Kündigung
Bei der Rechtsprechungsübersicht handelt es sich lediglich um eine kleine Auswahl von interessanten Entscheidungen, die nur zum Teil obergerichtliche Rechtsprechung beinhaltet. Trotz sorgfältiger Erstellung übernimmt die IHK keine Haftung dafür, dass die einzelnen Entscheidungen inhaltlich richtig und vollständig wiedergegeben wurden.
- Kündigung wegen beleidigender Äußerungen in privatem Chat
- Fristlose Kündigung wegen Arbeitszeitbetrug – Verwertung von Videoaufzeichnungen
- Fristlose Kündigung wegen “Krankfeiern”
- Kündigung wegen privater Internetnutzung
- Übergabe eines Kündigungsschreibens darf nicht abgelehnt werden
- Zugang des Kündigungsschreibens: Einwurf in Hausbriefkasten
- Krankheitsbedingte Kündigung bei ungewisser Genesung
- Kündigung wegen Alkoholerkrankung
- Zugang der Kündigung während der Haft
- Kündigung bei mehrjähriger Haftstrafe
- Fehlerhafte Sozialauswahl: Kündigung unwirksam
- Zahlreiche Abmahnungen entwerten Warnfunktion
- Konkurrenztätigkeit: fristlose Kündigung
- Zu späte Kündigung
- Kündigung wegen Verletzung einer Arbeitsanweisung
- Kündigung nach Ankündigung einer Arbeitsunfähigkeit
- Kündigung wegen fehlendem Krankheitsnachweis nur nach Abmahnung
- Belästigung einer Kollegin: Kündigungsgrund
- Anhörung des Betriebsrats muss zur Kündigung passen
- Kündigung wegen Minderleistung
Kündigung wegen beleidigender Äußerungen in privatem Chat
Urteil des Bundesarbeitsgerichts – BAG – vom 24. August 2023; Az.: 2 AZR 17/23
Ein Arbeitnehmer äußerte sich in einer privaten Chatgruppe, der auch andere Arbeitnehmer angehörten, über Vorgesetzte und andere Kollegen in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt auffordernder Weise. Als der Arbeitgeber von den Inhalten des Chats Kenntnis erlangte, wurde das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos gekündigt. Nach Auffassung des Gerichts konnte sich der Arbeitnehmer nicht pauschal auf Vertraulichkeit des Chats, der einer Kündigung entgegengestanden hätte, berufen. Eine Vertraulichkeitserwartung ist nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Dafür kommt es auf den Inhalt der Nachrichten, die Größe der Gruppe und die personelle Zusammensetzung an. Bei beleidigenden und menschenverachtenden Äußerungen über Betriebsangehörige kann dies nur im Ausnahmefall gelten, der hier (noch) nicht dargelegt wurde. Das Urteil wurde an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Fristlose Kündigung wegen Arbeitszeitbetrug – Verwertung von Videoaufzeichnungen
Urteil des Bundesarbeitsgerichts – BAG – vom 29. Juni 2023; Az.: 2 AZR 296/22
Nach einer Entscheidung des BAG dürfen Aufzeichnungen aus einer offenen Videoüberwachung bei einem Kündigungsschutzprozess verwendet werden, auch wenn die Videoüberwachung nicht vollständig datenschutzkonform erfolgt.
Der Arbeitnehmer wurde außerordentlich gekündigt, weil die Auswertung der Videoaufzeichnungen am Werkstor ergeben hatten, dass der Kläger das Werksgelände noch vor Schichtbeginn unentschuldigt wieder verlassen hatte. Die Auswertung geschah aufgrund eines anonymen Hinweises aus der Belegschaft. Am Werkstor war deutlich sichtbar eine Videokamera angebracht sowie ein Piktogramm. Der Arbeitnehmer klagte gegen die Kündigung und behauptete, er hätte an diesem Tag gearbeitet. Die Aufzeichnungen der Videokamera hätten im Prozess nicht verwertet werden dürfen. Die Richter teilten diese Auffassung nicht, sondern hielten dagegen, dass die Erkenntnisse aus der Videoüberwachung im Prozess Berücksichtigung finden dürfen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Datenerhebung wie hier offen erfolgt und vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers in Rede steht. In einem solchen Fall sei es ausnahmsweise irrelevant, ob die Videoüberwachung völlig im Einklang mit den datenschutzrechtlichen Regelungen stand.
Der Arbeitnehmer wurde außerordentlich gekündigt, weil die Auswertung der Videoaufzeichnungen am Werkstor ergeben hatten, dass der Kläger das Werksgelände noch vor Schichtbeginn unentschuldigt wieder verlassen hatte. Die Auswertung geschah aufgrund eines anonymen Hinweises aus der Belegschaft. Am Werkstor war deutlich sichtbar eine Videokamera angebracht sowie ein Piktogramm. Der Arbeitnehmer klagte gegen die Kündigung und behauptete, er hätte an diesem Tag gearbeitet. Die Aufzeichnungen der Videokamera hätten im Prozess nicht verwertet werden dürfen. Die Richter teilten diese Auffassung nicht, sondern hielten dagegen, dass die Erkenntnisse aus der Videoüberwachung im Prozess Berücksichtigung finden dürfen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Datenerhebung wie hier offen erfolgt und vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers in Rede steht. In einem solchen Fall sei es ausnahmsweise irrelevant, ob die Videoüberwachung völlig im Einklang mit den datenschutzrechtlichen Regelungen stand.
