Fachthemen

Verbraucherstreitbeilegung

Europaweit besteht die Pflicht, Streitschlichtungsstellen einzurichten. Was bedeutet das für Unternehmer?
Stand: Juli 2022
Der Weg zum Gericht ist für Unternehmer und Verbraucher häufig aufwändig und teuer. Die Schlichtungsstellen sollen es Verbrauchern und Unternehmern erleichtern, Streitigkeiten außergerichtlich beizulegen, wobei arbeitsvertragliche Streitigkeiten ausgenommen sind. Die Verbraucherschlichtung bietet für beide Seiten eine günstige Alternative. Für die Unternehmer sind besonders die dadurch entstandenen Informationspflichten zu beachten.

1. Online-Streit-Plattform (ODR-Verordnung)

Die Europäische Kommission hat zu diesem Zweck eine „Online-Streit-Plattform“ als zentrale Anlaufstelle für Verbraucherbeschwerden eingerichtet. Die Plattform leitet die Beschwerden an die Schlichtungsstellen vor Ort. Die Europäische Kommission finanziert die Plattform und gewährleistet die Datensicherheit.
Link zur Online-Streit-Plattform: https://ec.europa.eu/consumers/odr/

1.1 Wie läuft das Schlichtungsverfahren ab?

Die Beschwerde wird vom Verbraucher durch ein Formular über die Plattform eingereicht. Die Gegenpartei erhält das Beschwerdeformular. Innerhalb von 30 Tagen soll sich gemeinsam auf eine Streitbeilegungsstelle geeinigt werden. Der Bearbeitungszeitraum für die Streitigkeit beträgt in der Regel 90 Tage. Das Streitbeilegungsverfahren endet mit der Mitteilung des Ergebnisses. Dieses wird nicht veröffentlicht und ist nicht vollstreckbar. Die Möglichkeit das Gericht anzurufen, bleibt weiterhin bestehen.
Bei Streitigkeiten über (Online-)Verbraucherverträge gilt das Prinzip der freiwilligen Teilnahme an der Schlichtung. Jeder Unternehmer kann einwilligen, muss aber nicht. Die Allgemeine Schlichtungsstelle bearbeitet zunächst Beschwerden, die von Verbrauchern eingereicht wurden. Theoretisch bestünde die Möglichkeit, dass auch Unternehmer über die Plattform Beschwerden gegen Verbraucher einreichen. In der Praxis haben die Schlichtungsstellen derlei Beschwerden allerdings ignoriert. Es liegt in der Hand der Schlichtungsstellen, ob Unternehmerbeschwerden bearbeitet werden.

1.2 Was ist der Vorteil der außergerichtlichen Schlichtung?

Sie bietet eine pragmatische und kostensparende Alternative zum Gerichtsprozess, indem oft ein langwieriges Verfahren vor Gericht vermieden wird. Kostensparend ist die Schlichtung deshalb, da in einem Prozess die unterlegene Partei grundsätzlich die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, worunter auch die Rechtsanwaltskosten des Gegners gezählt werden können. Die Schlichtung schließt den Rechtsweg nicht aus: Dieser bleibt weiterhin bestehen.
Die Plattform überwindet Sprachbarrieren, indem sie eine Übersetzungsfunktion übernimmt.

1.3 Welche Kosten entstehen bei der Schlichtung?

Im Grundsatz gilt, dass die Schlichtungsstelle vom Unternehmer ein Entgelt verlangen kann. Wie hoch dieses ausfällt, liegt in ihrem Ermessen. Maximal 800 Euro kann die Schlichtungsstelle verlangen. Das zu zahlende Entgelt kann von der Steuer abgesetzt werden.

1.4 Anwendungsbereich der Online-Streit-Plattform

Von der Plattform umfasst sind alle Online-Kaufverträge oder Online-Dienstleistungsverträge zwischen einem in der Union wohnhaften Verbraucher und einem in der Union niedergelassenen Unternehmer. Die ODR-Verordnung definiert die Begriffe „Online-Kaufvertrag oder Online-Dienstleistungsvertrag“: Das sind Verträge, „bei dem der Unternehmer oder der Vermittler des Unternehmers Waren oder Dienstleistungen über eine Webseite oder auf anderem elektronischen Wege angeboten hat und der Verbraucher diese Waren oder Dienstleistungen auf dieser Webseite oder auf anderem elektronischen Weg bestellt hat“. Gemeint sind damit alle Kauf- oder Dienstleistungsverträge, die klassisch im Internet oder über Mailverkehr geschlossen werden.

1.5 Welche Streitigkeiten erfasst die Plattform?

Erfasst werden nur Streitigkeiten zwischen Unternehmern und Verbrauchern; Streitigkeiten im B2B-Verkehr, also Unternehmer gegen Unternehmer, sind nicht Gegenstand der Streitbeilegung.

