Vom Reichsherold zum Schifffahrts-Generaldirektor
Wer sich mit der Geschichte des Bayerischen Lloyd oder ganz allgemein mit der Donau beschäftigt, kennt auch heute noch den Namen Ludwig von Donle. Nicht zuletzt wegen seiner Verdienste um die Wiederbelebung der bayerischen Donauschifffahrt wurde ihm 1914 das Ritterkreuz des Verdienstordens der bayerischen Krone verliehen, gekoppelt mit dem nicht vererbbaren Adelstitel. In Regensburg ist mitten im Hafen-Areal, beim Alten Schlachthof, eine Straße nach ihm benannt, eine Querstraße zur Prinz-Ludwig-Straße. Hier wurden sinnträchtig zwei Namen miteinander querverbunden, die bereits vor über hundert Jahren, im Juli 1914, die bayerische Donau-Reederei mit Sitz in Regensburg maßgeblich aus der Taufe hoben: hier Prinz Ludwig, seit 1913 als König Ludwig III. letzter König von Bayern, ein großer Freund der Binnenschifffahrt – dort Dr. jur. Ludwig Carl Friedrich Ritter von Donle, so die volle Namensbezeichnung, bis Ende 1917 Ministerialrat im Staatsministerium des königlichen Hauses und des Äußeren in München und gleichzeitig „Reichsherold“ der Krone Bayerns, eine hochdotierte und hochrangige Position beim Königshof. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde von Donle Schifffahrts-Generaldirektor des Bayerischen Lloyd und übernahm 1919 das Amt des Präsidenten der Industrie- und Handelskammer in Regensburg.
Eine Bilderbuchkarriere. In den Fußstapfen seiner Vorfahren väterlicherseits hatte Ludwig Donle, 1869 in Schweinfurt zur Welt gekommen, Rechtswissenschaften an den Universitäten in Erlangen, Berlin und Leipzig studiert und ein glänzendes Examen absolviert, das ihm in München Tür und Tor öffnete. 1897 wurde er zum königlichen Legationssekretär II. Klasse ernannt, 1902 zum Legationssekretär I. Klasse und 1910 zum Geheimen Legationsrat. Später folgten der bayerische Verdienstorden samt Adelstitel, der Orden des Heiligen Michael II. Klasse sowie weitere Ehrenzeichen. Sein Ressort als Ministerialbeamter bei Hofe umfasste Kunst, Handels- und Zollpolitik, Völkerrecht, Schifffahrtsangelegenheiten und Handelsverträge: eine bunte Palette an Aufgaben, die variable, kluge und umsichtige Handhabung erforderte. Seine Dissertation „Ueber internationale Eheschließung mit besonderer Berücksichtigung der geltenden Codifikationen“ reiht sich hier trefflich ein.
Welche Aufgaben hatte der „Reichsherold der Krone Bayerns“? Er bescheinigte die Aufnahme in die Adelsmatrikel, schlug Wappen vor, führte das Wappenbuch, verkündete „große Begebenheiten und Feierlichkeiten des Reiches“ wie Königskrönung, Vermählungen, Geburt, Todesfall eines Thronerben, Friedensabschlüsse und dergleichen mehr. Nachdem Ludwig III., der Sohn des Prinzregenten Luitpold, nach einer Verfassungsänderung im Jahre 1913 den Thron bestiegen hatte, war es die Aufgabe Ludwig von Donles, die offizielle „Ahnentafel S. M. des Königs Ludwig III. von Bayern“ herauszugeben – eine seltene Ehre. Insgesamt verkörperte der Reichsherold Bayerns allen Pomp des Feudalismus: Als „feyerliche Kostume bei fröhlichen Feyerlichkeiten, welche er zu Pferde verkündet“, trug er „eine Tunica oder einen Wappen-Rocke von himmelblauem Samt, auf welchem vorne und rückwärts das reich gestickte königl. Wappen mit der Königs-Krone angebracht ist, zu einem weißseidenen, mit Silber gestickten Unterkleide, langen weißseidenen Beinkleidern, Halbstiefeln, mit silbernen Fransen und silbernen Spornen; einem Barette von himmelblauem Samt mit zwey weißen und einer blauen Schwungfeder, mit der Cocarde. Er trägt einen silbernen Szepter, auf dessen Spitze eine goldene Königs-Krone befestiget ist.“