Fristlose Kündigung wegen “Krankfeiern”
Urteil des Arbeitsgerichts – ArbG – Siegburg vom 1. Dezember 2022; Az.: 5 Ca 1200/22
Das Arbeitsgerichts Siegburg hatte über den Fall einer Arbeitnehmerin zu entscheiden, die sich bei ihrem Arbeitgeber für zwei Tage krank gemeldet und währenddessen an einer "White Night Ibiza Party" teilgenommen hatte. Es sei von einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit auszugehen, die eine fristlose Kündigung rechtfertige.
Die Klägerin war bei der Beklagten als Pflegeassistentin beschäftigt. Sie war für Samstag und Sonntag zum Spätdienst eingeteilt. Für die Dienste meldete sie sich bei der Beklagten krank. In dieser Nacht fand in einer stadtbekannten Lokalität die White Night Ibiza Party statt, auf der Fotos von der feiernden Klägerin entstanden. Diese fanden sich auf dem WhatsApp-Status der Klägerin und auf der Homepage des Partyveranstalters. Die Beklagte kündigte ihr daraufhin fristlos. Hiergegen erhob die Arbeitnehmerin Kündigungsschutzklage.
Mit Urteil vom 16.12.2022 wies das Arbeitsgericht Siegburg die Klage ab. Die fristlose Kündigung sei rechtmäßig. Der wichtige Kündigungsgrund liege darin, dass die Klägerin über ihre Erkrankung getäuscht und damit das Vertrauen in ihre Redlichkeit zerstört habe. Für das Gericht stand aufgrund der Fotos fest, dass sie am Tage ihrer angeblich bestehenden Arbeitsunfähigkeit bester Laune und ersichtlich bei bester Gesundheit an der White Night teilgenommen hat, während sie sich für den Wochenenddienst gegenüber der Beklagten arbeitsunfähig meldete. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei dadurch erschüttert.
Ob die Entscheidung rechtskräftig wurde, ist nicht bekannt.
Die Klägerin war bei der Beklagten als Pflegeassistentin beschäftigt. Sie war für Samstag und Sonntag zum Spätdienst eingeteilt. Für die Dienste meldete sie sich bei der Beklagten krank. In dieser Nacht fand in einer stadtbekannten Lokalität die White Night Ibiza Party statt, auf der Fotos von der feiernden Klägerin entstanden. Diese fanden sich auf dem WhatsApp-Status der Klägerin und auf der Homepage des Partyveranstalters. Die Beklagte kündigte ihr daraufhin fristlos. Hiergegen erhob die Arbeitnehmerin Kündigungsschutzklage.
Mit Urteil vom 16.12.2022 wies das Arbeitsgericht Siegburg die Klage ab. Die fristlose Kündigung sei rechtmäßig. Der wichtige Kündigungsgrund liege darin, dass die Klägerin über ihre Erkrankung getäuscht und damit das Vertrauen in ihre Redlichkeit zerstört habe. Für das Gericht stand aufgrund der Fotos fest, dass sie am Tage ihrer angeblich bestehenden Arbeitsunfähigkeit bester Laune und ersichtlich bei bester Gesundheit an der White Night teilgenommen hat, während sie sich für den Wochenenddienst gegenüber der Beklagten arbeitsunfähig meldete. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei dadurch erschüttert.
Ob die Entscheidung rechtskräftig wurde, ist nicht bekannt.
Kündigung wegen privater Internetnutzung
Urteil des Landesarbeitsgerichts – LAG – Berlin-Brandenburg vom 14. Januar 2016; Az.: 5 Sa 657/15
Nutzt ein Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum während der Arbeitszeit den dienstlichen Internetanschluss exzessiv, rechtfertigt das eine außerordentliche Kündigung. Das hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg im Fall eines Gruppenleiters Konstruktion entschieden, der über einen Zeitraum von 30 Arbeitstagen 40 Stunden private Internetnutzung betrieben hatte. Der Arbeitgeber hatte die Privatnutzung in Ausnahmefällen während der Arbeitspausen gestattet.
Zum Nachweis der Privatnutzung hatte der Arbeitgeber die Verlaufsdaten in der Chronik des Internetbrowsers ausgewertet. In seiner Begründung weist das Gericht darauf hin, dass ein Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliege, weil bei der privaten Internetnutzung grundsätzlich die Arbeitspflicht verletzt werde. Die Privatnutzung dürfe die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung nicht erheblich beeinträchtigen. Die Pflichtverletzung wiege umso schwerer, als dadurch zeitlich und inhaltlich die Arbeitspflicht verletzt werde.
Vorliegend seien 16.369 Internetseiten aufgerufen worden und selbst bei Abzug von Pausen mindestens 24,86 Stunden Privatnutzung angefallen. Die ausgewerteten Einträge der Chronik des Internetbrowsers dürften im Kündigungsschutzprozess herangezogen werden. Es bestehe kein Beweisverwertungsverbot. Die außerordentliche Kündigung sei wirksam.
