Fachthemen

Gerichtliches Mahnverfahren

Wenn das außergerichtliche Mahnverfahren keinen Erfolg hat, kann der Gläubiger vor Erhebung einer Klage ein gerichtliches Mahnverfahren einleiten.
Stand: Juli 2023
Durch das gerichtliche Mahnverfahren (geregelt in den §§ 688 ff. Zivilprozessordnung – ZPO) kann sich der Gläubiger, ohne den aufwändigen Weg eines Klageverfahrens einen Vollstreckungstitel verschaffen. Bei Erhalt des Vollstreckungstitels kann der Gläubiger die offene Zahlungsforderung beim Schuldner durch den Gerichtsvollzieher vollstrecken lassen.
Ein gerichtliches Mahnverfahren hat den Vorteil, dass es schneller und kostengünstiger gegenüber einer Klage ist. Es wird vom Gericht nicht geprüft, ob die Forderung des Gläubigers zu Recht besteht, und es werden keine Beweise erhoben. Wenn mit keinen Einwänden des Schuldners (Antragsgegner) gerechnet wird, ist das gerichtliche Mahnverfahren daher der Klage vorzuziehen.
Bevor Sie einen Mahnbescheid beantragen, sollten Sie prüfen, ob Sie dem Antragsgegner Ihre Forderungen in klarer, übersichtlicher Form in Rechnung gestellt haben. Holen Sie dies notfalls nach. Sonst könnte der Antragsgegner dem Mahnbescheid allein deshalb widersprechen, weil er nicht nachprüfen kann, welche Beträge für welche Leistungen im Einzelnen Sie von ihm verlangen.

1. Zulässigkeit

Das gerichtliche Mahnverfahren ist nur zulässig bei fälligen Ansprüchen auf Zahlung einer Geldsumme.
Das gerichtliche Mahnverfahren ist aber nicht möglich bei Verbraucherdarlehensverträgen, wenn der Unternehmer seine Zinsforderungen geltend machen will und der effektive oder anfänglich effektive Jahreszins mehr als zwölf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz liegt. Außerdem findet das gerichtliche Mahnverfahren nicht statt, wenn die Zahlung des Schuldners von einer Gegenleistung des Gläubigers abhängt und diese noch nicht erbracht wurde. Des Weiteren ist das gerichtliche Mahnverfahren unzulässig, wenn die Zustellung des Mahnbescheids durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen müsste (§ 688 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Für Mahnbescheide, die im Ausland zugestellt werden müssten, gelten besondere Vorschriften.

2. Ablauf des Verfahrens

Der Gang des gerichtlichen Mahnverfahrens ist gesetzlich genau geregelt. Zum besseren Verständnis des Verfahrensablaufs geben wir Ihnen nachfolgend einige Hinweise.

2.1 Zuständiges Gericht

Generell gilt, dass die sachliche und örtliche Zuständigkeit für die Durchführung eines gerichtlichen Mahnverfahrens ausschließlich beim Amtsgericht am Wohn-/ Geschäftssitz des Antragstellers (Gläubigers) liegt. Dabei spielt die Höhe der Geldforderung keine Rolle. In Bayern werden die Mahnverfahren zentral vom Amtsgericht Coburg bearbeitet.
Amtsgericht Coburg – Zentrales Mahngericht –
Heiligkreuzstraße 22a
96450 Coburg
Telefon: 09561 878-5
Fax: 09561 878-6666