Beinkleider, Schwungfedern, Zepter, Reichsherold, Königshof, Orden, Ritter, Adelstitel – die bunt bebilderten Seiten dieser Vita erzählen von längst vergangenen Tagen, von einem bewegten Leben zu Zeiten des Schwanengesangs des Königreichs Bayern und zugleich, wie sich noch zeigen wird, von den massiven, kriegerischen bis stürmischen Umbrüchen der ersten vier Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. Da kommen neue Stichworte ins Spiel: Erster Weltkrieg, Donauflotte, Niederlage, Verluste, Friedensverhandlungen, Generaldirektor, Schifffahrt, Donauausbau, zuletzt die Machtergreifung Hitlers und die Gleichschaltung der IHK. In die Zeit von Donles als Chef des Bayerischen Lloyd und Präsident der IHK Regensburg fielen die entscheidenden Beschlüsse für den Ausbau einer neuen Großschifffahrtsstraße zwischen Rhein und Donau; damit fand das jahrzehntelange Drängen der Kammer auf einen Ausbau der Schifffahrt auf dem Ludwigs-Canal und auf der Donau zumindest auf dem Papier ein glückliches Ende – der erste, wesentliche Schritt zum wiederum Jahrzehnte später, nämlich 1992 eröffneten Rhein-Main-Donau-Kanal. Alles zu seiner Zeit.
Der Traum von einer schiffbaren Verbindung zwischen der Donau und dem Rhein ist uralt. Er geht bis in die Zeit Karls des Großen zurück. Aachen und Regensburg, zwei wichtige Kaiserpfalzen, die er regelmäßig besuchte, lagen am Rhein bzw. an der Donau, zwei Flusssystemen ohne Querverbindung. Zur Erleichterung der Anreise versuchte man bereits im Jahre 793 mit dem Karlsgraben, der „Fossa Carolina“, unweit von Treuchtlingen bzw. Weißenburg einen Durchstich von der Altmühl (deren Wasser über die Donau ins Schwarze Meer fließt) zur schwäbischen Rezat (die über den Main und den Rhein in der Nordsee mündet). Der Mönch Einhard, Autor der „Vita Karoli Magni“, notierte, woran das Großprojekt scheiterte: „Denn bei dem anhaltenden Regens, und da das sumpfige Erdreich schon von Natur zu viel Nässe hatte, konnte die Arbeit keinen Halt und Bestand gewinnen, sondern, wie viel Erde bei Tag von den Grabarbeitern herausgeschafft wurde, so viel setzte sich wieder bei Nacht, indem die Erde wieder an die alte Stelle einsank.“
Es war König Ludwig I., der den gut tausend Jahre alten Traum aufgriff, kaum hatte er 1825 den Thron in München bestiegen. Ihn hatten die Kanalbauten Englands mit rund dreitausend Meilen Gesamtlänge nachhaltig beeindruckt, ebenso Frankreichs Canal du Midi und in Amerika der Kanal vom Erie-See zum Hudson River mit einer Länge von 580 km und 83 Schleusen. Freiherr von Pechmann erhielt die Order, Baupläne für eine Kanalverbindung zwischen Main und Donau auszuarbeiten. Der neue Verkehrsweg sollte Handel und Verkehr erleichtern und auch die Verbindung der Landesteile Pfalz und Altbayern enger als zuvor gestalten. 1836 begannen die Bauarbeiten an der gut 170 km langen Kanaltrasse, die bei der Scheitelhaltungshöhe von 417 Meter ü. NN die stolze Zahl von 100 Schleusen sowie drei Kanalbrücken – aufwendige Wunderwerke der Ingenieurskunst – erforderlich machte. Zunächst waren dreitausend Arbeiter im Einsatz, später stieg die Zahl auf rund neuntausend. Acht Häfen wurden auf der Strecke angelegt, der größte davon in Nürnberg mit 350 Meter Kailänge.
