Weltweit handeln

Neue Märkte in schwierigen Zeiten

„Die Unternehmen müssen sich von Abhängigkeiten lösen und zusätzliche Märkte erschließen, um ihr Auslandsgeschäft krisenfest aufzustellen", sagte Thomas Hanauer, Vorsitzender des Ausschusses International der IHK Regensburg. Wie Diversifizierung und Resilienz entlang der Lieferkette gelingen können, beleuchtete der IHK-Ausschuss in seiner Sitzung im März.
Welche Potenziale Vietnam bietet, erläuterten Björn Koslowski und Van Hanh Le von der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Vietnam (AHK Vietnam). Laut dem stellvertretenden AHK-Geschäftsführer Koslowski punkte das Land mit qualifizierten Arbeitskräften. Als weitere wichtige Faktoren für ein geschäftliches Engagement in Vietnam nannte er die stabile politische Lage, die niedrige Körperschaftssteuer von nur 20 Prozent sowie die strategische günstige Lage am Meer in direkter Nachbarschaft zu China. Marktchancen sahen Koslowski und Van Hanh Le besonders für die Möbel- und Metallwarenindustrie sowie im Energiebereich, da der vietnamesische Staat stark in erneuerbare Energien investieren möchte.
Um Lieferketten sicher und nachhaltig zu gestalten, bieten die europäischen Märkte Chancen. Die Visegrád-Länder Polen, Tschechien, Ungarn und Slowakei gehören zu den dynamischsten Wachstumsregionen in Europa und sind zusammengenommen Deutschlands wichtigster Handelspartner – noch vor China. Ilona Balogh von der Deutsch-Ungarischen Industrie- und Handelskammer (DUIHK) in Budapest informierte die Mitglieder des IHK-Ausschusses über Potenzialbranchen und Standortvorteile. Ungarn überzeuge mit einem dichten Netz an Lieferanten und einer dynamisch wachsenden E-Mobility- und Batterienlandschaft.

Handelshürden erschweren das Auslandsgeschäft

International aktive Unternehmen sind zunehmend mit Handelshemmnissen und den Auswirkungen protektionistischer Außenwirtschaftspolitik konfrontiert. Das zeigte die diesjährige Umfrage „Going International“ der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), an der sich deutschlandweit 2.400 Betriebe beteiligten. Für mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen – so viele wie noch nie bei dieser Umfrage – waren die Hürden bei internationalen Geschäften höher geworden. Vor allem Zertifizierungs- und Sicherheitsanforderungen erhöhten den finanziellen und zeitlichen Aufwand bei Auslandsgeschäften. Dazu kamen Sanktionen im Zusammenhang mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine. Ein Fünftel der Unternehmen sah sich durch Local-Content-Bestimmungen, wie den Inflation Reduction Act in den USA, eingeschränkt: Durch staatliche Vorgaben, die ein Mindestmaß an Produktion im Inland vorschreiben, wurden lokale Betriebe bevorzugt und ausländische Produzenten benachteiligt.
Auch drei Jahre nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus dem EU-Binnenmarkt hatte sich das Auslandsgeschäft deutscher Unternehmen dort noch nicht stabilisiert. Martin Hess, Geschäftsführer der INTERTEC-Hess GmbH aus Neustadt/Donau, berichtete: „Die Stimmung bei Kunden und Mitarbeitern in UK ist schlecht; es sickert mehr und mehr das Gefühl durch, dass der Brexit ein Fehler war. Die Zollabwicklung ist jetzt vollkommen wie für ein Drittland durchzuführen“. Nur für das Russlandgeschäft waren die Perspektiven deutscher Unternehmen noch schlechter. Die besten Geschäftsaussichten sahen die Unternehmen in Nordamerika sowie in Europa und der Region Asien/Pazifik. In Ost- und Südosteuropa sowie China und Afrika hatten sich die bereits trüben Geschäftserwartungen der Unternehmen weiter verschlechtert.