Vorliegend seien 16.369 Internetseiten aufgerufen worden und selbst bei Abzug von Pausen mindestens 24,86 Stunden Privatnutzung angefallen. Die ausgewerteten Einträge der Chronik des Internetbrowsers dürften im Kündigungsschutzprozess herangezogen werden. Es bestehe kein Beweisverwertungsverbot. Die außerordentliche Kündigung sei wirksam.
Übergabe eines Kündigungsschreibens darf nicht abgelehnt werden
Urteil des Bundesarbeitsgerichts – BAG – vom 26. März 2015; Az.: 2 AZR 483/14
Während einer Besprechung in den Geschäftsräumen des Arbeitgebers wurde einer Arbeitnehmerin ein Kündigungsschreiben präsentiert, welches diese beim Verlassen der Räume nicht mitnahm.
Wenn ein Empfänger grundlos die Entgegennahme eines Schreibens ablehnt, muss er sich nach § 242 BGB so behandeln lassen, als es sei es ihm zugegangen. Eine solche Zugangsfiktion setzt voraus, dass der Arbeitgeber eindeutig versucht hat, das Schreiben zu übergeben. Ein bloßes „Zeigen“ reiche nicht. Zeitpunkt des Zugangs ist dann der der Ablehnung. Arbeitnehmer müssen mit der Abgabe rechtserheblicher Erklärungen bezüglich ihres Arbeitsverhältnisses rechnen, da im Betrieb typischerweise Fragen dazu geregelt werden. Auf ein Verschulden kommt es nicht an. Arbeitnehmer haben hier eine Pflicht zur Rücksichtnahme und können den Arbeitgeber nicht auf den Postweg verweisen.
Wenn ein Empfänger grundlos die Entgegennahme eines Schreibens ablehnt, muss er sich nach § 242 BGB so behandeln lassen, als es sei es ihm zugegangen. Eine solche Zugangsfiktion setzt voraus, dass der Arbeitgeber eindeutig versucht hat, das Schreiben zu übergeben. Ein bloßes „Zeigen“ reiche nicht. Zeitpunkt des Zugangs ist dann der der Ablehnung. Arbeitnehmer müssen mit der Abgabe rechtserheblicher Erklärungen bezüglich ihres Arbeitsverhältnisses rechnen, da im Betrieb typischerweise Fragen dazu geregelt werden. Auf ein Verschulden kommt es nicht an. Arbeitnehmer haben hier eine Pflicht zur Rücksichtnahme und können den Arbeitgeber nicht auf den Postweg verweisen.
Zugang des Kündigungsschreibens: Einwurf in Hausbriefkasten
Urteil des Landesarbeitsgerichts – LAG – Rheinland-Pfalz vom 19. Februar 2015; Az.: 5 Sa 475/14
Wirft ein Arbeitgeber ein Kündigungsschreiben in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers ein, kann der Zugang im Zweifelsfall durch eine Zeugenaussage bewiesen werden. Das hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz im Fall eines Programmierers entschieden, dessen Arbeitgeber eine fristlose Kündigung im Beisein einer Zeugin in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers eingeworfen hatte. Der Arbeitnehmer setzte sich hiergegen nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist zur Wehr und verlangte eine nachträgliche Klagezulassung. In seiner Begründung weist das Gericht darauf hin, dass die Unwirksamkeit einer Kündigung innerhalb einer dreiwöchigen Klagefrist geltend gemacht werden müsse, andernfalls gelte die Kündigung als rechtswirksam. Vorliegend habe eine Zeugin stimmig und widerspruchsfrei bekundet, dass der Einwurf der Kündigung in den richtigen Hausbriefkasten erfolgt sei. Der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage sei zurückzuweisen. Wenn das Kündigungsschreiben bewiesenermaßen in den Hausbriefkasten gelangt sei, könne der Empfänger eine nachträgliche Klagezulassung nicht auf die Aussage stützen, das Schreiben sei aus ungeklärten Gründen nicht zu seiner Kenntnis gelangt. Die Kündigung sei daher wirksam.
Krankheitsbedingte Kündigung bei ungewisser Genesung
Urteil des Landesarbeitsgerichts – LAG – Schleswig-Holstein vom 14. Oktober 2014; Az.: 1 Sa 151/14
Das Landesarbeitsgericht hat entschieden, dass bei Kleinbetrieben eine Kündigung bei längerer Krankheitsdauer zulässig ist, sofern eine Genesung in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist.
Kündigt ein Arbeitgeber einer langjährig beschäftigten Mitarbeiterin in einem Kleinbetrieb mit fünf Arbeitnehmern nach einer längeren Krankheitsdauer ohne absehbaren Zeitpunkt der Genesung fristgerecht, ist diese Kündigung nicht treuwidrig. Das hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein im Fall einer Reno-Fachangestellten in einer Rechtsanwalts- und Notariatskanzlei entschieden. Sie war 2,5 Monate krank und konnte auf Nachfrage keine Angaben zu einer möglichen Genesung machen. Da eine befristete Ersatzeinstellung auf dem Arbeitsmarkt nicht möglich war und die Arbeitskraft dringend benötigt wurde, kündigte der Arbeitgeber fristgemäß. In seiner Begründung weist das Gericht darauf hin, dass ein Kleinunternehmer bei der Kündigung einer langjährigen Mitarbeiterin den Grundsatz von Treu und Glauben berücksichtigen müsse. Es müsse ein einleuchtender Kündigungsgrund vorliegen. Das sei vorliegend der Fall. Und der Arbeitgeber habe die dringend benötigte Arbeitskraft nicht durch eine befristete Ersatzeinstellung vom Arbeitsmarkt ersetzen können. Auch angesichts einer langen Beschäftigung der Mitarbeiterin von 19 Jahren falle die Interessenabwägung zugunsten des Betriebs aus. Die Kündigung sei wirksam.
