Weltweit wirtschaften

Wachstum vor der Haustür

Nearshoring gilt angesichts der gegenwärtig unsicheren Weltwirtschaft als sichere Bank. Immer mehr deutsche Unternehmen entscheiden sich aufgrund der Stabilität und positiven wirtschaftlichen Entwicklung für Produktion und Handel mit den Ländern Ost- und Südosteuropas. Was in Polen, Ungarn und auf dem westlichen Balkan derzeit alles möglich ist, darüber diskutierten rund 120 Unternehmerinnen und Unternehmer mit Expertinnen und Experten auf dem Ost-West-Forum BAYERN in der IHK Regensburg im September.
„Wir brauchen verlässliche, aber auch neue wirtschaftliche Perspektiven“, sagte IHK-Vizepräsident Christian Volkmer bei seiner Begrüßung. „Die Länder Ost- und Südosteuropas sind vor allem auch mit Blick auf die gelungene EU-Osterweiterung wichtige Partner.“ Es böten sich für ostbayerische Betriebe enorme Chancen für Geschäftsaufbau und Investitionen. Bereits heute entfiele fast ein Fünftel des deutschen Außenhandels auf diese Region. Aus Sicht Volkmers kann da noch mehr gehen. Der Freistaat sieht das genauso und führt etwa mehrere Ausbildungsprojekte, Delegationsreisen und Informationsveranstaltungen in die Region durch, wie Gudrun Weidmann vom Bayerischen Wirtschaftsministerium erläuterte.
IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Jürgen Helmes betonte mit Blick auf die letzten beiden Jahrzehnte, wie positiv sich die Wirtschaftsbeziehungen ostbayerischer Unternehmen in die Region entwickelt hätten. Eszter Gárgyán, Volkswirtin der UniCredit Bank GmbH legte die ökonomischen Fakten auf den Tisch. Sie rechnet für Polen, Ungarn und den Westbalkan 2025 mit steigender Binnennachfrage, dank privaten Konsums und öffentlicher Investitionen. Die Chancen für die bayerische Wirtschaft stünden folglich weiterhin gut.
In einer Diskussionsrunde betonte IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Jürgen Helmes mit Experten und Unternehmern die Frage nach der langfristigen Zuverlässigkeit der Fokusländer für Ostbayerns Wirtschaft. Länderpanels und weitere Vorträge beleuchteten die Zielmärkte. Bei einem Netzwerkabend mit Bayerns Wirtschaftsstaatssekretär Tobias Gotthard wurden grenzüberschreitende Kontakte geknüpft.

Mercosur wäre ein Fortschritt

Als 1999 die Verhandlungen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay sowie Uruguay über ein Freihandelsabkommen begannen, war die Welt noch eine andere. „Der Abschluss des Mercosur-Abkommens nach 25 Jahren kommt spät, er setzt aber ein Zeichen, dass trotz geopolitischer Spannungen, Protektionismus und Handelskriegen freier Handel auf der Welt heute noch möglich ist“, betonte der Vorsitzende des Ausschusses International bei der IHK Regensburg Thomas Hanauer. Würde das Abkommen in Kraft gesetzt, entfielen Zölle zwischen der EU und den Mercosur-Staaten fast vollständig. Rohstoffversorgung und Lieferketten würden krisenfester, Dienstleistungen zwischen den Ländern einfacher und die Rechtssicherheit erhöht. Das Abkommen würde einen gemeinsamen Markt mit mehr als 700 Million Einwohnern schaffen, wovon gerade auch Ostbayerns Mittelstand profitieren könnte. 72 Prozent der deutschen Betriebe, die in den Mercosur-Raum exportieren, sind kleine und mittlere Unternehmen. Mit dem Freihandelsabkommen könnten jährlich vier Milliarden Euro an Zöllen wegfallen.
Das Abkommen gibt Europa und seinen Unternehmen einen wichtigen strategischen Zeitvorteil: Es ist das erste Mercosur-Abkommen mit einem bedeutenden Handelspartner. Hanauer appellierte an die EU, diesen Schwung jetzt zu nutzen, um auch bei den Verhandlungen über Freihandelsabkommen wie mit Indien und Indonesien auf die Zielgerade zu kommen: „Damit können die EU und Deutschland ein entschiedenes Zeichen für offene Weltmärkte setzen. Gleichzeitig steigert eine stärkere Diversifizierung der Lieferketten unsere wirtschaftliche Resilienz", sagte Hanauer.

Frischer Wind für die Grenzregion

Innovative Produkte und Prozesse sichern den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen und schaffen neue Geschäftsideen. Wer aber treibt diese konkret voran? Die Gründerszene in Ostbayern und Westböhmen nahm beim 5. Bayerisch-Tschechischen Innovationstag des Beratungsbüros des Bezirks Oberpfalz und der IHK Regensburg eine zentrale Rolle ein. Der Kongress lockte rund 100 Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Institutionen beiderseits der Grenze in den Tech Tower Pilsen. Neben Keynotes und Workshops präsentierten sich mehrere Start-ups aus beiden Ländern in kurzen Pitches.
Die drei Gewinner wurden von Tschechiens Generalkonsulin in München Dr. Ivana Červenková, dem Regierungspräsidenten der Oberpfalz Walter Jonas sowie Dr. Benjamin Zeitler, Geschäftsführer der Teleskop GmbH ausgezeichnet. Als deutsches Start-Up gewann GoatSwitch AI von Alex Netsch und Markus Weiß. Das Jungunternehmen entwarf ein KI-Tool, das Softwareentwicklern bei Wartungsaufgaben und der Modernisierung von Programmiercodes unter die Arme greift.
Tschechischer Sieger wurde AMITIA s.r.o. von Milan Legát. Sein Softwareprodukt gestaltet unter Einsatz von künstlicher Intelligenz und eines digitalen Zwillings die Produktionsplanung effektiver. Beide Preisträger können nun ein kostenfreies Unternehmens-Shadowing im jeweiligen Nachbarland absolvieren. Den Sonderpreis für die Teilnahme an einem Silicon-Valley-Programm gewann das tschechische Jungunternehmen TechInn von Kirill Kasaev. TechInn nutzt eine UV-LED-Technologie, um Viren im ÖPNV zu vermeiden.