IHK-Kaufkraftanalyse 2022

Kaufkraft steigt stärker als Umsatz vor Ort

Mannheim, 4. August 2022. Für das Jahr 2022 prognostiziert die Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar für die Region insgesamt eine weiterhin überdurchschnittlich hohe Kaufkraftbindung.
In Zahlen: Die Einwohner geben mehr als 80 Prozent der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft in Geschäften vor Ort aus. Der Blick auf die einzelnen Kommunen indes zeigt starke Unterschiede und keine einheitliche Tendenz. “Es hängt vom einzelnen Standort ab, ob sich der Einzelhandel vor Ort gut oder schlecht entwickelt. Zentrale Faktoren sind die gute Erreichbarkeit sowie eine handelsfreundliche Kommunalpolitik”, sagt IHK-Präsident Manfred Schnabel. Er mahnt daher Politik und Verwaltung, die Standorte zu pflegen. “Anders als vielfach behauptet, ist der stationäre Einzelhandel prinzipiell vital und zukunftsfähig aufgestellt. Nur jeder siebte Euro wird online ausgegeben. Das Gros der Umsätze machen die Geschäfte vor Ort.” Mit Blick auf den Herbst fordert der IHK-Präsident, dass sich die Fehler der Corona-Politik nicht wiederholen dürfen. “Der Handel war und ist kein Infektionstreiber. Einen weiteren Lockdown darf es daher nicht geben”, fordert Schnabel.
Insgesamt dürfte die allgemeine Kaufkraft in der Region moderat steigen. Doch davon werden die Einzelhändler voraussichtlich nicht profitieren. Die Geschäfte vor Ort können nur mit leichten Umsatzsteigerungen bei rasant steigenden Kosten rechnen. “Der erhoffte Sektkorkeneffekt nach Ende der allermeisten Corona-Auflagen ist ausgeblieben. Durch den Russland-Ukraine-Krieg ist das Konsumklima eingebrochen und Preissteigerungen können nur zum Teil an die Kunden weitergegeben werden”, bewertet IHK-Präsident Manfred Schnabel zentrale Ergebnisse der IHK-Kaufkraftanalyse sowie die aktuelle Situation im Handel. 
Die zum achten Mal erstellte IHK-Kaufkraftanalyse prognostiziert die Kaufkraftkennzahlen für alle 18 Ober-, Mittel- und Unterzentren sowie für die weiteren 65 Städte und Gemeinden in der Region Rhein-Neckar im laufenden Jahr. Die Analyse arbeitet mit nominalen Preisen, nicht mit realen. Inflationseffekte sind daher unberücksichtigt. 
Die Kaufkraftbindung dürfte in mehr als der Hälfte der 18 zentralen Orte der Region sinken. Das heißt, dass weniger der vor Ort vorhandenen Kaufkraft auch lokal ausgegeben wird. Absolut liegt die Differenz zwischen vor Ort getätigten Umsätzen (7,3 Milliarden Euro) und dem Geld, was dafür eigentlich zur Verfügung stünde (einzelhandelsrelevante Kaufkraft: 8,6 Milliarden Euro) bei 1,3 Milliarden Euro. Dies entspricht einem Anteil von 15 Prozent, der an andere Standorte oder den Online-Handel abfließt. Verglichen mit den Werten für Deutschland (18 Prozent) und Baden-Württemberg (21 Prozent) ist dieser Anteil verhältnismäßig gering. Das verdeutlicht die Attraktivität des regionalen Einzelhandels, mit Mannheim und Heidelberg als größte Umsatzbringer. Die beiden Oberzentren erwirtschaften über 50 Prozent des stationären Einzelhandelsumsatzes in der Region. Mit Blick in die Zukunft stimmt es jedoch bedenklich, dass die beiden größten Städte im IHK-Bezirk mit sinkenden Kaufkraftbindungsquoten zu kämpfen haben. 