Praxistipp: Kündigungen in Kleinunternehmen (mit regelmäßig nicht mehr als zehn Arbeitnehmern) unterliegen nicht der dreistufigen Prüfung nach den Grundsätzen der sozialen Rechtfertigung bei einer Kündigung wegen Krankheit nach dem Kündigungsschutzgesetz (vgl. § 1 Abs. 2 KSchG). Grenze ist hier der Grundsatz von Treu und Glauben. Dabei ist ausreichend, wenn es für die Kündigung einen „irgendwie einleuchtenden“ Grund gibt.
Kündigt ein Arbeitgeber einer langjährig beschäftigten Mitarbeiterin in einem Kleinbetrieb mit fünf Arbeitnehmern nach einer längeren Krankheitsdauer ohne absehbaren Zeitpunkt der Genesung fristgerecht, ist diese Kündigung nicht treuwidrig. Das hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein im Fall einer Reno-Fachangestellten in einer Rechtsanwalts- und Notariatskanzlei entschieden. Sie war 2,5 Monate krank und konnte auf Nachfrage keine Angaben zu einer möglichen Genesung machen. Da eine befristete Ersatzeinstellung auf dem Arbeitsmarkt nicht möglich war und die Arbeitskraft dringend benötigt wurde, kündigte der Arbeitgeber fristgemäß. In seiner Begründung weist das Gericht darauf hin, dass ein Kleinunternehmer bei der Kündigung einer langjährigen Mitarbeiterin den Grundsatz von Treu und Glauben berücksichtigen müsse. Es müsse ein einleuchtender Kündigungsgrund vorliegen. Das sei vorliegend der Fall. Und der Arbeitgeber habe die dringend benötigte Arbeitskraft nicht durch eine befristete Ersatzeinstellung vom Arbeitsmarkt ersetzen können. Auch angesichts einer langen Beschäftigung der Mitarbeiterin von 19 Jahren falle die Interessenabwägung zugunsten des Betriebs aus. Die Kündigung sei wirksam.
Praxistipp: Kündigungen in Kleinunternehmen (mit regelmäßig nicht mehr als zehn Arbeitnehmern) unterliegen nicht der dreistufigen Prüfung nach den Grundsätzen der sozialen Rechtfertigung bei einer Kündigung wegen Krankheit nach dem Kündigungsschutzgesetz (vgl. § 1 Abs. 2 KSchG). Grenze ist hier der Grundsatz von Treu und Glauben. Dabei ist ausreichend, wenn es für die Kündigung einen „irgendwie einleuchtenden“ Grund gibt.
Kündigung wegen Alkoholerkrankung
Urteil des Bundesarbeitsgerichts – BAG – vom 20. März 2014; Az.: 2 AZR 565/12
Wenn ein Arbeitnehmer alkoholkrank ist, kann eine ordentliche Kündigung wegen Alkoholerkrankung als personenbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt sein, wenn eine Prognose ergibt, dass der Arbeitnehmer seine geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr ordnungsgemäß erbringen wird, dies zu erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen führt, kein milderes Mittel zur Verfügung steht und dies auch bei einer Abwägung mit den Interessen des Arbeitnehmers nicht hingenommen werden muss. Dies hat das Bundesarbeitsgericht im Fall eines alkoholkranken Arbeitnehmers entschieden, der eine stationäre Entwöhnungsbehandlung abgebrochen hat, im Betrieb wiederholt alkoholauffällig geworden ist und dort mit schweren Gerätschaften, wie Bagger, Gabelstapler und Lader umgehen musste. Als er schließlich mit einem Firmenfahrzeug einen Unfall verursachte, kündigte der Arbeitgeber ordentlich. Das Gericht bejahte die erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen und stellte fest, dass eine Weiterbeschäftigung schon aus Gründen der Arbeitssicherheit nicht mehr möglich sei, da der Arbeitnehmer eine nicht unerhebliche Gefahr für sich und andere darstelle.
Zugang der Kündigung während der Haft
Urteil des Landesarbeitsgerichts – LAG – Schleswig-Holstein vom 19. März 2014; Az.: 6 Sa 297/13
Ein Kündigungsschreiben gilt als zugegangen, wenn es in den Hausbriefkasten der Wohnadresse des Arbeitnehmers eingeworfen wird. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer durch Krankheit, Urlaub, Haft oder sonstige Abwesenheit an der tatsächlichen Kenntnisnahme gehindert war. Dies hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein im Fall eines Arbeitnehmers entschieden, der nach einer 6-monatigen Haft Kündigungsschutzklage erhoben hat, nachdem er bei seiner Rückkehr das Kündigungsschreiben seines Arbeitgebers gelesen hatte, der nach einer Abmahnung vor mehr als 5 Monaten gekündigt hatte, weil der Arbeitnehmer (aufgrund der Haft) nicht mehr zu Arbeit erschienen war. Das Gericht führte aus, dass es für den Zugang des Kündigungsschreibens ohne Belang sei, ob der Arbeitgeber Kenntnis von der Haft habe. Der Arbeitnehmer müsse sicherstellen, dass er tatsächlich Kenntnis nehmen könne.