Die feierliche Eröffnung des Ludwig-Kanals erfolgte am 15. Juli 1846 in Erlangen mit der Enthüllung des Kanaldenkmals mit den vier großen allegorischen Steinfiguren und der Inschrift:
DONAU UND MAIN
FÜR DIE SCHIFF-FAHRT VERBUNDEN,
EIN WERK VON CARL DEM GROSSEN VERSUCHT,
VON LUDWIG KOENIG VON BAYERN
NEU BEGONNEN UND VOLLENDET
MDCCCXLVI.
FÜR DIE SCHIFF-FAHRT VERBUNDEN,
EIN WERK VON CARL DEM GROSSEN VERSUCHT,
VON LUDWIG KOENIG VON BAYERN
NEU BEGONNEN UND VOLLENDET
MDCCCXLVI.
Der Monarch selbst blieb der Eröffnungsfeier fern – er hatte längst den Enthusiasmus für das kühne Vorhaben verloren. Sein sündteurer Kanal, das wusste er mittlerweile, würde sich langfristig der Konkurrenz auf Schienen geschlagen geben müssen, gegen die er zwar eine Abneigung hegte, aber nichts unternehmen konnte. Die Eisenbahn, die in Bayern erstmals 1835 zwischen Fürth und Nürnberg verkehrte, war augenscheinlich das Verkehrsmittel der Zukunft. Dies bestätigte sich bald: die Transportmenge auf dem Ludwig-Kanal sank von 200.000 Tonnen im Jahre 1850 auf 60.000 t im Jahr 1912.
Diese Negativkurve sorgte auch bei der Handelskammer für Kopfzerbrechen. In ihrem dritten gedruckten Jahresbericht 1857 heißt es dazu: „Durch die immer weiter sich entwickelnde Ausdehnung der Eisenbahnen sehen wir das Bestehen der neben diesen dem Verkehre so sehr gedeihlich dienenden Schifffahrt auf dem Rhein, Main, dem Ludwigskanal und der Donau höchst gefährdet, und dabei die Existenz sehr vieler getreuer Unterthanen Ew. Königl. Majestät bedroht. (…) Der Canal kann, wenn die Eisenbahnen den Rhein mit der Donau verbinden, weil die Güter auf den Eisenbahnen zu den bisherigen Frachtsätzen des Canals befördert werden können, nicht mehr bestehen, wenn nicht die Canal-Gebühren gänzlich aufgehoben werden, und dadurch die Möglichkeit erwächst, Güter von geringerem Werthe, die massenhaft erscheinen, trotz der längeren Reise-Dauer auf demselben zu belassen. Bei dem hohen national-ökonomischen Werthe, den der Ludwigs-Donau-Main-Canal unbestritten für unser Vaterland hat, wird dessen Erhaltung aber wohl zur gebotenen Pflicht, und wir beantragen deshalb, diesen Rücksichten Rechnung tragend, die Anbahnung der Aufhebung der Canal-Gebühren in allergnädigste Würdigung zu ziehen, und sie, wenn thunlich, im Interesse des Schifferstandes wie des Handels zur Durchführung zu bringen.“
Das Bemühen stand unter keinem guten Stern – weder auf dem Ludwigskanal, der vom Transitverkehr weitgehend links liegengelassen wurde, noch auf der bayerischen Donau. Die Kammer konnte schmeicheln und bitten, wie sie wollte, sie fand kein Gehör. „Das durch die Munificenz Ew. Königl. Majestät Staatsregierung zur schönen Entwickelung gediehene Institut der königl. bayer. Dampfschifffahrt wird unzweifelhaft in der Lage sein, mit den in’s Leben tretenden neuen und bereits bestehenden älteren Dampfschifffahrts-Gesellschaften auf der Strecke Donauwörth–Pesth in siegreiche Concurrenz treten zu können, zumal der ganze Fahr-Apparat den Stromverhältnissen der Donau anpassender als der der übrigen Gesellschaften ist … Wir glauben durch vorgehende Entwicklung unsern Antrag auf Ausdehnung der bayer. Dampfschifffahrt auf der ganzen Donau und vorerst wenigstens bis Wien und Pesth und vice versa, hinlänglich motivirt, und unterstellen denselben vertrauensvoll allergnädigster Würdigung und Gewährung.“
Alle Anträge und Aberdutzende beredter Publikationen verfingen nicht. Der Ludwigskanal dämmerte im Abseits. 1861 verkaufte Bayern sogar die „Königlich-bayerische Donau-Dampfschifffahrtsgesellschaft“ an die „1. K. K. privilegierte Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft“ alias DDSG. Prompt stellte die DDSG 1874 den Schiffsverkehr auf der Donau von Regensburg flussaufwärts gänzlich ein und reduzierte überdies massiv den Frachtverkehr donauabwärts.

