"Es fehlt an Zutrauen und Zuversicht"

Nachfolgeprozesse gestalten sich immer schwieriger. Die IHK hat dazu eine Umfrage unter ihren Mitgliedern gestartet. IHK-Präsident Manfred Schnabel ordnet die Ergebnisse ein.
Rund ein Viertel der Unternehmerinnen und Unternehmer plant statt einer Übergabe die Schließung ihres Unternehmens. Von denen, die ihr Unternehmen weitergeben möchten, wünscht sich ein Drittel eine Nachfolge innerhalb der Familie, 26 Prozent den Verkauf an ein anderes Unternehmen und 19 Prozent an eine externe Person. Das sind zentrale Ergebnisse unser Umfrage IHK-Mitgliedern. Diese Befunde decken sich mit der Situation bundesweit. So liegt laut DIHK-Unternehmensreport 2023 das Verhältnis Übergeber zu Übernehmer im Durchschnitt bei 3,4 zu 1. Das heißt, dass viele Schließungen erfolgen, weil kein Nachfolger zu finden ist. So nennen auch in der Region 36 Prozent als Hemmnis bei der Übergabe, einen geeigneten Nachfolger zu finden.
Als größtes Hemmnis für die Unternehmensnachfolge indes wird die aktuelle gesamtwirtschaftliche Situation genannt (42 Prozent). Auch die Politik erschwert aus Sicht der Unternehmer die Übergabe: So führen 30 Prozent „Bürokratie, Regulierung und behördliche Auflagen“ als Hürde an. In mangelndem Interesse an Selbstständigkeit und Unternehmertum erkennen 21 Prozent ein Hemmnis.
Die Aufmerksamkeit von Politik und Öffentlichkeit liegt häufig einseitig bei Start-ups oder bei Großunternehmen. Dabei geht der Blick für die Unternehmen in der Breite verloren. Beispiel: die sehr hohen staatlichen Subventionen für Investitionen einzelner Unternehmen in politische definierte Schlüsselbranchen. Gleichzeitig aber werden Unternehmen geschlossen oder verkauft bzw. es wird Wertschöpfung in andere Länder verlagert. Aktueller Fall für eine großflächige Verlagerung ist der Haushaltgerätehersteller Miele. 
Doch Schließung, Verkauf oder Verlagerung haben immer auch gesellschaftliche Effekte. Familiengeführte Unternehmen erfüllen wichtige Funktionen im sozialen Gefüge. Sie engagieren sich lokal und zeichnen sich zumeist durch eine starke Bindung an ihre Mitarbeiter sowie den Heimatstandort aus. Mit jedem Verkauf an einen Konzern oder jeder Schließung eines familiengeführten Unternehmens geht so ein Stück unserer einzigartigen mitteständisch geprägten Wirtschafts- und Sozialstruktur verloren.
Ich appelliere daher an die Politik, durch konsequentes Handeln die Rahmenbedingungen für Unternehmertum, Innovationen und Investitionen wieder zu verbessern. Die aktuelle konjunkturelle Delle ist weniger das Problem als vielmehr die Vielzahl struktureller Mängel und Probleme des Standorts: Wir fordern einen Abbau von Regulatorik, eine Unternehmenssteuerreform sowie eine Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, die Anreize für die Arbeitsaufnahme setzt und die die Sozialabgaben nicht weiter steigen lässt.
Die Kombination aus schlechten Rahmenbedingungen auf der einen und geringer Wertschätzung für Unternehmertum auf der anderen Seite hat sich zu einer gefährlichen Melange entwickelt, die Nachfolgeprozesse belastet. Den Unternehmern und vielen potenziellen Übergebern fehlt es an Zutrauen und Zuversicht. Doch ohne klare Zukunftsperspektiven zögern Übergeber mit der Nachfolge in der Familie; potenzielle Übernehmer überlegen es sich drei Mal, ob sie das Risiko der Selbstständigkeit eingehen sollen.
Mannheim, 27. Februar 2024