Omnibus-Paket zu Nachhaltigkeit

Mit dem Omnibus-Paket schlägt die EU-Kommission weitreichende Vereinfachungen mit Blick auf Nachhaltigkeitsberichts- und Sorgfaltspflichten vor. Für zahlreiche Unternehmen würde dadurch eine substanzielle Entlastung, mitunter sogar eine komplette Befreiung von den gesetzlichen Nachhaltigkeitspflichten ausgelöst.
Die Übersicht des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages (BIHK) e.V. informiert über aktuelle politische Entwicklungen und zeigt auf, wie mit den bestehenden regulatorischen Unsicherheiten umgegangen werden kann (Stand: 28.04.2025).

Omnibus-Paket zu Nachhaltigkeit kündigt Entlastung an

Am 26. Februar 2025 hat die EU-Kommission ein Omnibus-Paket mit Änderungsvorschlägen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD), EU-Taxonomie, Lieferkettensorgfaltspflichten (CSDDD) und zum CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) vorgelegt. Ziel ist es, Unternehmen zu entlasten und auch den Aufwand für indirekt betroffene kleine und mittlere Unternehmen zu reduzieren.
Die Änderungsvorschläge werden im Laufe des Jahres 2025 im Europäischen Parlament und Rat diskutiert. Änderungen sind also durchaus noch möglich. Eine Einigung wird Anfang 2026 erwartet. Bis dahin sind Berichtspflichten und Sorgfaltspflichten mittels des „Stop-the-Clock“-Verfahren vorübergehend ausgesetzt.

Die zentralen Änderungsvorschläge der EU-Kommission im Überblick

Anpassung der Nachhaltigkeitsberichterstattung

  • Die Berichtspflicht nach CSRD soll künftig nur noch für große Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeitenden und einem Umsatz von über 50 Millionen Euro oder einer Bilanzsumme von mehr als 25 Millionen Euro gelten.
  • Die Anwendung der Richtlinie wird für neu berichtspflichtige Unternehmen um zwei Jahre verschoben – es muss erstmals über das Geschäftsjahr 2027 berichtet werden (bereits beschlossen).
  • Die aktuellen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) sollen aktualisiert und vereinfacht werden. Die bislang vorgesehenen sektorspezifischen Standards sollen entfallen.
  • Ein freiwilliger Nachhaltigkeitsberichtsstandard (VSME) soll kleinen und mittleren Unternehmen Orientierung bieten und Nachhaltigkeitsabfragen in der Lieferkette weitgehend standardisieren.
  • Der Umfang der gemäß Artikel 8 der Taxonomie-Verordnung zu berichtenden Daten soll reduziert werden. Die Berichterstattung für Unternehmen mit einem Umsatz unter 450 Millionen Euro ist freiwillig.
  • Die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte soll ausschließlich mit begrenzter Sicherheit („limited assurance“) erfolgen, das Prüfungsniveau auch zu keinem späteren Zeitpunkt auf hinreichende Sicherheit („reasonable assurance“) angehoben werden. Die Prüfung würde somit auf die Plausibilität der Sachverhalte fokussieren und wäre weniger umfangreich.

Erleichterungen bei der Lieferkettenrichtlinie (CSDDD)

  • Die Sorgfaltspflichten sollen i.d.R. auf eigene Aktivitäten, Tochtergesellschaften und direkte Geschäftspartner beschränkt werden.Indirekte Geschäftspartner sollen erst bei „plausiblen Informationen“ über Risiken oder Verstöße einbezogen werden müssen.
  • Unternehmen sollen alle fünf Jahre statt jährlich die Angemessenheit und Wirksamkeit ihrer Sorgfaltspflichtmaßnahmen überprüfen müssen, die Pflicht zum Abbruch von Geschäftsbeziehungen als ultima ratio soll entfallen.
  • Zivilrechtliche Haftung und Bußgelduntergrenze (5 % des Umsatzes) sollen gestrichen werden. Verwiesen wird stattdessen auf nationale Rechtsvorschriften.
  • Der Aufwand für kleine und mittlere Unternehmen soll reduziert werden, indem der Informationsabruf durch Großunternehmen auf den VSME[1]Standard begrenzt wird.