Verlässliche Partner gefragt

Im August war Timothy Liston, der US-Generalkonsul für Bayern in München, in der IHK zu Gast. Mit IHK-Experten für das internationale Geschäft tauschte er sich über aktuelle Entwicklungen in den Wirtschaftsbeziehungen zwischen den USA und Ostbayern aus. In geopolitisch rauen Zeiten sind stabile Geschäftsbeziehungen mit verlässlichen Partnern besonders gefragt. „Die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen sind eine Erfolgsgeschichte mit langer Tradition“, betonte Liston. „Für die Zukunft sehen wir großes Potenzial, diese Zusammenarbeit noch weiter zu vertiefen.“ Deutsche Unternehmen waren und sind in den USA willkommene Geschäftspartner. Rund 350 Unternehmen aus unserem IHK-Bezirk Oberpfalz-Kelheim pflegten zu dem Zeitpunkt Geschäftsbeziehungen mit den USA. Laut einer IHK-Umfrage wurden die USA neben der Eurozone für die regionalen Unternehmen mittelfristig noch wichtiger, sowohl für Auslandsinvestitionen wie auch als Absatzmarkt. Neben der Größe des Marktes punkteten die USA unter anderem mit vergleichsweise günstigen Steuern und Energiepreisen. Ähnlich wie in Europa war jedoch auch jenseits des Atlantiks der Fachkräftemangel eine der größten Herausforderungen für die Betriebe. Generalkonsul Liston lobte in diesem Zusammenhang die Vorteile des deutschen dualen Ausbildungssystems.

Wirtschaft blickt nach Osten

Das Umfeld im globalen Handel wird rauer: Um Lieferketten gegen geopolitische Risiken abzusichern, setzen viele Betriebe auf das nahe gelegene Ausland. Beim Ost-West-Forum Bayern, ausgerichtet von der IHK Regensburg in Zusammenarbeit mit allen bayerischen IHKs, informierten sich im September rund 120 Teilnehmer aus Bayern über Marktpotenziale, Geschäftschancen und Strategieansätze in den diesjährigen Partnerländern Rumänien, Tschechien und der Slowakei.
Mehr als jedes zweite deutsche Unternehmen, das im Ausland aktiv ist, plante laut einer IHK-Umfrage die Erschließung neuer Märkte oder hatte dies bereits eingeleitet. Durch den Trend zum Nearshoring waren vor allem Länder in Ost- und Südosteuropa stärker in den Fokus der regionalen Betriebe gerückt. Pandemie, Lieferkettenprobleme, Krieg und Protektionismus – über die Zeitenwende im Außenhandel diskutierte IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Jürgen Helmes mit den Unternehmern Thomas Hanauer, emz, und Christoph Klenk, Krones AG, sowie Bernard Bauer, Geschäftsführer der Auslandshandelskammer (AHK) Tschechien und Edda Wolf von Germany Trade & Invest. Einig waren sich die Experten, dass jeder Auslandmarkt zunehmend Herausforderungen birgt. Doch mit Mut eröffneten gerade die ost- und südosteuropäischen Länder bayerischen Unternehmern bei der Erweiterung ihres Portfolios als stabile Partner viele Chancen.

Wirtschaft als Schrittmacher für das Herz Europas

Was sind die Herausforderungen in den Grenzregionen aus der Sicht der Unternehmen? Wohin steuert die Entwicklung der Grenzregion und welche Weichenstellungen sind für einen zukunftsfähigen Grenzraum zwischen Deutschland, Österreich und Tschechien notwendig? Darüber diskutierten die Tschechien-Experten der IHKs Bayreuth, Dresden und Regensburg sowie der Wirtschaftskammern Ober- und Niederösterreich in Regensburg. Die Grenzregionen haben eine besondere Standortqualität, die Kooperationsmöglichkeiten haben überall eine beeindruckende wirtschaftliche Dynamik entfaltet. Mit weit mehr als 60 Milliarden Euro Wirtschaftsleistung ist dabei der Wirtschaftsraum Oberpfalz-Kelheim – Pilsen heute eine strategische Entwicklungsachse im bayerisch-tschechischen Grenzraum und mit mehr als 13.000 Pendlern eine wichtige Fachkräftequelle für die ostbayerischen Unternehmen.
Doch immer öfter wird der Arbeits- und Fachkräftemangel zum Hemmschuh für Investitionen. Große Neuansiedlungen, wie etwa die vom VW-Konzern geplante Giga-Fabrik für Fahrzeugbatterien in Pilsen, weckten Bedenken im Mittelstand beiderseits der Grenze. Ein Grund mehr, alle Möglichkeiten der Anwerbungen von Fachkräften aus Drittstaaten zu mobilisieren und die bürokratischen Bremsen bei der Integration von Flüchtlingen und Zuwanderern zu lösen, so die Meinung der Experten.