Erfolgsfaktor Zoll

Geopolitische Spannungen, neue Handelsabkommen, digitale Zollprozesse und weniger Vorlauf: Wer im internationalen Geschäft mithalten will, kommt heute an einem leistungsfähigen Zollmanagement nicht mehr vorbei. Es ist nicht nur entscheidend für die Einhaltung komplexer rechtlicher Vorgaben – dadurch können auch unnötige Kosten vermieden und Risiken minimiert werden.
„Zoll darf nicht länger nur verwaltet werden.“

Tim Mayer SW Zoll-Beratung GmbH

Jedes Unternehmen handelt individuell – sei es in Bezug auf Geschäftsbeziehungen, Warenmanagement oder interne Abläufe – daher müsse auch jedes Zollmanagement maßgeschneidert konzipiert und umgesetzt werden, rät Tim Mayer, Vice President Training & Consulting bei der SW Zoll-Beratung GmbH in Furth im Wald. Eine Vielzahl an neuen Verordnungen und regulatorischen Änderungen erforderten ein permanentes Monitoring – das koste Zeit und binde Ressourcen.
„Zoll darf nicht länger nur verwaltet werden, sondern muss strategisch in Lieferketten und Unternehmensprozesse eingebunden sein. Nur so lassen sich Risiken frühzeitig erkennen und Chancen nutzen“, betont Mayer. Wer das Thema Zoll isoliert betrachte, laufe Gefahr, Effizienzpotenziale zu verschenken und regulatorische Fallstricke zu übersehen – und davon gebe es einige.

Stolperfallen umgehen

Zoll betrifft nicht nur die Logistik, sondern auch Einkauf, Vertrieb, Compliance und die Finanzabteilung bis hin zur Geschäftsführung. Entscheidend sei die abteilungsübergreifende Abstimmung, so Kerstin Ptak, Zollexpertin bei der IHK in Regensburg: „Eine unkoordinierte Vorgehensweise kann zu Verzögerungen, Fehldeklarationen oder finanziellen Nachteilen führen.“ Infos dürften nicht verloren gehen und müssten lückenlos weiterkommuniziert werden, um Wettbewerbsvorteile wie Präferenznachweise überhaupt nutzen zu können.
„Unwissenheit oder Fehlinterpretationen zollrechtlicher Bestimmungen können erhebliche finanzielle Folgen haben.“

Kerstin Ptak IHK Regensburg für Oberpfalz / Kelheim

Dafür müssten vor allem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschult werden: „Unwissenheit oder Fehlinterpretationen zollrechtlicher Bestimmungen können erhebliche finanzielle Folgen haben“, betont Ptak. Genauso führt eine fehlende Sensibilisierung oder das falsche Vorleben der Führungsebene zu erhöhtem Fehlerpotenzial.
Neben der Kommunikation ist die korrekte Dokumentation eine wichtige Stellschraube im Zollmanagement. Fehlerhafte oder nicht nachvollziehbare Ursprungsnachweise können nicht nur Präferenzvorteile auslöschen, sondern auch nachträgliche Abgabenforderungen nach sich ziehen. „Zollanmeldungen müssen gemäß Zollrecht wissentlich und nicht zufällig korrekt abgegeben werden. Passieren viele Fehler, steigt die Prüfungsrate und Bewilligungen können aberkannt werden. Dies zieht den Abfertigungsprozess deutlich in die Länge. Bußgelder on top schmälern die Wettbewerbsfähigkeit und machen ein vermeintlich gutes Geschäft in der Nachkalkulation zunichte“, weiß die Zollexpertin. Darüber hinaus rät Ptak, zollrechtliche Vereinfachungen nicht ungenutzt zu lassen. „Wer sich nicht mit verfahrenserleichternden Bewilligungen wie dem zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten (AEO) oder besonderen Zollverfahren auseinandersetzt, lässt mögliche Kostenvorteile und schnellere Abfertigungsmöglichkeiten ungenutzt.“ Nicht immer sei deren Vorteil direkt messbar – aber wenn sie in Frage kommen, liege hier deutliches Optimierungspotenzial.