Kündigung bei mehrjähriger Haftstrafe
Urteil des Bundesarbeitsgerichts – BAG – vom 23. Mai 2013; Az.: 2 AZR 120/12
Kann ein Arbeitnehmer aufgrund voraussichtlich längerer Haftstrafe seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllen, darf der Arbeitgeber wegen haftbedingter Arbeitsverhinderung kündigen. Das hat das Bundesarbeitsgericht im Fall eines bei einem Autohersteller beschäftigten Fahrzeugpolsterers entschieden. Der Arbeitnehmer war nach einer zur Bewährung ausgesetzten Strafe von zwei Jahren aufgrund eines erneuten Drogendelikts während der Bewährungszeit wegen Betreibens einer Cannabis-Plantage verhaftet und in Untersuchungshaft genommen worden. Nachdem der Arbeitgeber den Rechtsanwalt des Arbeitnehmers angehört hatte, kündigte der Arbeitgeber fristlos und hilfsweise ordentlich. In seiner Begründung weist das Gericht darauf hin, dass der Arbeitgeber zu einer personenbedingten Kündigung berechtigt sei, wenn ein Arbeitnehmer haftbedingt voraussichtlich für eine erhebliche Zeit seiner Arbeitspflicht nicht nachkommen könne. Der Arbeitgeber müsse dafür eine Prognose anstellen, eine strafgerichtliche Verurteilung müsse dafür noch nicht zwingend erfolgt sein. Auch während der Untersuchungshaft könne die Kündigung gerechtfertigt sein, wenn die der vorläufigen Inhaftierung zugrunde liegenden Umstände mit hinreichender Sicherheit die Prognose einer längeren Haftstrafe stützen. Weil aber eine Fehleinschätzung der Prognose nicht auszuschließen sei, habe der Arbeitgeber alle zumutbaren Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung zu unternehmen und dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu gewähren. Zusätzlich müsse die voraussichtliche Nichterfüllung der Arbeitspflicht Nachteile für das Arbeitsverhältnis haben, wobei die Haftdauer und das Ausmaß der betrieblichen Auswirkungen zu berücksichtigen seien. Überbrückungsmaßnahmen seien dem Arbeitgeber nicht zumutbar, wenn im Zeitpunkt der Kündigung mit einer mehrjährigen haftbedingten Arbeitsverhinderung zu rechnen sei.
Fehlerhafte Sozialauswahl: Kündigung unwirksam
Urteil des Bundesarbeitsgerichts – BAG – vom 29. März 2013; Az.: 2 AZR 271/12
Will ein Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen, sind in die Sozialauswahl alle objektiv vergleichbaren Arbeitnehmer einzubeziehen. Bei einem Leiharbeitgeber sind dies alle Arbeitnehmer desselben Betriebs, unabhängig davon, ob sie einsatzfrei oder im Einsatz sind. Das hat das Bundesarbeitsgericht im Fall eines als Leiharbeiter beschäftigten Vorarbeiters als Flugzeugreiniger entschieden, dem der Arbeitgeber gekündigt hatte. Der Arbeitnehmer rügte die vorgenommene Sozialauswahl. In seiner Begründung weist das Gericht darauf hin, dass in die Sozialauswahl alle objektiv miteinander vergleichbaren Arbeitnehmer einzubeziehen seien. Vergleichbar seien sie dann, wenn sie bezogen auf die Merkmale des Arbeitsplatzes nach ihren Fähigkeiten und Kenntnissen wie auch nach dem Inhalt der vertraglich zu leistenden Arbeiten austauschbar seien. Dagegen fehle es an der Austauschbarkeit, wenn dem Arbeitgeber eine Versetzung oder Umsetzung des Arbeitnehmers rechtlich nicht einseitig möglich sei. Vorliegend habe der Arbeitgeber versäumt, andere Arbeitnehmer in die Sozialauswahl einzubeziehen, die sozial weniger schutzwürdig gewesen seien. Der Einbeziehung stehe nicht entgegen, dass sie nicht demselben Betrieb angehörten. Bei einem Betrieb der Arbeitnehmerüberlassung seien alle zum Zweck der Arbeitnehmerüberlassung an Dritte beschäftigten Arbeitnehmer einzubeziehen, nicht nur die einsatzfreien, sondern auch die im Einsatz Befindlichen.
