Resilienz: Bei der Innovativität mehr PS auf die Straße bringen

Wie gut steht es um die Widerstandskraft der Metropolregion Rhein-Neckar? Eine Studie zeigt den Status quo und den Handlungsbedarf, den größten im Innovationssystem.

Worum geht es in der Resilienzstudie?

Die Studie von IW Consult im Auftrag der IHK MRN zeigt, wie resilient, also wie widerstandsfähig die Metropolregion Rhein-Neckar ist. Denn die Megatrends Digitalisierung, Dekarbonisierung, Deglobalisierung und der demografische Wandel sind eine enorme Herausforderung für die Wirtschaft und damit auch für die Gesellschaft. Die Ergebnisse zeigen, wo wir gut sind und wo Handlungsbedarf besteht.

Was meint Resilienz genau?

Resilienz definiert die Studie als Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen und als die Fähigkeit, dynamisch mit strukturellen Herausforderungen umzugehen. Diese Herausforderungen, die oben genannten vier Megatrends, sind in der Studie auch berücksichtigt.

Wie geht die Studie vor?

Die Studie hat Resilienz in 14 Einzel-Indikatoren gemessen, zusammengefasst in drei Dimensionen untergliedert: Stabilität, Diversität und Innovativität. Vergleichsmaßstab je Indikator ist jeweils die beste deutsche Metropolregion, der "Klassenbeste" wenn man so will. Bei der Studie handelt es sich also um einen sehr anspruchsvollen Benchmark.

Was sind die wichtigsten Ergebnisse?

Im Vergleich zu den anderen deutschen Metropolregionen schneidet unsere Region in den Dimensionen Stabilität und Diversität solide ab. Nachholbedarf indes gibt es bei der Innovativität. Zwar gibt es in der Region sehr viele Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Aus den dort gefundenen Erkenntnissen indes werden zu selten Innovationen, also Dienstleistungen und Produkte, die am Markt Erfolg haben.

Was folgt daraus?

Zum einen zeigt die Studie, dass wir uns zu Recht zu den wettbewerbsfähigsten und wirtschaftsstärksten Regionen Deutschlands und Europas zählen können. Das darf aber kein Ruhekissen sein, da die Studie ebenso Handlungsbedarf aufzeigt. Bei wissens- und forschungsintensiven Dienstleistungen und Produkten müssen wir besser werden.

Warum haben wir bei Stabilität gute Noten?

Die Studie bestätigt uns in der Dimension Stabilität gute Werte. Schaut man sich die Einzel-Indikatoren an, zählt dazu die gute Verkehrsinfrastruktur. Hinzu kommt ein flächendeckender Zugang zu Hochschulen und kurze Wege zwischen den Schlüsselakteuren Wirtschaft, Wissenschaft, Verbände und Politik. Allerdings gibt es auch in dieser Dimension Indikatoren, bei denen wir nicht so stark sind: Auf der Negativseite stehen zum Beispiel ein deutliches Leistungsgefälle zwischen den MRN-Teilregionen und eine teils hohe kommunale Verschuldung.

Warum haben wir bei Diversität gute Noten?

Die Unternehmenslandschaft in der MRN zeigt eine sehr ausgewogene Größendiversität, also eine gute Mischung aus großen, mittleren und kleinen Unternehmen. Das ist eine große Stärke! Weniger ausgeprägt indes zeigt sich die Branchendiversität, was auf eine gewisse Schwäche hinweist. Besonders linksrheinisch dominieren die Branchen Chemie und Automotive.

Bei der Innovativität schneidet die Region nicht so gut ab. Warum?

Bei der Innovativität eröffnet sich das größte Verbesserungspotenzial. Zwar gibt es im Vergleich mit der besten Metropolregion verhältnismäßig viele FuE-Beschäftigte und wissenschaftliche MINT-Institute. Doch lassen sich diese Stärken nicht in ebenso deutliche Innovativitätsvorteile übersetzen. Oder anders formuliert: Wir leisten uns sehr viel Innovationsinput, dem steht aber kein entsprechender Output in Form von Innovationen gegenüber.

Aber in Heidelberg finden sich weltweite renommierte Forschungseinrichtungen und eine erstklassige Universität?

Es ist kein Widerspruch zu der Studie, dass wir in der Region sehr starke Hochschulen und Forschungseinrichtungen haben und gleichzeitig bei der Innovativität nur mäßig abschneiden. Die weltweit herausragende Bedeutung des Wissenschaftsstandortes Heidelberg in der Grundlagenforschung kommt in den Unternehmen der Region zu wenig zum Tragen. Man muss eben unterscheiden zwischen Invention und Innovation: Invention ist die wissenschaftliche Erkenntnis oder Erfindung. Innovation dagegen ein daraus resultierendes, am Markt erfolgreiches Produkt. Diese Übersetzung braucht es: Inventionen, die wir hier schöpfen, müssen häufiger zu Innovationen werden.

Was sollte laut Studie getan werden, um die Innovatitivät zu verbessern?

Die Studie hat insgesamt acht Handlungsfelder identifiziert, in denen Maßnahmen die Resilienz erhöhen könnten. Bei der Innovatitivtät: Die Steuerung des regionalen Innovationssystems muss optimiert werden, so die Studienautoren. Hier gilt es einen Raum zu schaffen, in dem Wissen generiert werden und Ideen gedeihen können mit dem Ziel, daraus Geschäftsmodelle und Produkte zu entwickeln. Konkrete Maßnahmen könnten etwa "Fast-Track-Genehmigungen" für Technologieunternehmen, die Schaffung von Reallaboren oder eines Innovationsfonds sein, der von der MRN initiiert werden und private Mittel aus der Zivilgesellschaft oder von privaten Investoren akquirieren könnte.

Und bei der Stabilität?

Für den Indikator Stabilität zählen zu den Maßnahmen unter anderem Erhaltung und Ausbau der Infrastruktur - also Verkehrsinfrastruktur, digitale Infrastruktur und Energienetze –, außerdem die MINT-Bildung und das Image der MRN. Konkret könnten zum Beispiel die 5G-Versorgung verbessert und vermehrt interkommunale Gewerbegebiete ausgewiesen werden. Internationale Fachkräfte könnten mit innovativen Angeboten wie Schnupperjahren und Verwaltungsvereinfachungen wie zentralen Verfahren zur Fachkräfteeinwanderung angezogen werden.

Und bei der Diversität?

Um unsere Wirtschaftsstruktur diverser zu machen, sollten wir Unternehmen aus attraktiven Zukunftsbranchen gezielt ansiedeln und Zukunftstechnologien etablieren. So bilden die Kliniken in der Region beispielsweise einen guten Nährboden für die Entwicklung von Unternehmen aus der Medizintechnik. Zudem sollte die MRN verstärkt mit den umliegenden High-Tech-Standorten Darmstadt, Karlsruhe und Kaiserslautern kooperieren. Wichtig aber auch: Um bei der Branchendiversität voranzukommen, bedarf es einer Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Wirtschaft insgesamt. Denn wir dürfen niemals den Blick nur auf einzelne Branchen verengen.

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