Im 1897 erschienenen I. Heft zum „Donau-Main-Kanalprojekt“ des Deutsch-Oesterreichisch-Ungarischen Verbands für Binnenschiffahrt konstatierte Prof. Dr. Günther, wer für Verbesserungen am Kanalsystem eintrete, gelte für als „mit einer milderen Form von Geisteskrankheit behaftet“. Die Befürworter, Liebhaber und Propagandisten des Schiffsverkehrs ließen sich jedoch nicht beirren. 1892 gründete sich in Nürnberg der „Verein zur Hebung der bayerischen Fluss- und Kanalschiffahrt“, dem zahlreiche bayerische Städte, Handelskammern und Unternehmer beitraten. Ungefähr zeitgleich erfolgten Sprengungen von Felsen flussauf von Passau am sogenannten Kachlet zur Regulierung des Flussbetts, ab 1895 konnten in diesen zuvor stets prekären Flussabschnitten erstmals größere Schiffe fahren. Wo die Fahrrinne bislang kaum fünfzehn Meter breit gewesen war, erreichte sie ab 1906 eine Breite von mindestens 42 Metern. Auch die Donauhäfen wurden ausgebaut: 1901 errichtete Deggendorf seinen Hafen, in Passau ließ man bis 1894 eine 770 m lange Kaimauer anlegen und ergänzte diese Maßnahme durch den Bau des neuen Hafens in Racklau, der 1903 eröffnet und 1908 gänzlich fertiggestellt war. Die in Regensburg gebaute Kaimauer erreichte 1901 immerhin schon eine Länge von 1350 m; bis 1910 folgte der Regensburger Luitpoldhafen mit seinem Hauptbecken von 580 m Länge und einem separaten Petroleumhafen.
Am wichtigsten für den Schiffsverkehr auf der Donau aber war die Tatsache, dass Prinz Ludwig im Juli 1913 verschiedene Bankiers, Bürgermeister und Kammervertreter („die Herren Geßler, Christlieb, Stauß, Kohler und Böhm“), zur Audienz lud und seinen Geheimen Legationsrat Ludwig Donle als Vertreter des Ministeriums des Äußeren in das Gremium schickte, das ein bayerisches Schifffahrtsunternehmen gründen sollte. Im April 1914 wurden dem Bayerischen Lloyd die Konzession sowie das „Recht zur Führung des bayerischen Staatswappens mit Krone in der Flagge“ erteilt. Der Sitz der Reederei war in Regensburg, das Stammkapital belief sich auf vier Millionen Reichsmark (zu 86% von der Deutschen Bank gezeichnet und kontrolliert). Im Aufsichtsrat saßen u.a. die Generaldirektoren der Deutschen Bank und der Bayerischen Vereinsbank, der Oberbürgermeister von Regensburg, die Bürgermeister von Nürnberg und Ulm, der Präsident der Handelskammer Regensburg Heinrich Christlieb, der Vorstandsvorsitzende der Levante-Linie Hamburg, auch Heinrich Held, Zeitungsverleger, als Zentrumspolitiker Abgeordneter des Bayerischen Landtags.
