Russland-Ukraine-Krieg

12. Sanktionspaket der EU gegen Russland

Nach langen Debatten hat die EU am 18. Dezember 2023 ein weiteres Paket mit Sanktionen gegen Russland verabschiedet. Kern des mittlerweile zwölften Sanktionspakets sind neue Handelsbeschränkungen, zusätzliche Ein- und Ausfuhrverbote und Verschärfung der Sanktionsumgehung um Schlupflöcher zu schließen, sowie die Einführung der No-Russia-Klausel.
Im Nachfolgenden finden Sie einen Überblick über die Inhalte des Sanktions-Pakets, das seit 19.12.2023 in Kraft ist.
Die Verordnungen finden Sie nachfolgend verlinkt:
konsolidierte Fassung der VO (EU) 833/2014
VO (EU) 2023/2878 des Rates vom 18. Dezember 2023 zur Änderung der VO (EU) Nr. 833/2014 

No-Russia-Klausel

Im Rahmen des 12.Sanktionspakets hat der EU-Rat mit Artikel 12g die Exporteure europäischer Waren dazu verpflichtet, die Wiederausfuhr nach Russland und die Wiederausfuhr zur Verwendung in Russland von besonders sensiblen Gütern und Technologien beim Verkauf, der Lieferung, der Verbringung oder der Ausfuhr in ein Drittland vertraglich zu verbieten. Bislang hatte diese Bestimmung einen empfehlenden Charakter. Nun muss die „No-Russia-Klausel“ spätestens bis zum 20. März 2024 in neue Exportverträge aufgenommen werden. Verträge, die vor dem 19. Dezember 2023 geschlossen wurden, müssen bis spätestens 20. Dezember 2024 um diese Klausel ergänzt werden.
Die EU-Kommission hat nun ein Dokument mit FAQs und einer Musterklausel zur im Artikel 12g genannten No-Russia-Klausel veröffentlicht.
Hier wird unter anderen drauf hingewiesen, dass Unternehmen frei im Wortlaut der Formulierung sind, sofern die Regelungen des Artikels 12g inkludiert sind. Die Musterklausel dient als Vorlage und ist den Gegebenheiten des vorliegenden Vertrags und der individuellen Geschäftspraxis anzupassen! Vergessen Sie bitte nicht die “Weitergabeverpflichtung” aufzunehmen, d.h. die Klausel sollte auch von Ihrem Käufer bei dessen Weiterverkäufen an seine Kunden vertraglich weitergegeben werden, sowie “Abhilfemaßnahmen” (z.B. vorzeitige Vertragsbeendigung oder Vertragsstrafen) bei Nicht-Einhaltung. Sobald eine Verletzung der Wiederausfuhrklausel bekannt wird, hat der Exporteur die zuständigen Behörden des EU-Mitgliedstaates zu informieren, in dem er registriert oder ansässig ist.
Betroffene Güter:
  • Dual-Use-Güter und „fortgeschrittene Technologieprodukte, die in russischen Waffensystemen verwendet werden“ (z.B. Mikrochips, Video-Gegensprechanlagen, Dioden, Transistoren, Kugellager, bestimmte Komponenten von Flugzeugen, Hubschraubern und Drohnen usw.)
  • Bestimmte Luftfahrtgüter (Flugzeugreifen, Antennenreflektoren, Bremsbeläge usw.)
  • Flugzeugtreibstoff
Betroffen hiervon sind also „der Verkauf, die Lieferung, die Verbringung oder die Ausfuhr“ (Art. 12g Abs. 1) von Gütern in ein Drittland, die aufgeführt sind in:
  • Anhang XI
  • Anhang XX
  • Anhang XXXV
  • Neuer Anhang XL (bestimmte Güter aus den Kapiteln 84, 85, 88 und 90)
  • Güter des Anhangs I der sog. Feuerwaffen-VO (VO (EU) 258/2021)
Diese Pflicht gilt nicht beim Export in die Partnerländer USA, Großbritannien, Japan, Südkorea, Australien, Kanada, Neuseeland, Norwegen, Schweiz. 
Nach Rücksprache mit der Zollverwaltung weisen wir darauf hin, dass es zu empfehlen ist, Generalklauseln in alle Export-Handelsverträge vorgenannter, betroffener Güter aufzunehmen, z.B. durch Hinterlegung eines festen Textbausteins im ERP-System. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass “vertraglich zu untersagen” bedeutet, beide Parteien müssen eine übereinstimmende Willenserklärung festhalten. Von einer Verankerung in den AGBs ist daher eher abzuraten, da diese in der Praxis meist gegenseitig ausgeschlossen werden. Bitte prüfen Sie dementsprechend auch proaktiv, dass die Klausel nicht vom Geschäftspartner gestrichen wird. Ggf. ist auch die Unterstützung eines Rechtsbeistandes bei der Formulierung zu empfehlen.
Im Rahmen von Außenwirtschaftsprüfungen wird die No-Russia-Klausel künftig ebenfalls geprüft. Auch Unternehmen, die ihr Russlandgeschäft eingestellt haben, müssen sich fortlaufend über den aktuellen Stand der Sanktionen informieren, um nicht in die Problematik von Umgehungsgeschäften zu geraten. 