Vorteile zollrechtlicher Bewilligungen

Das bestätigt auch Andrea Heuberger, Leiterin Kundenservice bei der AKW Apparate + Verfahren GmbH in Hirschau. Das Unternehmen mit seinen rund 50 Mitarbeitenden ist im Maschinen- und Anlagenbau tätig – mit besonderem Schwerpunkt in der Aufbereitung von Erzen und Mineralien. Die Anlagen und Systeme des Betriebs werden weltweit exportiert. „Für uns stellt die Exportvorbereitung und -kontrolle eine erhebliche Herausforderung dar“, sagt Heuberger. „Von der korrekten Zuordnung der Zolltarifnummern über die Präzisierung der Ursprungseigenschaften, der Exportkontrolle an sich, bis hin zur lückenlosen Dokumentation aller relevanten Unterlagen fallen zahlreiche Schritte an.“ Um die komplexen Anforderungen des globalen Warenverkehrs effizient zu erfüllen, verfügt das Unternehmen über zollrechtliche Bewilligungen wie den Zugelassenen Ausführer, den Ermächtigten Ausführer sowie den REX-Status.
„Aus Sicht eines exportierenden Unternehmens würden wir uns praxisnahe Erleichterungen wünschen.“

Andrea Heuberger AKW Apparate + Verfahren GmbH

Die Antragstellung für diese Bewilligungen sei mit großem Zeit- und Dokumentationsaufwand verbunden – dennoch überwiegen die Vorteile deutlich, zeigt sich Heuberger sicher: „Dank der erteilten Bewilligungen ist es uns möglich, unsere Waren direkt ab Werk zu versenden, ohne eine Gestellung beim Zollamt oder außerhalb des Amtsplatzes beantragen zu müssen. Bei einem jährlichen Volumen von etwa 150 Ausfuhranmeldungen stellt dies einen erheblichen zeitlichen und logistischen Vorteil dar. Im präferenziellen Warenverkehr hinterlegen wir Kalkulationen und Nachweise im System. Eine Vorabprüfung durch das Zollamt ist nicht notwendig, da wir den präferenziellen Ursprung auf den Handelsrechnungen bestätigen können.“ Dennoch: Bei Lieferungen von Handelswaren mit unterschiedlichen Ursprungsländern gestalte sich die Zollanmeldung im Atlas-System sehr aufwendig. „Aus Sicht eines exportierenden Unternehmens würden wir uns praxisnahe Erleichterungen wünschen, beispielsweise durch die Möglichkeit, verschiedene Ursprungsländer innerhalb der EU zu einer gemeinsamen Position zusammenfassen zu können“, sagt Heuberger.

Kennzahlen schaffen Transparenz

Damit Firmen internationale Abläufe effizient, rechtskonform und transparent gestalten können, empfiehlt IHKZollexpertin Ptak die Definition von Key Performance Indicators (KPIs) in Kombination mit einem strukturierten Reporting: „Der systematische Einsatz von Leistungskennzahlen zum Selbst- Monitoring hilft, Risiken frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern. Zudem schaffen sie Transparenz und ermöglichen es, Prozesse gezielt zu verbessern.“ Dazu zählen beispielsweise die durchschnittliche Abwicklungsdauer pro Zollvorgang (inkl. interner und externer Bearbeitung), die First-Time-Right-Quote bei Zollanmeldungen (Anteil der fehlerfrei akzeptierten Anmeldungen) oder Lieferverzögerungen durch Zollprozesse inklusive des Grundes (z.B. fehlende Infos aus Fachabteilung).
Auch die Aktualität und Vollständigkeit von Stammdaten, die Teilnahmequote an Pflichtschulungen oder die Anzahl und der Schweregrad interner Compliance-Vorfälle können wertvolle Kennzahlen darstellen. Ein regelmäßiges Reporting mache diese Erkenntnisse greifbar – nicht nur für das Management, sondern auch im Rahmen interner Audits oder zur Vorbereitung auf Zollprüfungen. „Sinnvoll können hier ein Zoll- Dashboard zur Echtzeitübersicht, ein Ampelsystem oder auch Quartalsberichte zu Compliance und Kostenanalyse sein. Das ist individuell und unternehmensabhängig“, so Ptak. Der Einsatz moderner IT- und KI-Lösungen kann dabei Abläufe effizienter und schneller gestalten, Fehler reduzieren sowie die Transparenz erhöhen.