2.2 Mahnantrag

Das Mahnverfahren wird nur durch Stellung eines Antrags auf Erlass eines Mahnbescheids eingeleitet. Antragsberechtigt ist dabei der Gläubiger einer Forderung. Er wird als Antragsteller bezeichnet. Für „manuelle“ Papieranträge besteht „Vordruckzwang“. Die Vordrucke sind im Schreibwarenhandel oder bei Fachverlagen erhältlich.
Das Zentrale Mahngericht Coburg bietet mit einem interaktiven Formular Antragstellern aus Bayern die Möglichkeit, Anträge auf Erlass eines Mahnbescheides online erfassen und auf Plausibilität überprüfen zu lassen.
Die Daten für einen Mahnantrag können online eingegeben werden. Nach einer Plausibilitätsprüfung kann der Antrag auf einen für das automatisierte gerichtliche Mahnverfahren zulässigen Vordruck unter Verwendung einer kostenlos erhältlichen Software ausgedruckt werden. Der unterschriebene Antrag kann anschließend auf dem Postweg an das Zentrale Mahngericht Coburg geschickt werden.
Tipp: Es gibt eine ausführliche Broschüre „Die maschinelle Bearbeitung der gerichtlichen Mahnverfahren“, in welcher der Ablauf des Mahnverfahrens erläutert und Hilfestellung beim Ausfüllen und Einreichen der Anträge gegeben wird.
Besitzer einer Chipkarte mit digitaler Signatur können den im Internet erstellten Mahnantrag online an das Mahngericht Coburg übersenden und damit Postlaufzeiten und Portokosten einsparen. Antragsteller, die eine professionelle Mahnsoftware einsetzen, können ihre Anträge aus der Mahnsoftware heraus an das Elektronische Gerichtspostfach (EGVP) des Zentralen Mahngerichts Coburg versenden.
Recherchieren Sie möglichst sorgfältig Namen, Anschriften, Gesellschaftsformen, Vertretungsberechtigte etc. aller Geschäftspartner. Dies erleichtert das Ausfüllen das Mahnantrags sowie dessen Zustellung.
Bezeichnung des für ein streitiges Verfahren zuständigen Gerichts
Neben dem Mahngericht muss zusätzlich das Gericht benannt werden, das für ein streitiges Klageverfahren sachlich und örtlich zuständig wäre. Sachlich zuständig ist für Ansprüche bis 5.000 Euro das Amtsgericht. Unabhängig vom Streitwert ist das Amtsgericht ebenfalls zuständig für Ansprüche aus Wohnraummietverhältnissen und Unterhaltsansprüche. Bei einem Streitwert von mehr als 5.000 Euro ist grundsätzlich das Landgericht zuständig. Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts richtet sich nach dem Wohn-/Geschäftssitz des Antragsgegners. Mittels des Justizportals können Sie das örtlich zuständige Gericht für einen Ort der Bundesrepublik Deutschland ermitteln.
Kosten
Der Mahnbescheid ist vorschusspflichtig. Die Kosten für die Durchführung des gerichtlichen Mahnverfahrens sind abhängig von der Höhe der Hauptforderung. Im Gegensatz zum Klageverfahren wird jedoch nur die Hälfte der Gerichtskosten – mindestens aber ein Betrag in Höhe von 36 Euro – berechnet. Grundsätzlich wird zusammen mit dem Erlass des Mahnbescheids maschinell eine Kostenrechnung für den Antragsteller gefertigt. Der Kostenrechnung ist ein vorbereiteter Zahlungsvordruck beigefügt, der für optische Beleglesung geeignet ist.
Ist die Rechtsverfolgung erfolgreich, hat der Schuldner die Kosten für die Durchführung des gerichtlichen Mahnverfahrens sowie eventuelle Rechtsanwalts- und Vollstreckungskosten zu tragen.
Nach Zustellung des Mahnbescheids erhält der Antragsteller (Gläubiger) vom Gericht eine Zustellungsnachricht, die das Datum der Zustellung sowie ggf. weitere Hinweise des Zustellers (z. B. neue Anschrift) enthält. Mit gleicher Post wird der Vordruck für den Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids übermittelt.

2.3 Widerspruch gegen den Mahnbescheid

Legt der Antragsgegner (Schuldner) innerhalb von zwei Wochen keinen Widerspruch gegen den Mahnbescheid ein, kann der Antragsteller (Gläubiger) einen Vollstreckungsbescheid beantragen.
Der Antragsgegner kann gegen den Mahnbescheid oder gegen Teile schriftlich Widerspruch einlegen. Der Vordruck für das Einlegen eines Widerspruchs liegt dem Mahnbescheid bei. Eine Begründung des Widerspruchs ist nicht erforderlich. Die zweiwöchige Widerspruchsfrist beginnt mit Zustellung des Mahnbescheids zu laufen. Ein später eingehender Widerspruch ist aber dennoch wirksam, wenn noch kein Vollstreckungsbescheid erlassen wurde.
Wird rechtzeitig Widerspruch erhoben und beantragt eine Partei die Durchführung des streitigen Verfahrens, so gibt das Mahngericht den Rechtsstreit von Amts wegen an das zuständige Prozessgericht ab. In diesem Verfahren kann sich der Antragsgegner gegen den behaupteten Anspruch mit sachlicher Begründung zur Wehr setzen. Die Geschäftsstelle des Gerichts, an das die Streitsache abgegeben wurde, fordert sodann den Antragsteller unverzüglich auf, seinen Anspruch binnen zwei Wochen zu begründen.

2.4 Vollstreckungsbescheid

Widerspricht der Antragsgegner dem Mahnbescheid nicht oder zu spät, kann der Gläubiger nach Ablauf der Widerspruchsfrist beim Gericht den Vollstreckungsbescheid beantragen. Das Amtsgericht erlässt dann einen Vollstreckungsbescheid auf Grundlage des nicht angefochtenen Mahnbescheids.
Der Antrag auf Erlass des Vollstreckungsbescheids muss spätestens sechs Monate nach Zustellung des Mahnbescheids gestellt werden und die Erklärung enthalten, ob und welche Zahlungen inzwischen auf den per Mahnbescheid geltend gemachten Anspruch geleistet worden sind. Legen Sie sich den Vorgang rechtzeitig auf Wiedervorlage und beantragen Sie möglichst bald nach Ablauf der Widerspruchsfrist den Vollstreckungsbescheid.
Der vom Amtsgericht erlassene Vollstreckungsbescheid dient als eigenständiger und vorläufig vollstreckbarer Titel zur Betreibung des Zwangsvollstreckungsverfahrens. Er wird dem Antragsgegner von Amts wegen an die im Mahnbescheid angegebene Adresse zugestellt. Der Antragssteller kann auch Parteizustellung beantragen. Hat der Schuldner in der Zwischenzeit seinen Aufenthalt gewechselt und ist seine neue Anschrift unbekannt und nicht ermittelbar, so kann das Mahngericht den Vollstreckungsbescheid im Wege der öffentlichen Zustellung durch Anheften an die Gerichtstafel zustellen.
Einspruch
Der Vollstreckungsbescheid ist durch den Einspruch im Ganzen oder auch nur teilweise anfechtbar. Der Einspruch erfolgt schriftlich und braucht – wie der Widerspruch gegen den Mahnbescheid – nicht begründet zu werden. Die Einspruchsfrist beträgt zwei Wochen. Sie kann nicht verlängert werden. Der Einspruch leitet in das Klageverfahren über. Wird Einspruch erhoben, so ist die Sache von Amts wegen an das im Mahnbescheid genannte zuständige Prozessgericht abzugeben.