Noch im ersten Jahr ihres Bestehens erwarb die Reederei sieben Schiffe mit 3.620 t Gesamttonnage. Leider war Regensburg der nördlichste Punkt, den größere Motorschiffe erreichen konnten; der Ludwigskanal mit seinen veralteten Schleusenabmessungen (4,7 x 34,5 m) war nur für kleine Schiffe mit maximal 200 t Fracht geeignet. Ein weiterführender Kanal über Nürnberg zum Main für Motorschiffe wäre daher so sinnvoll wie wünschenswert gewesen – nicht zuletzt aus Überlegungen, die beileibe nicht ausschließlich wirtschaftlicher Natur waren.

Denn spätestens seit 1912 wusste die Militärführung, dass die Ölzufuhr ins Deutsche Reich prekär war, weil sich die „Levante-Linie“, auf der die von Standard Oil gelieferten Ölprodukte aus Baku oder Galizien übers Schwarze Meer, Mittelmeer und den Atlantik nach Hamburg gelangten, unmöglich kontrollieren ließ. Ein Artikel über die neue Geschützfabrik der Firma Krupp in München, der 1916 in der von Heinrich Held herausgegebenen Zeitung „Die freie Donau“ erschien, sprach in puncto Donauausbau Klartext: „Das Werk soll in erster Linie den Heeresbedarf Bayerns decken, dann aber auch Lieferungen für die deutsche Marine und für das befreundete Ausland übernehmen. Durch diese Gründung hat die Schwerindustrie ein großes Interesse an der Ausgestaltung des Verkehrs zwischen Nord- und Süddeutschland und zwischen Deutschland-Österreich-Ungarn, den Balkanländern und dem Orient gewonnen. Eine unerlässliche Voraussetzung für die große Entwicklung dieser bedeutungsvollen Industrie und ihrer Nebenindustrien in Bayern ist der Ausbau der Donau zur Großschifffahrtsstraße und ihre leistungsfähige Kanalverbindung mit Main und Rhein. Es steht zu erwarten, dass das Kruppwerk München für die Lösung des Donauproblems von entscheidender Bedeutung wird.“
Damit bekam das Projekt eines „Großschifffahrtswegs Rhein-Main-Donau“ eine neue Gewichtung. Der Bayerische Lloyd las die Zeichen der Zeit und machte sich zielstrebig an den Aufbau einer modernen Donauflotte. Die Direktion gab sowohl Schiffsankäufe als auch Schiffsneubauten in Auftrag. Bereits mit Beginn des Jahres 1917 verfügte der BL über vier Dampfschlepper, zwei Motortankschiffe, ein Motorgüterschiff, zehn Tankkähne und 52 Warenboote mit einer Ladekapazität von 45.000 t.
Im April 1917 tagte in Nürnberg ein Arbeitsausschuss aller an der Ausweitung der Donauschifffahrt Interessierten – u.a. der bayerische Staat, das Deutsche Reich, das Großherzogtum Baden, die Vereinigung der bayerischen Städte, die im bayerischen Handelstag vereinigten Handelskammern bzw. Gruppen aus Industrie und Handel, auch außerbayerische Interessenten. Ende 1917 wurde im Nürnberger Rathaus der „Stromverband“ gegründet, der 1921 von der Rhein-Main-Donau AG abgelöst wurde. Ludwig von Donle gehörte selbstverständlich all diesen Gremien an.
Der für den Rhein-Main-Donau-Kanal entscheidende Schritt aber erfolgte, wie bereits angedeutet, im März 1918, als der bayerische Landtag Mittel „für die Herstellung einer Großschifffahrtstraße von Aschaffenburg bis zur Reichsgrenze unterhalb Passau“ bewilligte. Damit war der Grundstein für den Bau des neuen Main-Donau-Kanals gelegt. Es sollte allerdings noch 75 Jahre dauern, bis die Rufe nach einem Ersatz für den längst veralteten Ludwigs-Canal eingelöst wurden. Erst seit 1992 verbindet der heutige Main-Donau-Kanal den Rhein mit der Donau mittels Schleusen, die voluminöse Frachtschiffe – und moderne Flusskreuzfahrtsschiffe – passieren können.
