03 | 2022

Innenstadtberatung - Gemeinsam für eine lebendige City

Ihr Ziel: eine starke Innenstadtwirtschaft. Dieses Jahr haben die IHK-Innenstadtberater ihre Arbeit aufgenommen. Mit an Bord sind immer auch die Kommunen, wie das Beispiel aus Weinheim zeigt.
Es ist vor allem der wachsende Online-Handel, der in Innenstädten zu rückläufigen Kundenzahlen und Umsätzen führt – eine Entwicklung, die von der Corona-Pandemie noch massiv beschleunigt wurde. Unterstützung bietet hier das Team Innenstadtberatung bei der IHK Rhein-Neckar. Vor allem kleinen und mittelgroßen Städten wollen die Experten zur Seite stehen. Das Land Baden-Württemberg fördert diesen Ansatz.
Mit der Stadt Weinheim als Pilotprojekt ist das Programm bereits gestartet, das bei der IHK Rhein-Neckar von Timo Cyriax gemeinsam mit Regina Ellenbrecht und André Trendl betreut wird. Auch in Hockenheim, Neckargemünd, Eberbach, Buchen und Mosbach ist das Team bereits aktiv geworden. Von 26 Kommunen im IHK-Bezirk mit einer Einwohnerzahl zwischen 10.000 und 50.000, denen die IHK Rhein-Neckar eine Teilnahme angeboten hat, wollen mehr als die Hälfte dieses Angebot nutzen.
Erster Schritt in der Zweiburgenstadt Weinheim war eine Bestandsaufnahme in der City: die einzelnen Geschäfte und ihr Erscheinungsbild, der Branchenmix, die Attraktivität des öffentlichen Raums sowie Leerstände waren Kriterien. Diese Erkenntnisse wurden mit einem Digitalisierungscheck ergänzt, der die Online-Präsenz der einzelnen Geschäfte, der Stadt sowie der Handels- und Gewerbevereine über Webseiten, soziale Medien, Suchmaschinen-Listungen, aber auch Internetshops unter die Lupe nahm. „Unser Engagement kam bei unseren Ansprechpartnern sehr gut an“, so Cyriax. “Die Händler und Gastronomen freuen sich über diese Aktivitäten und nehmen sich viel Zeit, mit uns zu sprechen und uns mitzuteilen, was sie bewegt, sowohl im negativen als auch im positiven Sinne.” Gezählt und nach ihrer Bewertung der Innenstadt und ihrer Angebote befragt wurden zudem 100 bis 120 Passanten und nach einem Aufruf in der lokalen Presse konnte man sich außerdem online zur Weinheimer City äußern. “Auf diese Weise haben wir auch Menschen erreicht, die vielleicht gar nicht mehr die Weinheimer Innenstadt besuchen und die Gründe dafür erfahren”, erklärt der Handelsspezialist dieses Vorgehen.

IHK-Innenstadtberater Timo Cyriax:
Händler und Gastronomen freuen sich über unseren Besuch und nehmen sich viel Zeit, mit uns zu sprechen und uns mitzuteilen, was sie bewegt.
Expertengespräche sind ein weiterer wichtiger Teil des Portfolios der Innenstadtberater. Gefragt war beispielsweise die Meinung von Christian Mayer, Vorsitzender des Vereins “Lebendiges Weinheim“ und Inhaber eines Blumengeschäfts in der Hauptstraße. Er hält das Innenstadtberatungsprogramm für eine zielführende Idee und hat die Bewerbung für eine Teilnahme von vorneherein unterstützt. “Ich finde es sehr gut, dass unsere Situation nun von Dritten analysiert wird”, nennt er einen der größten Vorteile aus seiner Sicht. “Denn nach so vielen Jahren in einer Stadt ist die Gefahr sehr groß, dass man quasi betriebsblind wird. Außerdem sorgt diese Initiative für Bewegung in der Stadt und bringt die Stadt, den Gewerbeverein, die IHK und alle anderen Akteure zusammen.“ Auf die Ergebnisse des Innenstadtchecks ist er sehr gespannt. “Nach meinem Gefühl haben wir einen recht guten Branchenmix mit vielen inhabergeführten Geschäften, aber bei der Gestaltung des öffentlichen Raums und bei der Online-Präsenz unserer Einzelhändler ist mit Sicherheit noch Luft nach oben.”
Die Chance einer solchen fachkundigen Analyse wollten wir uns auf keinen Fall entgehen lassen“, sagt Weinheims Wirtschaftsförderer Jens Stuhrmann. “Wir werden alles tun, um die Empfehlungen umzusetzen, soweit wir dies beeinflussen können. Unser Gemeinderat hat dafür schon ein Budget von 50.000 Euro bereitgestellt.” Weinheim, so seine Einschätzung, stehe als Mittelzentrum vor allem in Konkurrenz zu den Oberzentren wie Mannheim und Heidelberg und zusätzlich zum Rhein-Neckar-Zentrum in Viernheim. Und selbst wenn die Stadt an der Bergstraße durchaus eine beliebte Touristendestination sei, sei es wichtig, daran zu arbeiten, die hohe Kaufkraft in der Stadt, die regelmäßig einen Spitzenplatz in der Region belegt, mehr an Weinheim zu binden. “Wir müssen erreichen, dass die Bürger ihr Geld vor Ort ausgeben. Und da wäre ein hochwertigeres Angebot zum Beispiel in Bereichen wie Haushaltswaren, Schuhe oder Kinderkleidung sicher hilfreich”, wünscht sich Stuhrmann. Am 21. September 2022 soll die Analyse dem Gemeinderat vorgestellt werden.
Bis dahin steht beim Innenstadtberater-Team noch eine Mietpreis-Umfrage auf der Tagesordnung. „Der Grad der Mietbelastung ist ein Warnsignal für mögliche Geschäftsaufgaben. Es ist jedoch nicht gerade einfach, hier an valide Daten zu kommen“, erläutert Cyriax. Deshalb setzt die IHK Rhein-Neckar, die diese anonymisierte Umfrage durchführen wird, auf Unterstützung durch die Akteure in der Stadt und auf wenig Aufwand bei der Beantwortung der Fragen.
In einem abschließenden Schritt werden dann die Resultate der Innenstadt-Erhebung, des Digitalisierungschecks, der Experten-Gespräche, der Mietpreis-Umfrage, der Passanten-Befragung sowie der Passanten-Zählung zu einer Stärken-Schwächen-Analyse (SWOT) zusammengeführt. Diese wird mit allen Beteiligten in Weinheim diskutiert, Handlungsfelder und Ziele definiert und im Anschluss Konzepte und Maßnahmen entwickelt.
“Mit Blick auf Weinheim zeichnen sich bereits erste Trends ab”, berichtet Cyriax. “Obwohl die Stadt wirklich einen attraktiven Branchenmix vorweist, auf den manch andere Stadt neidisch wäre, hat Weinheim keinen wirklichen Ruf als Einkaufsstadt bei seiner eigenen Bevölkerung. Das kann eine Aufgabe des Stadtmarketings werden, an dieser Stellschraube zu drehen. Denn oft wissen die Bürger gerade die Vorzüge im eigenen Ort nicht wirklich zu schätzen.”