So lade ich meinen Akku auf
Nicoletta Hilger begleitet als Systemische Paar- und Sexualtherapeutin Menschen in Krisen. Hier erzählt die Heidelbergerin, wann sie sich hängen lässt, um Halt zu finden.
Ich habe zwei Wege, um meinen Akku aufzuladen: Mein Job ist sehr sinnstiftend. Ich achte in jeder Sitzung auf mich. Während ich beruhigend auf das Nervensystem meiner Klienten einwirke – durch meine Körpersprache, meine innere Haltung und meine Sprache – reguliere ich mich gleichzeitig selbst und bin so im Kontakt mit mir. Zweitens lade ich neben der Arbeit meinen Akku auf, indem ich viele Routinen habe, die mir Halt geben: Ich spüre mich in diesen Momenten bewusst. Beispielsweise wenn ich morgens Sport treibe und in der Sauna bin, wenn ich durch die Natur in die Praxis laufe oder wenn ich die Ruhe genieße – das kann auch inmitten von Menschen sein, die ich sehr gut kenne. Denn für mich ist Schweigen können eine große Kompetenz.
Was ich auch sehr gerne mache: Einen Platz für meine Hängematte suchen, mich hineinlegen und in den Himmel schauen – das ist meine Entspannungsoase. Wie ich zur Unternehmerin wurde? Ungeplant. Ich war Sozialpädagogin und habe in einem sozialtherapeutischen Verein psychisch kranke Menschen begleitet. Mein Interesse für Weiterbildungen brachte mich eines Tages zur Paar- und Sexualtherapie. Vor dem Schritt in die Selbstständigkeit durfte ich bereits einige Jahre nebenberuflich Paare begleiten und so wusste ich bereits: Das kann ich gut und da möchte ich mehr davon. Heute kommen Paare, aber auch Einzelpersonen zu mir. Jede Beratung ist sehr individuell. Oft fällt mir jedoch auf, dass sich die Menschen, die zu mir kommen, schon sehr lange quälen; teilweise mehrere Jahre. Sind wir Analphabeten beim Sprechen über unsere Gefühle und unsere Bedürfnisse? Ich sage ja. Das dürfen wir aber lernen und um unser Inneres nach außen zu tragen, muss es zunächst einmal sicher sein. Dafür biete ich einen Rahmen, damit jede/ jeder sich gesehen und verstanden fühlen kann.
Nicolette Hilger in der Hängematte.