Mitte 1918 waren das Kriegsende und damit die militärische Niederlage im ersten Weltkrieg längst absehbar. Die Katastrophe rückte näher. Der Bayerische Lloyd vermietete, nur halbwegs freiwillig, seinen gesamten Schiffspark an den Militär-Fiskus, wobei die Schiffseigner nicht gänzlich weltfremd ans Werk gingen – zwei Paragraphen regelten die Grundsätze der Entschädigung im Falle eines Totalverlustes. Nach dem kurz darauf erfolgten militärischen Zusammenbruch sah die Bilanz denkbar düster aus: Das Militär hatte die meisten Schiffe in den letzten Wochen des Kriegs noch ganz bewusst auf die untere Donau entsandt, wo sie nach der Kapitulation quasi gestrandet waren. In Rumänien saßen vier Dampfer und elf Warenboote fest, in Jugoslawien waren es zehn Dampfer, sechzehn Warenboote und achtzehn Tankschlepps. Der große Krieg war verloren. Auch der Bayerische Lloyd hatte reichlich Verluste zu beklagen: vierzehn der insgesamt neunzehn Dampfer sowie die Hälfte der Frachtschuten und 80 Prozent der Tankkähne waren „abgegangen“, wie es hieß.
Niemand anderem als Ludwig von Donle fiel nun die knifflige Aufgabe zu, die fatalen Folgen des Weltkriegs für die Donauflotte so gut wie irgend möglich abzumildern; von ihm hing das zukünftige Los des Bayerischen Lloyd ab. Von Donles Amtszeit in München beim Staatsministerium des Königlichen Hauses und des Äußeren war mit Jahresende 1917 ausgelaufen; am 1. Januar 1918 übernahm er den Vorsitz des dreiköpfigen Direktoriums des Bayerischen Lloyd. Das Amt des Reichsherolds, das er zum Jahresende 1917 niedergelegt hatte, war mit der Ausrufung des „Freistaats Bayern“ im November 1918 ohnehin Geschichte. Als von Donle auch noch den Vorsitz im Aufsichtsrat des Bayerischen Lloyd übernahm, zog er im Juli 1919 nach Regensburg.
Bei den juristischen Auseinandersetzungen, die er mit dem Reich um die Entschädigung für die verlorenen Schiffe auszufechten hatte, ließ er all sein diplomatisches Geschick spielen. Primär ging es um Fragen der Haftung bzw. Entschädigung für die durch Versenkung, Beschlagnahmung, Abtretung oder sonstwie verlorenen Schiffe. Besonders strittig war der Inflationsausgleich. Unterm Strich waren dem Bayerischen Lloyd nur vier Dampfer, zwei Motortankschiffe, ein Motorfrachtschiff, vier Tankkähne und vierundvierzig Leichter mit insgesamt 42 000 t Tragfähigkeit verblieben. Ob die Donaureederei diese Verluste überleben könnte, war völlig offen.
Von Donle, der sechs Sprachen sprach, langjährige Erfahrung als Unterhändler auf dem diplomatischen Parkett sowie großen Sachverstand in allen Fragen der Donauschifffahrt besaß, war der geeignete Mann, um bei den Friedensverhandlungen in Versailles teilzunehmen und dort auf die Belange der deutschen Schifffahrtsinteressen zu achten. 1920 bis 1921 vertrat von Donle Deutschland auf der Donaukonferenz in Paris. Die dort im August 1920 unterzeichnete und vom Reichstag Ende März 1922 ratifizierte neue Donauakte laut § 349 des Versailler Friedensvertrags garantierte zwar die Freiheit der Schifffahrt von Ulm bis Braila, jedoch war die sogenannte Kabotage (der Warentransport im Ausland) nur mit Genehmigung möglich. Das bedeutete auf der mittleren und unteren Donau für den Bayerischen Lloyd de facto das Aus, da die Briten, Franzosen, Griechen und Italiener dort nach Kriegsende ihre eigene Donauflotten aufbauten. Im Herbst 1920 reiste von Donle daher nach Jugoslawien, Rumänien und Paris mit dem Ziel, einen „Tankpool“ zu gründen, der eine gemeinsame wirtschaftliche Ausnutzung der verfügbaren Tankschiffe gewährleisten sollte. Auch hoffte man in diesem Zusammenhang zu erreichen, dass die Schiffe des Bayerischen Lloyd endlich wieder die ganze Donau befahren konnten. Der Tankpool kam zwar nicht zustande, aber immerhin konnte der BL jetzt wieder die rumänische Donaustrecke befahren, ab Ende 1920 sogar bis hinunter ins Delta.