Zahlreiche Abmahnungen entwerten Warnfunktion
Urteil des Landesarbeitsgerichts – LAG – Köln vom 12. März 2013; Az.: 11 Sa 919/12
Mahnt ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer aufgrund zahlreicher identischer Pflichtverletzungen immer wieder ab ohne Konsequenzen zu ziehen, wird die Warnfunktion der Abmahnung durch dieses Verhalten des Arbeitgebers entwertet. Eine anschließende Kündigung kann daher unwirksam sein. Das hat das Landesarbeitsgericht Köln im Fall einer Bäckerei entschieden. Der Arbeitgeber hatte einen dort beschäftigten Fahrer binnen viereinhalb Jahren siebenmal wegen unentschuldigten Fehlens abgemahnt und ihm dann beim nächsten erneuten Verstoß fristgemäß gekündigt. In seiner Begründung weist das Gericht darauf hin, dass der Arbeitgeber trotz wiederholter Pflichtverletzungen in einem relativ kurzen Zeitraum keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen gezogen und die Abmahnungen durch inkonsequentes Verhalten die Warnfunktion verloren hätten. Die Abmahnungen hätten auch keinen Steigerungsgrad aufgewiesen, sondern nur stereotyp gerügt und arbeitsrechtlich gedroht. Daher habe der Arbeitnehmer die Ernsthaftigkeit der Bedrohung des Arbeitsverhältnisses in Frage stellen können. Die Kündigung sei daher unwirksam.
Konkurrenztätigkeit: fristlose Kündigung
Urteil des Landesarbeitsgerichts – LAG – Hessen vom 28. Januar 2013; Az.: 16 Sa 593/12
Macht ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber unerlaubte Konkurrenz, kann das eine außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers rechtfertigen. Das hat das Landesarbeitsgericht Hessen im Fall eines Rohrleistungsmonteurs in einem Unternehmen für Abfluss- und Rohrsanierungen entschieden. Der Monteur hatte im Rahmen der Arbeit für seinen Arbeitgeber bei einer Kundin mit einer Spezialkamera Abflussrohre untersucht und einige Tage später die Schadensbehebung durch Verlegung neuer Abflussrohre vorgenommen. Dafür ließ er sich von der Kundin 900 Euro in bar auszahlen, die er gegenüber dem Arbeitgeber nicht abrechnete. Der Arbeitgeber erfuhr davon vier Jahre später, als die Kundin sich wegen Nachbesserungsansprüchen aufgrund mangelhafter Ausführung der Arbeiten meldete. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin fristlos. In seiner Begründung weist das Gericht darauf hin, dass der Monteur durch das Verhalten seine arbeitsvertraglichen Pflichten massiv verletzt habe. Es sei einem Arbeitnehmer nicht gestattet, im Arbeitsbereich seines Arbeitgebers Dienstleistungen auf eigene Rechnung zu erbringen. Der Arbeitsbereich stehe dem Arbeitgeber ohne Einschränkung und ohne Gefahr nachteiliger Beeinflussung durch die eigenen Arbeitnehmer zu. Die außerordentliche Kündigung sei daher wirksam.
Zu späte Kündigung
Urteil des Landesarbeitsgerichts – LAG – Hamm vom 08. November 2012; Az.: 15 Sa 1094/12
Will ein Arbeitgeber einem schwerbehinderten Mitarbeiter außerordentlich kündigen und erklärt die Kündigung erst am siebten Tag nach der erteilten Zustimmung durch das Integrationsamt, ist dies nicht mehr unverzüglich und die Kündigung daher unwirksam. Das hat das Landesarbeitsgericht Hamm im Fall eines in der Landeswasserwirtschaft beschäftigten Kraftfahrers entschieden. Der Arbeitgeber wollte dem Arbeitnehmer nach einer aus Sicht des Arbeitgebers angekündigten Krankheit außerordentlich kündigen. Wegen der Schwerbehinderteneigenschaft des Arbeitnehmers holte der Arbeitgeber die Zustimmung des Integrationsamtes ein. Durch zögerliche Abläufe beim Arbeitgeber wurde die Kündigung erst drei Tage nach Eingang vom Vorstand unterzeichnet und danach mit allgemeiner Post versandt. Dadurch ging sie erst am siebten Tag nach Erhalt der Zustimmung des Integrationsamts beim Arbeitnehmer ein. In seiner Begründung weist das Gericht darauf hin, dass damit die im Sozialgesetzbuch geforderte Unverzüglichkeit unter Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und unter Berücksichtigung der objektiven Umstände nicht mehr gegeben sei. Geschäftsgänge müssten auch den Begriff der Unverzüglichkeit berücksichtigen, wenn eine gesetzliche Bestimmung dieses sehr rasche Tätigwerden verlange. Der Arbeitgeber – eine Behörde mit 1.600 Beschäftigen – habe keine hinreichende Erklärung für den zögerlichen Ablauf gegeben.
