“Recht auf Reparatur stößt in der Praxis an Grenzen”

Die IHK-Vollversammlung hat intensiv die Antworten der Politik auf unsere vielfältigen Herausforderungen und Krisen diskutiert. Einigkeit herrschte in der Einschätzung, dass es der Politik oft am Praxisbezug fehle. IHK-Präsident Manfred Schnabel:
Im Mittelpunkt unserer Vollversammlung am 29. März in Mannheim standen die großen langfristigen Herausforderungen der Wirtschaft. Dekarbonisierung und Digitalisierung sind die großen Megatrends. Unternehmen sind aktive Treiber dieser Entwicklung und stehen vielfach an der Spitze. Dem demografischen Wandel müssen sich die Unternehmen stellen. Vor allem ist es aber der Staat, der das Rentensystem so flexibilisieren muss, dass es zukunftsfähig wird und dafür sorgen muss, dass die Quote der Erwerbstätigen deutlich steigt. Deindustrialisierung und Deglobalisierung indes sind Entwicklungen, die unser Geschäftsmodell ernsthaft bedrohen. Hier erleben wir eine Zweiteilung. Während es einigen Unternehmen gelingt, sich durch Kostenverlagerung ins Ausland recht gut mit der Preisentwicklung zu arrangieren, leiden vor allem kleine und mittlere Unternehmen, die Wertschöpfung oder auch nur Teile davon nicht einfach verlagern können und die außerdem nicht die Marktmacht haben, gestiegene Preise an ihre Kunden weiterzugeben.
Im Bereich der ökologischen Transformation brauchen wir eine effektive und effiziente Regulatorik an. Der Politik gelingt es oft nicht, das Wünschenswerte in einen sinnhaften Regelungsrahmen zu überführen. Beispiel: das geplante verlängerte Recht auf Reparatur. Zwar ist die Absicht des Gesetzgebers richtig, die Materialeffizienz zu steigern und eine Kreislaufwirtschaft zu etablieren. Und einige Punkte wie die geforderte Reparaturfreundlichkeit von Geräten sind auch richtig adressiert. Doch es gibt Grenzen und Beschränkungen, die die Umsetzung für viele Unternehmen sehr schwer machen dürfte. Viele technische Produkte sind nach einigen Jahren schlichtweg überholt. In diesen Fällen erscheint eine Reparatur weder sinnvoll, noch wird sie vom Kunden gewünscht sein. Noch gravierender sind die hohen Kosten, da Reparaturen sehr personalintensiv sind. Zum einen fehlen Fachkräfte, zum anderen schlagen hier die Lohnneben- und Lohnzusatzkosten inklusive der finalen Mehrwertsteuer zu. Hier müsste die Politik ansetzen, um die Reparaturquote deutlich zu erhöhen. 
In der Aussprache äußerten Vollversammlungsmitglieder die Sorge, dass die Politik die kurz-, mittel- und langfristigen Herausforderungen für die Unternehmen unterschätze. „Die gesicherte Gasversorgung im Winter und das Miniwachstum hat in Teilen der Politik zur Annahme geführt, jetzt würde das Wachstum gleich wieder anspringen“, warnte ein VV-Mitglied, das vor allem auf die Inflation und die daraus folgenden Probleme einging. In diesem Zusammenhang wurde auch vor Zweitrundeneffekte gewarnt, sollte die Gehaltsentwicklung die Inflation zusätzlich befeuern. „Selbst lange sicher geglaubte Funktionen wie die Entwicklung stehen mittlerweile unter starkem Wettbewerbsdruck, da gerade die asiatischen Länder hier von den Kompetenzen stark aufholen, aber bei den Lohnkosten noch deutlich darunterliegen“, mahnte der Vertreter eines Industrieunternehmens.
Die Inflation hat in Folge der Reaktion der Zentralbanken auch zu höheren Zinsen geführt, was Investitionen erschwert. Diese Entwicklung bestätigten sowohl Unternehmens- als auch Bankenvertreter, abzulesen an gestutzten Investitionsplänen der Unternehmen und am Einbruch beim Bau. „Der starke Liquiditätsentzug lässt eigentlich eine Rezession erwarten“, sagte eine Vollversammlungsmitglied aus dem Finanzwesen. Gleichzeitig herrschte Einigkeit, dass Europa nicht vor einer Finanzkrise stehe. Gründe hierfür seien die schärfere Regulatorik und die bessere Aufsicht, aber auch unser dreigliedriges Bankensystem.
Ich bedanke mich bei allen Mitgliedern für den konstruktiven, vertrauensvollen und ergebnisreichen Austausch! Das hat Spaß gemacht!
 
Mannheim, 30. März 2023