Trotz aller Verluste, Hindernisse und Schwierigkeiten ging es von da an wieder aufwärts. Im Rahmen des Flottenneuaufbaus stellte der Bayerische Lloyd von 1921 bis 1923 neun Dampfer mit zusammen knapp 8.000 PS in Dienst. 1926 unterhielt die Reederei eigene Einrichtungen in Regensburg, Passau, Linz, Wien, Budapest, Csepel, Budafok, Mohács, Belgrad, Semlin, Lom, Russe, Giurgiu, ferner Repräsentanzen in Bratislava, Belgrad und Turn Severin. Mit einem Schiffspark von 15.200 PS Antriebsleistung und 111.000 t Frachtkapazität galt der BL 1932/33 als die modernste Reederei auf der Donau. Nicht zuletzt Regensburg profitierte davon; dort war der Bayerische Lloyd mit seiner knapp tausendköpfigen Belegschaft einer der größten Gewerbesteuerzahler. Dass von Donle von 1919 bis 1933 – also 14 Jahre lang – als Präsident der IHK Regensburg amtierte, bestätigt einmal mehr, wie wichtig die Reederei für die Stadt und die ganze Donauregion war.
1933, das Jahr der Machtergreifung Hitlers, wurde das letzte Amtsjahr Ludwig von Donles bei der IHK. Am 5. März 1933, bei den ersten Wahlen nach Regierungsantritt Hitlers, gewann die Bayerische Volkspartei in Regensburg mit 40% der Stimmen die Wahl vor der NSDAP, die nur 30,5% erreichte (bei einem Reichsdurchschnitt von 43,9%). Trotzdem hissten SA-Formationen sofort die Hakenkreuzfahne auf dem Rathaus, ohne sich um den lauten Protest des Oberbürgermeisters Dr. Otto Hipp zu scheren, der seinen Einspruch umgehend telegraphisch an den Reichspräsidenten, den Regierungspräsidenten und das bayerische Innenministerium weiterleitete. Ohne Erfolg, denn der in Berlin noch am Abend der Wahl neuernannte Reichskommissar für Bayern ordnete an, dass alle Rathäuser in Bayern die Hakenkreuzfahne aufzuziehen hatten. Am 20. März 1933 kam es zu Tumulten vor dem Regensburger Rathaus, SA-Männer holten Oberbürgermeister Hipp aus seiner Wohnung und schleppten ihn ins Rathaus, wo er unter massiven Drohungen seine Rücktrittserklärung unterschrieb und in „Schutzhaft“ genommen wurde. Der (neue) bayerische Innenminister, Gauleiter Adolf Wagner, ließ verlauten, Hipp und seinesgleichen sollten Gott danken, dass sie noch am Leben seien und „die Wut des Volkes sie nicht zertreten“ habe. Als neuer Oberbürgermeister amtierte von Stund an der „Parteigenosse“ Dr. Schottenheim.
