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Kandidaten-Duell: Von Mausefallen und Streuobstwiesen

Auf Einladung der IHK diskutierten Prof. Dr. Eckard Würzner und sein Herausforderin Theresia Bauer, was sie als Oberbürgermeister bewegen wollen.
Stotz Kontakt ist ein Traditionsunternehmen – und hochinnovativ: Die Wurzeln reichen ins Jahr 1891 zurück. Angeblich war “Moyé und Stotz, elektr. Installationen”, so der damalige Name, die erste Firma in Deutschland, deren Namenszug als Leuchtreklame in Wanderbuchstaben an der Firmenfassade prangte. Vorreiter ist das heute zum ABB-Konzern gehörende Heidelberger Unternehmen immer noch. Die Produktion von elektrischer Ausrüstung und Automatisierungstechnik ist vollautomatisiert und ein Beispiel für Industrie 4.0. Mit dieser Verbindung von Tradition und Innovation passt der Betrieb gut zu Heidelberg und war ein hervorragender Gastgeber für eine IHK-Veranstaltung zur Oberbürgermeisterwahl. Kurz vor dem zweiten Wahlgang am 27. November standen Amtsinhaber Prof. Dr. Eckard Würzner und seine Herausforderin Theresia Bauer rund 50 Unternehmerinnen und Unternehmern Rede und Antwort. 
In seiner Begrüßung erklärte IHK-Präsident Manfred Schnabel, weshalb man bewusst einen Termin nach dem ersten Wahlgang gewählt hatte. Da waren neun Kandidaten angetreten. “Themen, die uns Wirtschaft beschäftigen, sind oft sehr komplex. Es wäre schwierig geworden, mit neun Bewerbern die notwendige Tiefe zu erreichen.” Heidelberg, so der IHK-Präsident, biete Unternehmen einzigartige Standortfaktoren: “So etwas gibt es in der gesamten Region nicht. Dies ist Vorteil und Verantwortung zugleich.”
Das Moderatoren-Duo Astrid Jacobi von Radio Regenbogen und IHK-Geschäftsführer Andreas Kempff fühlten den beiden Kandidaten entsprechend intensiv auf den Zahn – in den Themenfeldern “Energie- und Klimapolitik”, Einzelhandel und Stadtentwicklung, Gewerbeflächen, Innovation und Unternehmensgründung sowie kommunale Finanzen. Zum Start konnten Würzner und Bauer dabei ihre Visionen für Heidelberg im Jahre 2030 skizzieren. Bei der grünen Herausforderin stand diese Vision unter der Überschrift “besseres Klima”. “Die Dekarbonisierung wird bis dahin weitestgehend umgesetzt sein.” Aber sie versprach auch ein besseres soziales Klima und ein besseres Miteinander der verschiedenen Akteure und Gruppen in der Stadt.
Der parteilose Amtsinhaber verwies auf seine Rolle als Familienvater und nannte ebenfalls das soziale Miteinander, aber auch “gute Perspektiven für junge Menschen” als Ziel. Klimaschutz sei für Würzner dabei „gerade unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ein entscheidender Faktor“. Der Green Deal könne “Motor für Jobs und wirtschaftliche Perspektiven” sein. Als wichtigsten Punkt nannte er jedoch etwas anderes: “Wer führt die Transformation durch? Wer finanziert das Ganze? Unternehmen! Daher ist Unternehmensförderung Kernelemente meiner Politik.”
Die größten Unterschiede zwischen den beiden Politikern zeigten sich bei den Themen Innenstadt, Verkehr und Flächen. Bauer nannte eine “Wende in der Innenstadt notwendig” und begründetet dies damit, dass die vielen Leerstände nicht erst seit der Pandemie ein Problem seien, sondern vor allem auf den Strukturwandel im Einzelhandel zurückzuführen seien. Ein Zurück zum alten Zustand gebe es nicht. Konsequenz: “Wir brauchen zukünftig weniger Fläche” aufgrund dieses “Transformationsprozesses”.
