01 | 2024

So lade ich meinen Akku auf

Cornelia Friedrich leitet zusammen mit ihrem Mann einen Pflege- und Gesundheitsservice. Hier erzählt die 66-Jährige, was ihr Herz zum Singen bringt.
Will ich mir spontan etwas Gutes tun, gehe ich spazieren. Nicht langsam, schlendernd, sondern ruhig etwas schneller, um den Körper richtig in Bewegung zu bringen. Mein fester wöchentlicher Akku-Auflade-Termin seit einem halben Jahr ist Montagabend bei der Chorprobe in Obrigheim. Wir sind rund 80 Personen, auf der Liederliste stehen viele Songs aus dem Rock-/Popbereich. Die Atmosphäre ist locker und keiner schimpft, wenn der Ton mal falsch ist. Ich hatte mir schon länger vorgenommen, einem Chor beizutreten. Als ich hörte, dass nach der Pandemie neue Sängerinnen und Sänger gesucht wurden, war ich sofort Feuer und Flamme. Wo ich ebenfalls den Aus-Knopf schalte: Beim wahllos in Buchläden schmökern. Ich bin bei Büchern auf kein bestimmtes Genre festgelegt, ich lese jedoch sehr gerne über Menschen. Wie bei “Stay away from Gretchen”. Auf der einen Seite deutsch-amerikanische Schicksale im Heidelberg der 1950er, auf der anderen Seite die Demenzerkrankung einer älteren Frau im Deutschland der Gegenwart. Eine Erzählung, die mich stark an meine tägliche Arbeit erinnert hat. Mit 16 habe ich in der Pflegebranche gestartet. Schon früh habe ich erkannt, dass ich das Leid der Menschen, die ich betreue, nicht immer ändern kann. Ich kann ihnen aber jeden Tag Freude bereiten, und sei es “nur” durch ein Lächeln. Es sind die auf den ersten Blick so klein erscheinenden Erlebnisse, aus denen ich meine Kraft ziehe und weshalb ich meinen mental schweren Beruf noch immer so liebe. Diesen Ansatz nicht aus dem Blick zu verlieren, helfen mir auch immer die Kinder meiner Mitarbeiter. Für sie habe ich im Büro eine kleine Kiste mit Spielsachen deponiert. Alles stehen und liegen lassen, mit den Kindern spielen, in ihre fröhliche Welt eintauchen: Das zaubert mir immer ein großes Lächeln ins Gesicht.