Bei den Industrie- und Handelskammern mussten zum Zwecke der „Gleichschaltung“ auf Geheiß der bereits gleichgeschalteten bayerischen Regierung am 23. Mai 1933 „Neuwahlen“ durchgeführt werden. Laut einem Runderlass des Wirtschaftsministeriums vom 11. Mai war dabei „auf eine Zusammensetzung der Liste Bedacht zu nehmen, die eine unbedingt zuverlässige Zusammenarbeit der neugewählten Kammer mit der nationalen Regierung sicherstellt.“ Viele der Anwesenden erschienen bei der Wahl im „Braunhemd“ im Sitzungssaal, wie Eva Schmidt in ihrer Magisterarbeit über die IHK zur Zeit des Nationalsozialismus schreibt. Aus heutiger Sicht überrascht das Ergebnis nicht: „Nahezu einstimmig wurde bei der Neuwahl der Regensburger Handelskammer am 23. Mai 1933 die Vorschlagsliste angenommen, auf der nur noch sechs Mitglieder der alten Industrie- und Handelskammer kandidiert hatten.“ Das Präsidium wurde komplett neu besetzt, sprich „gleichgeschaltet“: Geheimrat Dr. Ludwig von Donle, Geheimrat Heinrich Christlieb und Kommerzienrat Martin Habbel (der 1934 vier Monate in „Schutzhaft“ kam) verloren ihr Amt. Ihre Nachfolge im Präsidium traten jetzt überzeugte Nazis an, wie eine Meldung der Industrie- und Handelskammer an das Staatsministerium vermerkte: „Die Herrn Direktor Fritz Weidinger und Artur Knab gehören der NSDAP an. Herr Kommerzienrat Friedrich Reifert ist parteilos, jedoch seit längerer Zeit Mitglied des Oberringes und des Kampfbundes für den gewerblichen Mittelstand (dessen Ziel war der „Kampf gegen die dunklen Mächte: jüdisches Großkapital, Warenhäuser, Einheitspreisgeschäfte, Großfilialbetriebe und Konsumverein.“) Der Syndikus der Kammer, Herr Dr. Dr. Bingold ist Mitglied der NSDAP und Mitglied der Beamtenfachschaft der NSDAP.“ Nachdem in Regensburg Emil Holzinger und Josef Isaak Lilienfeld, in Neumarkt Kommerzienrat Arnold Dreichlinger und in Cham Fritz Klein und Albert Neuburger aus der IHK ausschieden, war die Kammer im NS-Jargon erstmals „judenfrei“.
Alle Akten der IHK Regensburg aus dieser Zeit sind verbrannt. Ob dafür ein „übereifriger Archivar“ die Verantwortung trägt oder ob dies auf klare Anweisung hin geschah, wie man dies von den brennenden Aktenbergen im Hof der Polizeidirektion weiß, muss dahingestellt bleiben. Niemand weiß, wie Ludwig von Donle auf die neuen Machtverhältnisse reagierte, dafür gibt es keine Quellen. Es bleibt offen, ob er erst nach massiverem Druck von seinem Amt als IHK-Präsident abließ, ebenso, was er von den jedwedem Rechtsempfinden Hohn sprechenden „Arisierungen“ und „Entjudungen“ hielt, die ab 1935 und vor allem nach dem November 1938 viele jüdische Familien in Regensburg betrafen. Kaum vorstellbar, dass er dieses Unrecht gebilligt hätte, zumal er zweifellos etliche der betroffenen Kaufleute, Fabrikanten und Unternehmer persönlich aus den Sitzungen der Kammer kannte. In einer von Helmut Halter zitierten Aktennotiz des Bürgermeisters und Verantwortlichen für das Wirtschafts-, Verkehrs-, und Grundstücksreferat Hans Hermann vom 25.10.1934 hält dieser fest, man „traue von Donle nicht über den Weg”. Bedenkt man zudem die geistige und berufliche Prägung des Ritters und Reichsherolds Ludwig Friedrich Karl von Donle als hochrangiger Hofbeamter, späterer Schifffahrtsmagnat und diplomatischer Delegierter bei Versailler Friedensverhandlungen, dürfte außer Frage stehen, dass er auf die allzeit gewaltbereiten Schläger der SA und die schneidigen Karrieristen der diversen NS-Parteigruppierungen befremdet bis ablehnend reagierte.
1939 nahm Ludwig von Donle im Alter von siebzig Jahren seinen Abschied als Schifffahrts-Generaldirektor des Bayerischen Lloyd. Anfang Januar 1942 verstarb er in Regensburg. Im Gedenken an ihn taufte der Bayerische Lloyd ein 1943 in Dienst gestelltes und ab 1946 für den Personenverkehr eingesetztes Schleppschiff „Ludwig von Donle“. 1978 wurde das Schiff zur Verschrottung verkauft. Bei den Schifffahrtsfreunden, im Straßenbild Regensburgs und in der Geschichte der IHK Regensburg aber ist der Name Ludwig von Donles bis heute lebendig geblieben.