Regionales Übereinkommen

Neuerungen in der Pan-Euro-Med-Freihandelszone

Seit September 2021 gibt es die reformierte Pan-Euro-Med-Zone (PEM) mit verbesserten Bedingungen. Noch ist die Nutzung verhalten.

1. Ziel der Pan-Euro-Med-Kumulierungszone

Es soll ein zollfreier Handelsraum, die sog. Pan-Euro-Med-Zone (PEM) mit einheitlichen Ursprungsregeln und einheitlicher Dokumentation für Ursprungswaren der beteiligten Länder entstehen. Diese Ursprungserzeugnisse können dann (in der Endphase der Pan-Euro-Med-Zone) in jedes beliebige andere Mitgliedsland zollfrei eingeführt werden. Der präferenzielle Ursprung kann auch durch Be- und Verarbeitungsvorgänge in mehreren beteiligten Ländern erworben werden (diagonale Kumulation). Das ist ein entscheidender Unterschied zu normalen Handelsabkommen, bei denen Zollvorteile nur für Ursprungswaren der beiden an der jeweiligen Warenbewegung direkt beteiligten Länder möglich sind (bilaterales Abkommen).
Die Kumulationszone ist für Unternehmen mit Produktionsstätten im Mittelmeerraum interessant, da sie die Anwendung der dort erworbenen Präferenzen auf alle Teilnehmerstaaten ausweitet.

2. Beteiligte Handelspartner

  • Ägypten
  • Algerien
  • Färöer
  • Island
  • Israel
  • Jordanien
  • Libanon
  • Marokko
  • Norwegen
  • Schweiz, Liechtenstein
  • Syrien
  • Tunesien
  • Türkei
  • Westjordanland
  • Gazastreifen 
  • Balkanstaaten
    - Albanien
    - Bosnien und Herzegowina
    - Kosovo
    - Montenegro
    - Nordmazedonien (ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien)
    - Serbien
  • Georgien
  • Republik Moldau
  • Ukraine

3. Voraussetzungen für die Gewährungen des Zollvorteils

Es gibt im Wesentlichen zwei besondere Voraussetzungen für die Nutzung der Vorteile des Regionalen Übereinkommens:
  1. Die am Ursprungserwerb und am Handel beteiligten Staaten müssen dem Regionalen Übereinkommen beigetreten sein. Der jeweils aktuelle Stand wird durch die Abkommensmatrix dokumentiert. 
  2. Falls die Zone tatsächlich nicht nur bilateral genutzt wird, muss dies besonders dokumentiert werden. Dies geschieht entweder durch einen ausgefüllten Kumulationsvermerk (Ursprungserklärung, Lieferantenerklärung) oder die Warenverkehrsbescheinigung EUR-MED anstelle der EUR.1
Die Europäische Kommission gibt regelmäßig eine Matrix heraus, aus der sich der aktuelle Stand der Umsetzung ergibt (veröffentlicht über das Amtsblatt der Europäischen Union). Die aktuelle Matrix finden Sie im Amtsblatt der EU oder im Präferenzportal „Warenursprung und Präferenzen online”, wählen Sie in der Übersicht das betreffende Land aus, dann finden Sie im Menü auf der linken Seite die Matrix.
Anhand der Matrix kann festgestellt werden, ob
  • zwischen den am Erwerb der Ursprungseigenschaft beteiligten Ländern und dem jeweiligen Bestimmungsland die für die Anwendung der diagonalen Kumulierung erforderlichen Abkommen abgeschlossen wurden und
  • ab welchem Datum im Rahmen der einzelnen Abkommen Regeln zur Bestimmung der Ursprungseigenschaft Anwendung finden, die denen des Europa-Mittelmeer-Ursprungsprotokolls entsprechen.
Nur wenn zwischen dem Ausfuhrland, allen im Einzelfall am Erwerb der Ursprungseigenschaft beteiligten Ländern und dem jeweiligen Bestimmungsland die erforderlichen Abkommen abgeschlossen wurden und die Ursprungsregeln des Europa-Mittelmeer-Protokolls angewendet werden, können Unternehmen von den erweiterten Kumulierungsmöglichkeiten Gebrauch machen.
Die Ursprungskumulierung kann ab dem Datum angewendet werden, ab dem das letzte Ursprungsprotokoll in dem jeweils erforderlichen Netzwerk von Präferenzabkommen mit identischen Ursprungsregeln anwendbar ist.

4. Teilnahme freiwillig. Bisherige Präferenzen bleiben erhalten.

Die Nutzung der neuen Möglichkeiten ist, wie immer beim präferenziellen Ursprung, freiwillig. Prüfen Sie, ob Nutzen und Aufwand in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Erfahrungsgemäß ist es schwierig, Angaben zur Kumulation zu erhalten. Außerdem kann die Administration der Kumulation sehr schnell sehr schwierig werden. Die bisherigen Präferenzen und deren Nachweise bleiben weiterhin möglich (EUR.1, Ursprungserklärung, Lieferantenerklärung ohne Kumulationsvermerk).
Zu der Anwendung der Ursprungsregeln in dieser Präferenzzone hat die EU-Kommission eine Erläuterung herausgegeben.

5. Reform des Regionalen Übereinkommens

Bereits 2019 haben sich die EU und der Großteil der übrigen Mitgliedsstaaten des „Regionalen Übereinkommens über Pan-Europa-Mittelmeer-Präferenzursprungsregeln (PEM)“ auf modernisierte Ursprungsregeln geeinigt. Unternehmen können die neuen PEM-Regeln nun optional als Alternative zu den bisherigen Regeln nutzen. Am 1.9.2021 sind neue, alternativ anwendbare Präferenzursprungregeln ("Transitional Rules") zwischen der EU und folgenden PEM-Partnerländern in Kraft getreten:  Schweiz (einschließlich Lichtenstein), Island, Norwegen, Färöer, Jordanien und  Albanien. 

