Bauleitplanverfahren: Wie nah ist zu nah?

In Binau hat ein Betrieb Ärger aufgrund einer heranrückenden Wohnbebauung. Die IHK setzt sich für das Unternehmen ein.
Im Jahr 1960 wurde das Unternehmen Rubin-Matten in der Straße „Am Dachsbau“ in Binau gegründet. Damals waren rund um die Produktionshalle Äcker und ein Landschaftsschutzgebiet. Jetzt plant die Gemeinde dort das Neubaugebiet „Bodenfeld“. Die heranrückende Wohnbebauung und der Umgang mit ihrem Unternehmen während des Bauleitplanverfahrens sind für Geschäftsführerin Nicola Grimm-Rudolf ein Problem.
Rund zweieinhalb Meter - so viel Platz soll laut der Geschäftsführung von Rubin-Matten künftig zwischen dem Betriebsgrundstück und dem nächsten Wohnhaus sein. Viel zu wenig findet Nicola Grimm-Rudolf. Denn: Bei dem Unternehmen, das Fußmatten und Sitzbezüge für Autos produziert, wird auch außerhalb üblicher Geschäftszeiten gearbeitet. „Je nach Auftragslage produzieren wir bis Mitternacht. Der Ärger mit den künftigen Anwohnern scheint mir vorprogrammiert“, vermutet die Geschäftsführerin.
Seit mehreren Jahren schwelt das Problem in der 1.400 Einwohner-Gemeinde im Neckar-Odenwald-Kreis. Aufgrund gestiegenem Wohnbedarf und Bauland-Nachfrage sollten die ans Betriebsgelände angrenzenden Grundstücke als Wohngebiet ausgewiesen werden. Im Februar 2023 wurde ein sogenanntes Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren gestartet, auch die IHK wurde um eine entsprechende Stellungnahme zur Bauleitplanung gebeten. IHK-Experte André Trendl bewertete den Bebauungsplan als „kritisch“. Und er betonte im Verfahren ausdrücklich, dass ein unmittelbares Heranrücken von Wohnbebauung an wirtschaftlich intensiv genutzte Bereiche zu vermeiden ist. Auch das Unternehmen selbst hat mit Unterstützung eines Anwalts eine Stellungnahme abgegeben, in der auch noch einmal auf die entsprechende Lärmentwicklung hingewiesen wird.
Bürgermeister Dominik Kircher sieht die Lage weniger kritisch: „Der Unternehmenssitz befindet sich auf einem sogenannten Mischgebiet und auf der gegenüberliegenden Seite gibt es bereits Wohnbebauung. Die derzeitigen Planungen sehen zudem vor, dass ein Fußweg das Gelände und das Neubaugebiet trennen.“ Dieser gehe jedoch nicht über die gesamte Länge der Produktionshalle, bemängelt Nicola Grimm-Rudolf. Ihre Idee, Grundstücke zuzukaufen, um den Abstand zu vergrößern, wurde von der Gemeinde abgelehnt. „Wir mussten sicherstellen, dass die künftigen Baugrundstücke auch noch eine angemessene Größe haben“, so Bürgermeister Kircher.
Derzeit warten Bürgermeister und Verwaltung auf die Auswertung eines Schallgutachtens, dessen Fehlen auch die IHK in ihrem Gutachten bemängelt hat. Dieses soll zeigen, wie hoch die Lärmbelastung für das künftige Wohngebiet sein wird. Die gesetzlichen Grenzwerte liegen derzeit bei einem Mischgebiet tagsüber bei 60 und nachts bei 45 Dezibel. In einem Wohngebiet sind es 55 bzw. 40 Dezibel.
Nicola Grimm-Rudolf ist das zu wenig. Sie bemängelt vor allem die nicht vorhandene Kommunikation zwischen ihrem Unternehmen und dem Rathaus. “Es wurde sogar auf der Gemeinde-Homepage behauptet, wir würden planen, den Betrieb in absehbarer Zeit aufzugeben. Das ist geschäftsschädigend, wir haben keinerlei Pläne diesbezüglich. Unsere Auftragslage ist gut. Wir möchten weiterarbeiten. Der Text wurde erst nach einem Ultimatum unsererseits entfernt. Eine Entschuldigung gab es nie. Auch das Mikrofon für das Schallgutachten wurde ohne Ankündigung oder vorheriges Gespräch einfach aufgestellt”, erzählt die Unternehmerin. Rubin-Matten ist laut eigenen Angaben eines der ältesten in Binau und wurde von den Großeltern von Nicola Rudolf-Grimm gegründet. Sie selbst übernahm 1999 die Geschäftsleitung.
Bürgermeister Dominik Kircher möchte das Thema nun in der nächsten Gemeinderatssitzung erneut behandeln und nach Eintreffen des Schallgutachtens Kontakt mit der Unternehmerfamilie aufnehmen.

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