2.5 Zwangsvollstreckung

Wenn der Schuldner auch nach Erlass und Zustellung eines Vollstreckungsbescheids nicht bezahlt, kann der Gläubiger zur Eintreibung seiner Geldforderung die Zwangsvollstreckung einleiten (geregelt in den §§ 704 ff. ZPO). Entsprechendes gilt beispielsweise, wenn der Gläubiger im Klageweg ein Urteil erwirkt hat, welches wie der Vollstreckungsbescheid einen Vollstreckungstitel darstellt.
Bei Verpflichtung zur Zahlung eines Geldbetrages wird sich die Zwangsvollstreckung danach richten, über welche Vermögensgegenstände der Schuldner verfügt. Der Gläubiger kann in das bewegliche und das unbewegliche Vermögen sowie in Geldforderungen vollstrecken lassen.
Das Bundesjustizministerium stellt dafür die aktuellen Formulare zur Verfügung.
Vollstreckung in das bewegliche Vermögen
Zuständig für die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen (z. B. Geld, Auto, Warenlager) ist der Gerichtsvollzieher des Amtsgerichts, in dessen Bezirk die Vollstreckung stattfinden soll. Bei der „Taschenpfändung“ ist der Gerichtsvollzieher zuständig, in dessen Bezirk sich die zu pfändende Sache befindet. Der Gerichtsvollzieher muss dazu vom Gläubiger beauftragt werden. Die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen erfolgt durch Pfändung. Gepfändetes Bargeld erhält der Gläubiger sofort. Andere Gegenstände versteigert der Gerichtsvollzieher öffentlich. Den hierdurch erzielten Erlös erhält der Gläubiger.
Vollstreckung in Grundeigentum
Bei Vollstreckung in das Grundeigentum (z. B. Grundstücke, Häuser, Wohnungen) des Schuldners kann der Gläubiger beim Vollstreckungsgericht die Zwangsvollstreckung beantragen. Zuständiges Vollstreckungsgericht ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Grundeigentum liegt. Die Zwangsvollstreckung kann entweder durch Zwangsversteigerung des Grundeigentums oder aber auch durch Zwangsverwaltung erfolgen. Mit der Zwangsverwaltung bekommt der Gläubiger die Einnahmen aus dem Grundstück, z. B. Pachtzahlungen. Als dritte Möglichkeit kann der Gläubiger eine Zwangshypothek im Grundbuch eintragen lassen, sofern seine Forderung mehr als 750 Euro beträgt.
Zwangsvollstreckung in Geldforderungen
Die Pfändung von Geldforderungen (z. B. Pacht- und Mieteinnahmen, Arbeitsentgelt) erfolgt durch einen sogenannten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Vollstreckungsgerichts. Zuständiges Vollstreckungsgericht ist das Amtsgericht, bei dem der Schuldner seinen Wohnsitz/Sitz hat. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss verbietet dem Drittschuldner (Arbeitgeber, Bank, Pächter, Mieter), Zahlungen an den Schuldner zu leisten und beinhaltet zugleich, dass dem Gläubiger das Geld überwiesen wird.
Zum Schutze des Schuldners gibt es Pfändungsfreigrenzen und Vorschriften über unpfändbare Gegenstände. Sinn dieser Schuldnerschutzvorschriften ist es, einen Ausgleich zwischen den Interessen des Gläubigers an dem Zugriff auf das Schuldnervermögen und der Existenzsicherung des Schuldners zu schaffen.

3. Forderungsdurchsetzung in der EU

2005 wurde in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (mit Ausnahme Dänemarks) ein Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Geldforderungen in Zivil- und Handelssachen eingeführt. Es besteht damit eine zusätzliche Möglichkeit, seine Forderungen gegen Schuldner in einem anderen EU-Mitgliedstaat durchzusetzen. Daneben bleibt das herkömmliche grenzüberschreitende Mahnverfahren möglich. Der Gläubiger kann frei wählen, welchen Antrag er stellt. Weitere Informationen enthält das IHK-Merkblatt „Forderungsdurchsetzung in der EU“.

Dieses Merkblatt soll – als Service Ihrer IHK – nur erste Hinweise geben und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl es mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.