5.1 Erleichterte Ursprungsregeln

Die reformierten Ursprungsregeln umfassen folgende Punkte:
  • Modernisierte und deutlich reduzierte Listenregeln. Auffällig sind höhere Anteile an Vormaterialien ohne Präferenzursprung. Geschätzt sind 95 Prozent aller Ursprungsregeln leichter geworden oder gleich geblieben.
Für Spezialisten:
  • Volle Kumulation ist möglich. Das bedeutet, dass auch einzelne Fertigungsschritte, die selbst noch keinen präferenziellen Ursprung begründen, angerechnet werden können.
  • Für fast alle Branchen: Erleichterungen bei Toleranzen, Territorialität, buchmäßiger Trennung. Kein Drawback-Verbot.
  • Berechnung mit Durchschnittspreisen möglich, Aufweichung des Identitätsprinzips.
  • EUR-MED und Kumulationsvermerk entfallen.
Die neuen Regeln werden in das Warenursprungs- und Präferenzportal des Zolls eingearbeitet. Unter „Schweiz” und anderen Teilnehmern lassen sich die bisherigen Regelungen (“Regionales Übereinkommen”) und die neuen Regelungen (“Übergangsregelungen”) auswählen, die für die gesamte Zone schrittweise gelten. 
Nebenbemerkung: Die Ursprungsregeln für Länder außerhalb des Regionalen Übereinkommens ändern sich nicht.

5.2 Beteiligte Länder und Übergangsregelungen („Transitional Rules”)

Leider wollen die Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien im Moment (noch) nicht am reformierten Regionalen Übereinkommen (PEM neu) teilnehmen. Alle anderen Staaten haben dennoch beschlossen, dass sie die neuen Regeln seit 1. September 2021 optional anwenden können. Daher gibt es nun zwei getrennte Systeme, PEM alt und PEM neu.  Während der Übergangszeit können sowohl die bisherigen Regeln als auch die neuen Regeln (genannt Übergangsregeln oder transitional rules) angewendet werden. Welche PEM-Staaten an PEM neu teilnehmen, kann man über eine Übersicht auf der Internetseite der Generaldirektion TAXUD feststellen.

5.3. Keine Durchlässigkeit, getrennte Dokumentation

Wenn die Ursprungsermittlung auf Basis der Übergangsregeln nach PEM neu, auch genannt „Transitional Rules”, erfolgt, ist das durchgängig zu dokumentieren. Das bedeutet, dass der Begriff „Transitional Rules” auf allen Nachweisen verwendet werden muss: auf Lieferantenerklärungen, Ursprungserklärungen und auf der EUR.1. Falls die Dokumente keinen Vermerk enthalten, gilt, dass sie die Erfüllung der bisherigen, parallel laufenden Regeln (PEM alt) nachweisen. 
Zwischen der Ursprungsermittlung und der Ursprungsdokumentation nach den bisherigen Regelungen und den „Transitional Rules” gibt es keine Durchlässigkeit (Permeabilität). Das hat gravierende Folgen: Findet die Ursprungsermittlung nach neuen Regeln statt und sind hierfür Lieferantenerklärungen (Nachweis Vormaterial mit Ursprungseigenschaft!) erforderlich, mussten diese ebenfalls den Vermerk „Transitional Rules” enthalten. Damit konnte PEM neu nicht in Gang kommen.
Mit der Verordnung (EU) 2022/2334 vom 29.11.2022 ist nun folgendes möglich: 
Lieferantenerklärungen ohne Vermerk “Übergangsregeln/Transitional Rules” können auch für die Ursprungsermittlung nach PEM neu verwendet werden, falls diese Lieferantenerklärungen keinen positiven Kumulationsvermerk haben und sich auf Waren der Kapitel 25-97 oder der Kapitel 1, 3 und 16 (verarbeitete Fischerzeugnisse) beziehen. Diese Regelung gilt rückwirkend zum 1. September 2021, also dem Zeitpunkt des Inkrafttretens von PEM neu. Damit umfasst sie alle vorhandenen Lieferantenerklärungen. Die Nutzung der neuen Regeln wird damit nicht durch die vorhandenen Lieferantenerklärungen gebremst.

6. Ausblick

Mit Beschluss Nr. 1/2023 des Gemischten Ausschusses des Regionalen Übereinkommens zu den Paneuropa-Mittelmeer Präferenzursprungsregeln vom 7. Dezember 2023 wurden die modernisierten Ursprungsregeln des Regionalen Übereinkommens angenommen. Die mehrjährigen Verhandlungen der EU mit ihren Partnerstaaten im Paneuropa-Mittelmeerraum über die Modernisierung und Änderung der derzeit geltenden Ursprungsregeln des Regionalen Übereinkommens fanden damit einen positiven Abschluss. Die Revision soll am 1. Januar 2025 in Kraft treten. Bis dahin muss in allen bilateralen Abkommen zwischen den Partnerstaaten eine dynamische Bezugnahme auf das Regionale Übereinkommen in seiner neusten geltenden Fassung aufgenommen worden sein (siehe z.B. Art. 1 Abs. 1 des Protokolls Nr. 3 zum Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft).
Bis zum Inkrafttreten der Revision des Regionalen Übereinkommens gelten die bisherigen Ursprungsregeln für den Paneuropa-Mittelmeerraum weiter.