1.6 Welche Pflichten sind umzusetzen? Wo sind die Informationen zu platzieren?

Mit Einführung der Schlichtungsstellen kamen auf die Unternehmer wichtige Pflichten zu. Der Unternehmer hat auf die Existenz der europäischen Plattform und die Möglichkeit, diese zu nutzen, hinzuweisen. Weiter hat er die Informationspflicht nach § 36 des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes umzusetzen, sofern er die Bereitschaft an der Streitbeilegung hat oder dazu verpflichtet ist.
Informationspflichten:
  • Informationspflicht nach Art. 14 Abs. 1 ODR-Verordnung
    Es muss ein leicht zugänglicher, anklickbarer Link auf die europäische Online-Streit-Plattform (https://ec.europa.eu/consumers/odr/) am besten in das Impressum gesetzt werden, da der Verbraucher den Link dort erwartet.
  • Informationspflicht nach Art. 14 Abs. 2 ODR-Verordnung
    Auch in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen muss ein zusätzlicher Hinweis erfolgen. Der Unternehmer weist auf die Existenz der europäischen OS-Plattform hin und auf die Möglichkeit, diese für die Beilegung von Streitigkeiten zu nutzen.
  • Informationspflicht nach § 36 Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VBSG)
    Die dritte Informationspflicht umfasst Verbraucherverträge, die nicht nur über den Online-Weg abgeschlossen wurden. Gesetzlich festgelegt ist diese Pflicht in § 36 VSBG. Es muss ein Hinweis erfolgen, ob der Unternehmer verpflichtet oder bereit ist, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen, sowie der Hinweis auf die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle (siehe Ziffer 2).
Wer also Online-Händler ist, muss sowohl die ODR-Verordnung beachten als auch das VSBG (siehe Ziffer 2).

1.7 Wer muss informieren?

Unternehmer, die mit Verbrauchern über Telemedien Kaufverträge oder Dienstleistungsverträge abschließen. Auch derjenige Unternehmer, der über eBay oder Amazon oder einer sonstigen Plattform verkauft, ist informationspflichtig. Es betrifft alle Unternehmer, die ihren Sitz in der EU haben.

1.8. Wie sieht der Informationstext aus?

Beispielhaft für die erste Pflicht:
„Online Schlichtung (als Überschrift): Die Europäische Kommission stellt eine Plattform zur Online-Streitbeilegung (OS) bereit, die Sie unter https://ec.europa.eu/consumers/odr/ finden.
Beispielhaft für die zweite Pflicht:
„Online Schlichtung (Überschrift): Die europäische Kommission stellt eine Plattform zur Online-Streitbeilegung (OS) bereit, die Sie unter https://ec.europa.eu/consumers/odr/ finden. Verbraucher haben die Möglichkeit, diese Plattform für die Beilegung ihrer Streitigkeiten zu nutzen.“

2. Das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG)

Das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz ist 2016 in Kraft getreten. Alle Verbraucherverträge gemäß § 310 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), das heißt Verträge zwischen Verbrauchern und Unternehmern, sind von dem Gesetz erfasst (unabhängig davon, auf welchem Weg sie abgeschlossen wurden) und demnach auch von den Informationspflichten gemäß der §§ 36 und 37 VSBG.

2.1 Pflicht aus § 36 VSBG

Unternehmen, die auch mit Verbrauchern Verträge schließen, müssen diese gemäß § 36 Abs. 1 VSBG in ihren AGB und auf der Webseite leicht zugänglich, klar und verständlich darüber informieren,
  • inwieweit sie bereit oder verpflichtet sind, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen, und
  • über die jeweilig zuständige Verbraucherschlichtungsstelle, wenn sie sich zur Teilnahme an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle verpflichtet haben oder gesetzlich verpflichtet sind.
Gesetzliche Verpflichtungen, an Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen, existieren bisher nur für einzelne Branchen (z. B. Banken und Versicherungen). Es kommt also grundsätzlich auf den Unternehmer selbst an, ob er an einem solchen Verfahren teilnehmen möchte oder nicht.
Achtung: Auch wenn ein Unternehmer nicht dazu bereit ist, an einem Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen, muss er auf seiner Webseite darauf hinweisen. Eine Ausnahme von dieser Informationspflicht gilt nur für Unternehmen, die zum 31. Dezember des Vorjahres zehn oder weniger Beschäftigte (hier zählen die Köpfe, nicht die Arbeitszeit) hatten.
Gemäß § 36 Abs. 2 VSBG müssen Unternehmer – soweit sie eine Webseite unterhalten – auf ihrer Webseite die Informationen zur Verfügung stellen und – soweit sie AGB verwenden – die Informationen auch dort angeben. Deshalb müssen diese Informationen sowohl im Impressum der Website (oder in einem eigenen Button „Verbraucherstreitbeilegung“) als auch in den AGB bereitgehalten werden.
Zur Klarstellung:
Diese Pflicht gemäß § 36 VSBG entfällt nur dann gänzlich, wenn das Unternehmen unter zehn Beschäftigte hat und nicht bereit ist, an einem Streitbelegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen.

2.2 Pflicht aus § 37 VSBG

Außerdem sind alle Unternehmer, die auch mit Verbrauchern Verträge schließen, gemäß § 37 Abs. 1 VSBG dazu verpflichtet, einen Verbraucher nach Entstehen einer Streitigkeit auf die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle hinzuweisen (mit Name, Anschrift und Website) sowie darüber zu informieren, ob sie bereit sind, an der Schlichtung teilzunehmen. Diese Informationen müssen in Textform erfolgen, also z. B. per Mail. Hier gibt es keine Ausnahme für Kleinbetriebe.

3. Schlichtungsstellen

Die Universalschlichtungsstelle des Bundes am Zentrum für Schlichtung e.V. mit Sitz in Kehl, https://www.verbraucher-schlichter.de, wurde durch den Bund eingerichtet. Bis 31.12.2019 hieß sie Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle des Zentrums für Schlichtung e.V.
Haben Sie Fragen rund um die Plattform, Schlichtungsstellen und Verbraucherrechte, dann können Sie sich an das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland wenden. Die Beratung ist kostenlos. Erreichbar ist das Zentrum unter 07851 991 480 oder Sie schreiben eine Mail an info@cec-zev.eu.

Dieses Merkblatt soll – als Service Ihrer IHK – nur erste Hinweise geben und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl es mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.