Kündigung wegen Verletzung einer Arbeitsanweisung
Urteil des Landesarbeitsgerichts – LAG – Hamm vom 20. September 2012; Az.: 15 Sa 350/12
Wenn ein Arbeitnehmer eine Arbeitsanweisung schuldhaft verletzt und dadurch eine Schädigung des Arbeitgebers verursacht, kann das nach einschlägiger Abmahnung eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Das hat das Landesarbeitsgericht Hamm im Fall eines Hilfsarbeiters in einem Druckereibetrieb entschieden, der eine schriftliche Arbeitsanweisung nicht eingehalten hatte. Zur Vorbereitung eines Druckauftrags hatte er durch falsche Materialverwendung für die Papierschneidemaschine eine halbstündige Zeitverzögerung verursacht. Vorangegangen waren binnen eines Jahres sieben Abmahnungen, von denen zumindest vier ähnliche Verfehlungen betrafen. In seiner Begründung weist das Gericht darauf hin, dass es sich um eine schuldhafte arbeitsvertragliche Pflichtverletzung gehandelt habe, die zu einer konkreten betrieblichen Beeinträchtigung mit einem halbstündigen Stillstand der Druckmaschine und Mehrarbeit für Mitarbeiter geführt habe. Die Kündigung sei auch verhältnismäßig. Wegen der Beharrlichkeit und Häufigkeit und der konkreten betrieblichen Beeinträchtigungen überwiege das Lösungsinteresse des Arbeitgebers gegenüber dem Bestandsinteresse des Arbeitnehmers an seinem Arbeitsverhältnis. Es bestehe eine negative Zukunftsprognose, die durch die vorher erteilten, einschlägigen schriftlichen Abmahnungen gestützt werde.
Kündigung nach Ankündigung einer Arbeitsunfähigkeit
Urteil des Landesarbeitsgerichts – LAG – Hamm vom 21. Juli 2012; Az.: 8 Sa 315/12
Schlägt ein Arbeitnehmer nach Ablehnung seines aus betrieblichen Gründen abgelehnten Urlaubswunsches dem Arbeitgeber vor, Urlaub zu gewähren, um die Erkrankung auszukurieren, liegt in diesem Verhalten eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung. Das hat das Landesarbeitsgericht Hamm im Fall eines Lkw-Fahrers entschieden, dessen Urlaubsantrag vom Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen wiederholt abgelehnt worden war und der dem Arbeitgeber vorschlug, keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen, wenn er Urlaub erhalte. Er werde dann nach dem Urlaub geheilt seine Arbeit wieder aufnehmen. Der Arbeitgeber nahm dies zum Anlass für eine außerordentliche und hilfsweise eine ordentliche Kündigung. In seiner Begründung sieht das Gericht in dem Angebot des Arbeitnehmers, sich als Alternative zur Urlaubsgewährung vom behandelnden Arzt krankschreiben zu lassen, eine unzulässige Ausübung von Druck auf den Arbeitgeber. Auch ein objektiv arbeitsunfähiger Arbeitnehmer, der berechtigt sei, der Arbeit fern zu bleiben, dürfe seine Entscheidung hiervon Gebrauch zu machen nicht davon abhängig machen, dass der Arbeitgeber unter Druck gesetzt werde, einem aus betrieblichen Sachgründen abgelehnten Urlaubwunsch nachzugeben. Im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung sei jedoch zu berücksichtigen, dass es sich um ein einmaliges und erstmaliges Fehlverhalten nach über zwanzigjähriger unbeanstandeter Tätigkeit gehandelt habe. Die Kündigung sei daher unzulässig gewesen, weil vorher keine Abmahnung erfolgte.
Kündigung wegen fehlendem Krankheitsnachweis nur nach Abmahnung
Urteil des Landesarbeitsgerichts – LAG – Rheinland-Pfalz vom 21. Juni 2012; Az.: 8 Sa 58/12
Verletzt ein Arbeitnehmer im Krankheitsfall die Nachweispflicht über die Arbeitsunfähigkeit, rechtfertigt dieses Verhalten ohne vorherige Abmahnung weder eine außerordentliche noch eine ordentliche Kündigung. Das hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz im Fall einer Rettungssanitäterin entschieden, die im Zusammenhang mit einer Erkrankung und anschließender Operation wegen eines Karpaltunnelsyndroms für einen Zeitraum von drei Fehltagen keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegte. Später gab der behandelnde Arzt eine Erklärung ab, wonach die Arbeitnehmerin hätte arbeitsunfähig geschrieben werden müssen. Der Arbeitgeber nahm das Verhalten der Arbeitnehmerin zum Anlass für eine Kündigung. In seiner Begründung weist das Gericht darauf hin, dass die Arbeitnehmerin sowohl die ihr obliegende Anzeigepflicht wie auch die Nachweispflicht für die drei Fehltage verletzt habe, denn sie habe ihre Arbeitsunfähigkeit für diesen Zeitraum weder bekannt gegeben noch habe sie ein Attest als Nachweis übermittelt. Daher könne dem Arbeitgeber ein Leistungsverweigerungsrecht bezüglich der Lohnfortzahlung für diesen Zeitraum zustehen (vgl. § 7 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz). Es sei aber nicht davon auszugehen, dass die Arbeitnehmerin ungerechtfertigt der Arbeit fern geblieben sei. Denn sie habe ihre fortbestehende Arbeitsunfähigkeit durch eine schriftliche Erklärung ihres Arztes substantiiert dargelegt. Die Verfehlung der verletzten Anzeige- und Nachweispflicht rechtfertige ohne vorherige einschlägige Abmahnung keine Kündigung.