Vereinfachungen des CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM)

  • Kleine Importeure werden durch die Einführung einer jährlichen Bagatellgrenze von 50t für den Import von unter CBAM fallende Waren (über alle Produktgruppen hinweg) von den CBAM-Verpflichtungen befreit.
  • Für Importeure, die weiterhin unter CBAM fallen, soll es Erleichterungen bei der Einhaltung der Berichtsanforderungen geben.
  • Auch die Berechnung von Emissionen soll vereinfacht werden.
Das Omnibusverfahren wird auch von der Bundesregierung unterstützt. Laut Koalitionsvertrag soll das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zudem durch ein neues Gesetz zur internationalen Unternehmensverantwortung, das die EU-Vorgaben 1:1 umsetzt, ersetzt werden. Auch das nationale CSRD-Umsetzungsgesetz wird Aufgabe der neuen Regierung sein.

Nachhaltiges Wirtschaften bleibt zentrales Zukunftsthema

Die EU setzt mit den vorgeschlagenen Erleichterungen auf mehr Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit – ohne die Nachhaltigkeits- und Klimaziele aus dem Blick zu verlieren. Mit dem Clean Industrial Deal treibt die EU den Wandel hin zu einem klimaneutralen Kontinent weiter voran. So treten in den nächsten Jahren zahlreiche neue Regelwerke für mehr Nachhaltigkeit auf Produkt- bzw. Rohstoffebene in Kraft - wie etwa die Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten, die Verordnung zum Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten und die Ökodesign-Verordnung.
Zeitgleich schreitet im Finanzsektor der Wandel voran: Die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) verpflichtet Finanzinstitute zur Offenlegung ihrer Nachhaltigkeitskriterien in Entscheidungsprozessen. Dabei rückt der Umgang mit Umwelt- und Klimarisiken im Kreditvergabeprozess immer stärker in den Fokus.
Für Unternehmen heißt das: Nachhaltigkeit bleibt ein strategisches Kernthema und Nachhaltigkeitsdaten bleiben gefragt – nicht nur seitens des Gesetzgebers, sondern zunehmend auch durch Banken und Investoren, Kunden und weiteren Stakeholdern.
Sie sollten sich daher nicht nur an den gesetzlichen Vorgaben, sondern insbesondere auch an den Marktanforderungen orientieren.

Roadmap für Ihr Unternehmen: 5 Tipps, wie Sie die Zeit der regulatorischen Unsicherheit am besten nutzen

  1. Dranbleiben und Zeit sinnvoll nutzen: Die Vorschläge der EU-Kommission versprechen Entlastung – doch Änderungen im Gesetzgebungsverfahren sind möglich. Bleiben Sie über aktuelle Entwicklungen informiert, z. B. mit dem IHK-Newsletter. Nutzen Sie die gewonnene Zeit gezielt zur weiteren Vorbereitung.
  2. Wesentliches im Blick behalten: Haben Sie bereits eine Wesentlichkeitsanalyse oder Stakeholderbefragung in Vorbereitung auf die CSRD/CSDDD durchgeführt? Nutzen Sie die Erkenntnisse für Ihr Risikomanagement und Ihre Unternehmensstrategie. So setzen Sie klare Prioritäten und schaffen Mehrwert über die Berichtspflicht hinaus.
  3. VSME sichten – Orientierung sichern: Den aktuellen Kommissionsvorschlägen nach wird der freiwillige Nachhaltigkeitsberichtstandard nicht nur für kleine und mittlere Unternehmen relevant, sondern soll auch großen Unternehmen Orientierung bieten, welche Informationen bei Geschäftspartnern für CSRD- bzw. CSDDD-Compliance abzufragen sind. Ein Blick in den aktuellen Standard-Entwurf der EFRAG lohnt sich also für Unternehmen aller Größenklassen. Mehr dazu im Ratgeber der IHK München zum VSME.
  4. ESG-Daten erheben – Tools clever nutzen: ESG-Daten sind nicht nur für Berichte wichtig, sondern helfen, Geschäftsprozesse effizienter zu gestalten. Seit diesem Jahr stellt das BMWK mit dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) ein kostenfreies Tool zur Erstellung des eigenen Nachhaltigkeitsberichts zur Verfügung – bald auch ergänzt um ein VSME-Modul.
  5. Gemeinsam stärker: Nutzen Sie Netzwerke wie die IHK, um sich mit anderen Unternehmen auszutauschen und gemeinsam auf die neuen regulatorischen Entwicklungen und Pflichten zu reagieren. Das spart Ressourcen, schafft Klarheit – und bringt Sie schneller ans Ziel.