Würzner hingegen verwies auf seine langjährige Politik, keinen großflächigen Einzelhandel ermöglicht zu haben. „Dabei bleibt es. Die Geschäfte im Bestand brauchen eine Perspektive und Diversifizierung. Wir müssen diese kleinen Geschäfte halten.“ Dank der engen Betreuung durch die Wirtschaftsförderung wisse man frühzeitig um sich abzeichnenden Leerstand und könne frühzeitig geeignete Nachmieter suchen. “Das ist bisher gut gelungen!”, so Würzner, der betonte, dass Heidelberg als Oberzentrum auch mit dem motorisierten Individualverkehr weiter erreichbar bleiben müsse. “Sonst weichen Kunden aus”, mahnt er.
Bauer legte hier den Schwerpunkt eher auf die Alternativen zum privaten PKW, auch wenn sie betonte, es gehe hier nicht um schwarz oder weiß, sondern um die richtige Dosierung. “Es kann aber nicht alles so bleiben, wie es ist. Wer in der Lage ist umzusteigen, braucht attraktive Angebote”, forderte sie.
Diese unterschiedliche Gewichtung zeigte sich auch beim Thema Neuenheimer Feld. Dort werden sich die Nutzflächen in der Gesundheitswirtschaft und Forschung in wenigen Jahren verdoppeln. Während Bauer darauf vertraute, dass sich aufgrund der Trends zu Homeoffice und zu Alternativen zum Pkw die Verkehrssituation entschärfen werde, prophezeite Würzner dem Stadtteil ein “ernsthaftes Problem”. Der bestehende Straßenraum könne kaum mehr neue Kapazitäten aufnehmen. Eine Entlastung Richtung Westen, sprich eine zusätzlich Neckarbrücke, habe der Gemeinderat indes abgelehnt. “Nicht mal für eine ÖPNV- und Radbrücke fand sich eine Mehrheit”, kritisierte der Oberbürgermeister. Angesichts dieser Verkehrssituation bezeichnete er das Neuenheimer Feld auch als “Mausefalle”.
Prof. Dr. Eckard Würzner, Oberbürgermeister Heidelberg:
Die paar vorhandenen Flächen, über die wir in Heidelberg noch verfügen können, müssen wir auch nutzen.
Am deutlichsten indes zeigten sich die Unterschiede beim Thema Flächen. Es gebe eine “harte Flächenkonkurrenz”, so Bauer. “Wo wir versiegeln, müssen wir an anderer Stelle entsiegeln, damit wir bei der Biodiversität nicht weiter in die Defensive geraten.” Die Stadt müsse daher “strategische Präferenzen formulieren, die auf die Stärken des Standorts einzahlen”. Flächen sollten so vorrangig an Unternehmen aus wissensintensiven Bereichen wie Digitalisierung und Gesundheitswirtschaft vergeben werden. Und entscheidend: “Vorsichtig wäre ich bei den Flächen, die irgendwann vor Jahrzehnten mal ausgewiesen wurden”, sagte sie mit Anspielung auf eine rund 18.000 Quadratmeter große Fläche am S-Bahnhof Pfaffengrund-Wieblingen, die im Flächennutzungsplan für gewerbliche Zwecke eingeplant ist, auf der sich mittlerweile aber eine Streuobstwiese entwickelt hat. Solche Flächen wolle sie nicht in die Entwicklung geben.
Konträr dazu Würzner: “Die paar vorhandenen Flächen, über die wir noch verfügen können, müssen wir auch nutzen.” Er kündigte daher an, mit den Umweltverbänden ein “Commitment” zu suchen. Alle im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Flächen sollten auch entwickelt werden können. Eines seiner Argumente: Der Flächennutzungsplan sei ”ja bereits ein Kompromiss”. Daran müssten sich die Verbände orientieren.
Ob Prof. Dr. Eckard Würzner diese Verständigung mit den Umweltverbänden gelingt und wie er seine anderen Ziele umsetzt, kann er nun in den kommenden acht Jahren zeigen. Die demokratische Legitimation dafür hat er.