Belästigung einer Kollegin: Kündigungsgrund
Urteil des Bundesarbeitsgerichts – BAG – vom 19. April 2012; Az.: 2 AZR 258/11
Stellt ein Arbeitnehmer einer Kollegin im Betrieb unter bewusster Missachtung des entgegenstehenden Willens beharrlich nach, kann dies einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen. Das hat das Bundesarbeitsgericht im Fall eines Verwaltungsangestellten im Immobilienmanagement einer Kommune entschieden. Der schwerbehinderte Arbeitnehmer (GdB 80) hatte die Kollegin über einen Zeitraum von vier Monaten mit mehr als 120 E-Mails, SMS und MMS bedrängt und belästigt, obwohl sie sich eindeutig abweisend gezeigt hatte. Der Arbeitgeber kündigte mit Zustimmung des Personalrats und des Integrationsamtes außerordentlich; dagegen setzte sich der Arbeitnehmer zur Wehr. In seiner Begründung weist das Gericht darauf hin, dass in dem beharrlichen Nachstellen unter bewusster Missachtung des entgegenstehenden Willens ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung liegen könne. Denn es liege eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Betroffenen und eine erhebliche Verletzung des Rücksichtnahmegebots auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers vor, der seinerseits die Integritätsinteressen seiner Mitarbeiter schützen müsse. Entscheidend seien die Umstände des Einzelfalls, wie Ausmaß und Intensität der Pflichtverletzung und deren Folgen, eine etwaige Wiederholungsgefahr und der Verschuldensgrad. Einer Abmahnung bedürfe es nicht, wenn eine Verhaltensänderung zukünftig nicht zu erwarten sei oder die Pflichtverletzung so gravierend sei, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber erkennbar ausgeschlossen sei. Da das Gericht die hierfür erforderlichen Sachaufklärungen noch nicht für ausreichend hielt, verwies es den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung und Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
Anhörung des Betriebsrats muss zur Kündigung passen
Urteil des Landesarbeitsgerichts – LAG – Hessen vom 18. April 2012; Az.: 18 Sa 1474/12
Hört ein Arbeitgeber den Betriebsrat zu einer beabsichtigten Tatkündigung an, kann er damit nicht im Arbeitsgerichtsprozess eine Verdachtskündigung stützen. Das hat das Landesarbeitsgericht Hessen im Fall eines Verkaufsmitarbeiters in der Getränkeabteilung eines Einkaufsmarktes entschieden. Dem Arbeitnehmer wurde vorgeworfen, vier String-Tangas im Wert von zusammen 20 Euro gestohlen zu haben. Aufgrund von Verdachtsmomenten wurde in Abwesenheit des Arbeitnehmers heimlich eine Spindkontrolle durchgeführt. Nach Anhörung des Betriebsrats sprach der Arbeitgeber eine fristlose und hilfsweise eine ordentliche Kündigung aus. In seiner Begründung weist das Gericht darauf hin, dass der Betriebsrat nur zur Tatkündigung angehört worden sei. Den formularmäßigen Anhörungsschreiben sei nicht zu entnehmen, dass vorsorglich auch eine Verdachtskündigung beabsichtigt sei. Daher sei der Arbeitgeber mit dem Vorbringen einer Verdachtskündigung im Kündigungsprozess ausgeschlossen. Die der Kündigung zugrunde liegende Tatkündigung sei unwirksam, weil die vorgeworfene Tat nicht bewiesen sei. Das Beweisangebot zur Vernehmung von Zeugen der heimlichen Spindkontrolle unterliege einem Beweiserhebungsverbot, weil mit der Spinddurchsuchung das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers unzulässig verletzt worden sei.
Kündigung wegen Minderleistung
Urteil des Landesarbeitsgerichts – LAG – Rheinland-Pfalz vom 20. Januar 2012; Az.: 9 Sa 308/11
Wenn ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer verhaltensbedingt wegen Nichterfüllung der in ihn gesetzten Erwartungen kündigt, muss er detailliert darlegen, welche Aufgaben vom Arbeitnehmer nicht oder unzureichend erfüllt wurden. Das hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz im Fall eines Produktionsleiters in einem Industrieunternehmen entschieden. Nach einem Beratungsgespräch mit einer Technologieberatungsstelle wurde der Produktionsleiter vom Arbeitgeber aufgefordert, binnen einer Woche ein konkretes Konzept zur Optimierung der Betriebsorganisation vorzulegen, woraufhin der Produktionsleiter ein 16-seitiges Konzept mit Anlagen zur Mängelbehebung vorlegte. Wenige Tage später erklärte der Arbeitgeber die verhaltensbedingte Kündigung, gegen die der Arbeitnehmer sich zu Wehr setzte. In seiner Begründung weist das Gericht darauf hin, dass die Kündigung sozial nicht gerechtfertigt sei. Der Arbeitgeber sei darlegungspflichtig dafür, dass der Produktionsleiter erneut die ihm obliegenden Arbeitsaufgaben nicht oder unzureichend erfüllt habe. Es fehle vorliegend an einer nachvollziehbaren Darlegung, inwieweit die in dem Konzept genannten Vorschläge den Anforderungen nicht entsprächen. Im Hinblick auf eine personenbedingte Kündigung wegen Minderleistung sei der Sachvortrag des Arbeitgebers zu unkonkret, um eine Unterschreitung der berechtigten Gleichwertigkeitserwartung des Arbeitgebers in einem Ausmaß zu begründen, wonach das Festhalten am Arbeitsvertrag unzumutbar sei.