Managementaufgabe Zoll

Ein funktionierendes Zollmanagement ist eine strategische Managementaufgabe. Die Geschäftsleitung muss sicherstellen, dass alle Abteilungen zusammenarbeiten, Prozesse stetig gemeinsam verbessert werden und ausreichend Ressourcen zur Verfügung stehen. Ein starkes Bewusstsein für die Bedeutung des Zolls kann entscheidend sein für den langfristigen Erfolg des Unternehmens und dessen Resilienz im globalen Handel und muss deutlich kommuniziert sowie in die Gesamtstrategie der Firma eingebunden werden. Zollverantwortliche sollten daher mit einer Stopp- und Weisungsbefugnis ausgestattet sein und sich auf den Rückhalt der Geschäftsleitung verlassen können. Zoll- und Außenhandelsprozesse seien kein „Nebenbei-Job“ – sie brauchen einen passenden Rahmen, der auch Spielräume für künftige Entwicklungen lässt, appelliert Zollexpertin Ptak. „Der internationale Handel steht vor großen Veränderungen. Zollbehörden werden beispielsweise zunehmend digitale Verfahren und automatisierte Kontrollen einführen, um Effizienz und Sicherheit zu steigern. Firmen müssen dabei in der Lage sein, auch mal um Ecken zu denken.“

Stillstand ist keine Option

Die Nexans autoelectric GmbH in Floß verfolge einen hybriden Ansatz im Zollmanagement, erklärt Leiter Zoll, Thorsten Hartwig: „Unsere Zollteams sind dezentral in den jeweiligen Ländern angesiedelt, werden jedoch zentral gesteuert und strategisch koordiniert. Diese Struktur erlaubt es uns, lokale Anforderungen und Besonderheiten effizient zu berücksichtigen, ohne dabei die übergeordnete Linie und regulatorische Konsistenz aus den Augen zu verlieren.“ Die zentrale Steuerung sorge dafür, dass beim Automobilzulieferer mit weltweit rund 13.000 Mitarbeitenden Informationen gebündelt, Prozesse vereinheitlicht und Innovationen gezielt vorangetrieben werden – ein entscheidender Vorteil in einem Bereich, der sich international rasant weiterentwickelt.
„Unsere Zollteams sind dezentral in den jeweiligen Ländern angesiedelt, werden jedoch zentral gesteuert.“

Thorsten Hartwig Nexans autoelectric GmbH

„Stillstand ist keine Option – wer heute nicht agil und vorausschauend handelt, läuft Gefahr, morgen nicht mehr regelkonform oder wettbewerbsfähig zu sein. Damit das funktioniert, setzen wir auf enge Schnittstellen zu Einkauf, Logistik und Vertrieb sowie auf kontinuierliche Weiterbildung und digitale Tools, die Transparenz und Flexibilität fördern“, sagt Hartwig. Am deutschen Hauptsitz werden jährlich rund 10.000 Zollanmeldungen abgewickelt – ein spezialisiertes Zollteam mit knapp 20 Mitarbeitenden europaweit sorgt für die Einhaltung aller relevanten Vorschriften und die reibungslose Abwicklung der internationalen Warenströme. Nexans entwickelt und produziert unter anderem Antriebskabelsätze, Bordnetze, Komfort- und Sicherheitskomponenten sowie Lösungen für die Verkabelung von E-Fahrzeugen, vor allem an Produktionsstandorten in Osteuropa und Nordafrika.
Unternehmen, die ihre Prozesse rechtzeitig anpassen – auch mit Blick auf die anstehende EU-Zollreform – und ein starkes, agiles Zollmanagement etablieren, können künftige Herausforderungen meistern und Wettbewerbsvorteile sichern, bestätigt IHK-Zollexpertin Ptak. Dabei gelte stets das Motto „von A bis Z“: Von Außenwirtschaftsrecht zur Zollabwicklung. „Man muss erst sicherstellen, dass die Lieferung erlaubt ist und alle wichtigen Eckpunkte bedacht wurden, bevor es an die operative Zollabwicklung geht. Zoll beginnt nicht erst beim Versand der Ware, Zoll beginnt bereits bei der Geschäftsanbahnung.
Autorinnen: Kerstin Ptak und Ramona Bayreuther