen.

9.     Garantieerklärungen

Erklärungen zu Garantien müssen Verbrauchern künftig auch ohne ein entsprechendes Verlangen auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt werden. Es muss zudem u.a. klargestellt werden, dass die bestehenden gesetzlichen Gewährleistungsrechte unberührt bleiben und die Inanspruchnahme der Garantierechte unentgeltlich ist.
Eine Garantieerklärung muss folgendes enthalten:
  • den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers bei Mängeln,
  • dass die Inanspruchnahme dieser Rechte unentgeltlich ist
  • dass diese Rechte durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, 
  • den Namen und die Anschrift des Garantiegebers, 
  • das vom Verbraucher einzuhaltende Verfahren für die Geltendmachung der Garantie, 
  • die Nennung der Ware, auf die sich die Garantie bezieht, und die Bestimmungen der Garantie, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes.


10.     To-Do‘s für Unternehmer

Händlern und Herstellern wird empfohlen, ihr Produktangebot, ihre Muster-Verträge, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen und ggf. die Garantieerklärungen an die neuen Anforderungen anzupassen. Insbesondere sollten Kaufverträge an den neuen Sachmangelbegriff angepasst werden. Als Verkäufer sollten Sie sich überlegen, ob Sie  Vereinbarungen über die Dauer der Aktualisierungspflicht, Abweichungen des Produktes vom objektiven Standard oder eine Verkürzung der Verjährungsfrist treffen wollen. Dies wird im B2C Geschäftsverkehr nicht durch eine Regelung in den AGB möglich sein.
Wenn Sie selbst nicht der Hersteller der Ware sind, sollten Sie Ihre Verträge mit dem Hersteller/Lieferanten überprüfen, um einen Gleichlauf Ihrer Pflichten gegenüber Ihren Kunden und Ihrer Rechte gegenüber Ihrem Lieferanten herzustellen. Um Haftungslücken wegen Ankäufen nach altem Recht und Verkäufen nach neuem Recht zu vermeiden, besteht hier aktuell akuter Handlungsbedarf!
Optimieren Sie bei der Anzeige von Mängeln die internen Abläufe so, dass eine Nacherfüllung innerhalb einer „angemessenen Frist“ erfolgt. Sonst droht durch den Verbraucher der Rücktritt vom Vertrag.
Diese Maßnahmen sollten bis zum Inkrafttreten des neuen Kaufrechts am 1. Januar 2022 umgesetzt werden, um etwaige Rechtsnachteile zu vermeiden. Altverträge werden aber vorwiegend noch nach dem bisher geltenden Recht behandelt, auch wenn der Mangel in 2022 oder später auftritt.
Nachteilige Abweichungen von den Richtlinien gegenüber Verbrauchern sind unzulässig und halten einer AGB-Kontrolle nicht stand. In diesen Fällen besteht die Gefahr von kostenpflichtigen Abmahnungen.
Eine Checkliste für Händler im B2C-Geschäft finden Sie hier  und in der DIHK Broschüre „Kaufrecht für den Handel – Neue Regeln zum 01.01.2022“, die Sie im DIHK-Shop für 18,90 Euro (inkl. MwSt.) erwerben können.

Stand: 10. Januar 2022