Zeitenwende: Wirtschaft und Bundeswehr rücken näher zusammen
Vor dem Hintergrund der veränderten sicherheitspolitischen Lage diskutierte das IHK-Gremium Amberg-Sulzbach, welche Rolle die regionale Wirtschaft künftig in der Landes- und Bündnisverteidigung übernimmt. Es wurde deutlich, dass die „Zeitenwende“ für Unternehmen längst operative Realität sein sollte und eine neue Qualität der Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Behörden und Sicherheitsakteuren verlangt wird.
Das Praxisbeispiel der Probatec AG, die als Gastgeberin der Gremiumsssitzung fungierte, zeigte anschaulich, wie ein Mittelständler mit starken Wurzeln in der Region seine Kompetenz in sicherheitsrelevante Wertschöpfung überführt. Die Probatec AG entwickelt und produziert Sitz- und Tischsysteme für Militär- und Schienenfahrzeuge; dazu zählen hochbelastbare, ergonomische Sitze für gepanzerte Fahrzeuge – unter anderem Komponenten für den Radpanzer „Boxer“ – sowie modulare, wartungsfreundliche Tischlösungen für den Einsatz unter rauen Bedingungen. Diese Ausrichtung stärkt Nachfrage, Beschäftigung und die Zusammenarbeit mit regionalen Zulieferern. Gleichzeitig erfordert sie eine präzise Einhaltung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards, verlässliche Export- und Compliance-Prozesse und die Fähigkeit, Fertigung und Logistik in kurzen Zyklen zu skalieren. Dass dies gelingt, liegt an eng verzahnten Partnerschaften mit Auftraggebern, Behörden und der heimischen Zulieferlandschaft – und belegt das Potenzial, das sich für die Oberpfalz insgesamt aus der stärkeren Einbindung in sicherheitskritische Wertschöpfungsketten ergibt.
Bundeswehr ordnet aktuelle Lage und Bedrohungen ein
Oberstleutnant Stephan Koller, der Beauftragte der Bundeswehr für die zivil-militärische Zusammenarbeit in der Stadt Amberg, beschrieb eine Sicherheitslage, die den zivilen Raum unmittelbar betrifft: Neben digitalen Angriffen und gezielter Desinformation rücken die Widerstandsfähigkeit kritischer Infrastruktur, die Stabilität von Liefer- und Kommunikationsketten und die schnelle Wiederherstellbarkeit betrieblicher Funktionen in den Mittelpunkt. Deutschland nehme in diesem Gefüge die Rolle einer logistischen Drehscheibe ein; im Bündnisfall würden Verkehrs- und Schienenachsen, Umschlagpunkte der zivilen Logistik sowie energie- und datengetriebene Netze zu systemrelevanten Knoten.
Für Unternehmen bedeutet das, betriebliche Kontinuität, Notfallorganisation und nationale Sicherheitsvorsorge zusammenzudenken: Krisen- und Wiederanlaufpläne müssen realitätsnah getestet, Energie- und IT-Redundanzen verlässlich vorgehalten und Kommunikationswege so organisiert sein, dass Entscheidungen auch unter Druck schnell und eindeutig getroffen werden können. Koller verwies auf jüngste Übungen, die gezeigt haben, wie rasch Versorgungsstrukturen ohne vorbereitende Maßnahmen an Grenzen geraten – ein Befund, der insbesondere die Bedeutung lokaler Netzwerke zwischen Betrieben, Kommunen und Blaulichtorganisationen unterstreicht.
Der geplante Truppenaufbau der Bundeswehr ist ohne Mitwirkung der Wirtschaft nicht zu erreichen. Betriebe, die ihren Mitarbeitenden den Dienst in der Reserve ermöglichen und die Rückkehr planbar gestalten, leisten nachdrücklich einen Beitrag zur Verteidigungsfähigkeit, so Koller. Zugleich profitieren sie von Fähigkeiten, die Reservistinnen und Reservisten in den Betrieb zurücktragen: Führung in unsicheren Lagen, klare Kommunikation, Teamarbeit unter Zeitdruck und ein ausgeprägtes Lageverständnis.
Schließlich verwies Koller auf die rechtlichen Rahmenbedingungen in Spannungs- oder Verteidigungsfällen. Sicherstellungs- und wirtschaftsrechtliche Vorgaben eröffnen staatliche Zugriffsmöglichkeiten auf Produktionskapazitäten, Logistik und Dienstleistungen. Unternehmen sind gut beraten, diese Normen zu kennen, in ihre Governance zu integrieren und Verträge, Prozesse und IT-Sicherheit so auszurichten, dass sie auch in Ausnahmelagen handhabbar bleiben. Dazu gehört die vorausschauende Prüfung von Lieferbeziehungen, die Absicherung sensibler Daten und Systeme, die Vorhaltung kritischer Ressourcen sowie die abgestimmte Zusammenarbeit mit lokalen Behörden, Netzbetreibern und Partnerbetrieben.
Auftakt einer verstetigten Zusammenarbeit von Wirtschaft und Sicherheitsakteuren
Das Fazit des Abends fiel eindeutig aus: Sicherheit und wirtschaftliche Stabilität sind zwei Seiten derselben Medaille. Für die regionale Wirtschaft ergeben sich greifbare Chancen – von neuen Märkten und heimischer Wertschöpfung bis zur Fachkräftesicherung – zugleich wächst die Mitverantwortung für Resilienz, Vorsorge und verlässliche Strukturen.
Probatec AG -Gründer Stephan Kopp, seine Frau Karola Kopp, Oberstleutnant Stephan Koller, Yvonne Schieder (IHK) Christina Püschel (Probatec AG), Oberstleutnant Matthias Gensch und Gremiumsvorsitzender Markus Frauendorfer.