Insgesamt beläuft sich der Einzelhandelsumsatz auf voraussichtlich 7,3 Milliarden Euro, in Mannheim auf 2,6 Milliarden Euro. “Derzeit fließt mehr als jeder dritte Euro, der in der Region im Handel ausgegeben wird, in Mannheimer Geschäfte. Die Entwicklung ist jedoch rückläufig. Verwaltung und Politik vor Ort sind gefragt, zusammen mit den Unternehmen dafür zu sorgen, dass Mannheim weiterhin für Kunden attraktiv bleibt”, sagt der IHK-Präsident mit Blick auf die nachlassende Bedeutung Mannheims als zentraler Handelsstandort der Region. In der Quadratestadt sinkt die Kaufkraftbindungsquote von 118 Prozent auf 115 Prozent. Im Ranking der umsatzstärksten Postleitzahlbezirke bundesweit liegt die Mannheimer Einkaufsmeile mit der Postleitzahl 68161 noch auf einem bemerkenswerten Rang 11 von 8.170. „Bei allen Unsicherheiten bleibt Mannheim ein wichtiger Handelsstandort, der überregional Kaufkraft bindet. Umso wichtiger ist es nun, die Unternehmen in der Innenstadt nicht weiter zu belasten“, so Schnabel. Denn ein Blick auf die Innenstadt, Postleitzahlgebiet 68161, zeigt einen um 24,5 Prozent gesunkenen Einzelhandelsumsatz und eine um 28 Prozent gesunkene Kaufkraftbindungsquote an. “Hier muss die Politik dringend gegensteuern und insbesondere für eine bessere Erreichbarkeit sorgen”, mahnt der IHK-Präsident.
In Heidelberg bleibt es dabei, dass mehr Kaufkraft der eigenen Bevölkerung abfließt, als Kaufkraft von außerhalb am Standort gebunden wird. Die Kaufkraftbindungsquote verharrt mit 96 Prozent das zweite Jahr in Folge unter 100 Prozent und kann damit rechnerisch nicht die Kaufkraft der eigenen Bevölkerung vor Ort binden. “Verwaltung, Politik und Unternehmen in Heidelberg sollten in den kommenden Jahren gemeinsam die Trendwende schaffen und wieder mehr Kaufkraft in den stationären Einzelhandel leiten”, so Schnabel. Die Stadt am Neckar hat mit 1,2 Milliarden Euro einen Anteil von über 15 Prozent am erwarteten Umsatz im stationären Einzelhandel des IHK-Bezirks. Im Vergleich aller deutschen Städte mit 100.000 bis 200.000 Einwohnern bedeutet ein solcher Gesamtumsatz einen Platz nahe an den Top 10 (Rang 13 von 40).
Kaufkraftzahlen beziehen sich auf die Gesamtsituation in den jeweiligen Gebieten über alle Teilbranchen des Handels. Einkaufszentren und Fachmarktzentren am Stadtrand mit guter Erreichbarkeit oder neue bzw. expandierende Lebensmittelmärkte können ebenso für steigende Umsatzkennzahlen sorgen wie für gut frequentierte Innenstädte. “Dies wird zum Beispiel in Schwetzingen, Walldorf und Hockenheim deutlich. Alle Städte haben eine Kaufkraftbindungsquote von deutlich über 100 Prozent und profitieren von umsatzstarken Angeboten im Bereich Möbel, Heimwerken und Sport in Gewerbegebieten außerhalb des Stadtkerns”, erklärt Schnabel.
Unter den analysierten Ober-, Mittel- und Unterzentren weist Ladenburg erstmals seit Beginn der IHK-Veröffentlichungen den Top-Wert der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft pro Kopf auf. In der Römerstadt haben die Menschen mit 7.963 Euro durchschnittlich einen Euro mehr zum Einkaufen zur Verfügung als am bisherigen Spitzenstandort Weinheim.
Der Anteil an der allgemeinen Kaufkraft (30,2 Milliarden Euro), die dem Einzelhandel im Bezirk der IHK Rhein-Neckar rein rechnerisch sowohl stationär als auch online zur Verfügung steht, liegt mit 7,3 Milliarden Euro bei 28 Prozent. Pro Kopf bedeutet das eine einzelhandelsrelevante Kaufkraft von 7.339 Euro. Verglichen mit der letztjährigen Kaufkraftanalyse sind das pro Einwohner fast 500 Euro mehr. 
Ein Blick auf das verfügbare Einkommen der Bevölkerung des IHK-Bezirks verrät, dass mit einem Wachstum von 5,5 Prozent die bisher höchste Zunahme der allgemeinen Kaufkraft innerhalb eines Jahres in der Region prognostiziert wird. Gleiches ist sowohl auf Bundes- (5 Prozent), als auch auf Landesebene (5,5 Prozent) zu erkennen.