Erweiterung der Sanktionsliste:

Vermögenswerte von über 140 weiteren natürlichen und juristischen Personen werden eingefroren. Dies betrifft unter anderen 29 juristische Personen wie die Finanzaufsichtsbehörde Rosfinmonitoring, das private Militärunternehmen Redut, die Bildungseinrichtung Znanie, die Fernsehsender Tsargrad und Spas, das Industrieunternehmen Specmash, das Schiffbauunternehmen Vympel, die Maschinenbau- und Rüstungsfirma Uraltransmash, der Flugzeughersteller PAO Tupolew, der Waffenbauer ITOZ, der Chiphersteller Mikron und die Versicherungsgesellschaft AlfaStrakhovanie. Unter den neuen natürlichen Personen befinden sich beispielsweise Ilja Medwedew, Oleg Chorochordin (Oberhaupt der Republik Altai), Radij Chabirow (Oberhaupt der Republik Baschkortostan), Juri Tschichantschin (Chef der Finanzaufsichtsbehörde Rosfinmonitoring), Boris Obnossow (Chef des Raketenbauers KTRV Tactical Missiles Corporation), Nikolai Bulajew (Vizechef der Zentralen Wahlkommission) Viktor Afsalow (Chef der russischen Luft- und Weltraumstreitkräfte).

Handelsmaßnahmen:

  • Einfuhrverbot für russische Diamanten: dies betrifft in Russland abgebaute, verarbeitete oder hergestellte Diamanten (ausgenommen Industriediamanten). Alle G7-Mitglieder werden spätestens ab dem 1. Januar 2024 ein direktes Verbot von aus Russland ausgeführten Diamanten umsetzen. Am 1. März 2024 tritt ein Verbot von in Drittländern polierten russischen Diamanten in Kraft, und am 1. September 2024 wird das Verbot auf Labordiamanten und mit Diamanten besetzte Schmuckwaren und Uhren ausgeweitet. Ein System zur Rückverfolgbarkeit wird eingerichtet.
  • Importbeschränkungen: Neue Einfuhrverbote wurden für Roh- und Spiegeleisen, Ferrolegierungen, Eisen, Kupfer- und Aluminiumdraht, Folien und bestimmte Rohre in einem Gesamtwert von jährlich 2,2 Mrd. Euro verhängt.
    Für Flüssiggas (Propan, Butan und deren Gemische) wird ein neues Einfuhrverbot im Wert von 1 Mrd. Euro pro Jahr eingeführt. Für bestehende Verträge greift maximal zwölf Monate lang eine Bestandsschutzklausel: Importverträge für russisches Propangas, die vor dem 19. Dezember geschlossen wurden, dürfen bis zum 20. Dezember 2024 ausgeführt werden. Eine ähnliche Übergangsfrist gilt auch für die Einfuhr von Ferrolegierungen aus Russland. 
  • Exportverbot: zusätzliche Ausfuhrbeschränkungen weiterer Güter in Anhang VII Teil B, Güter mit doppeltem Verwendungszweck und fortgeschrittene Technologie- und Industriegüter im Wert von jährlich 2,3 Milliarden Euro. Die Liste der Güter, die nicht nach Russland exportiert werden dürfen, wurde unter anderem um Chemikalien, Lithiumbatterien, Thermostate, Werkzeugmaschinen, Baugruppen und Maschinenteile (z.B. Kugel- und Tonnenlager), Gleichstrommotoren und Servomotoren für unbemannte Luftfahrzeuge, sowie Baugüter, verarbeiteten Stahl, Kupfer- und Aluminiumerzeugnisse, Laser und Batterien  erweitert.

Weitere Maßnahmen:

  • Neue Kriterien im Zusammenhang mit dem Einfrieren von Vermögenswerten
  • Verschärfung der Pflichten für Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit dem Aufspüren von Vermögenswerten, um Verstöße gegen Sanktionen oder deren Umgehung zu verhindern und aufzudecken.
  • Neue Maßnahmen zur strengeren Überwachung der Ölpreisobergrenze
  • Erweiterung des Durchfuhrverbots durch Russland durch Aufnahme bestimmter wirtschaftlich kritischer Güter in die Liste, sofern diese für die Ausfuhr in Drittländer bestimmt sind, neuer Anhang XXXVII (Teilmenge des Anhangs XXIII)
  • Neue Meldepflicht: Unternehmen in der EU, die zu mehr als 40 Prozent direkt oder indirekt von russischen Staatsbürgern oder in Russland niedergelassenen Unternehmen gehalten werden, müssen bestimmte Geldtransfers künftig anzeigen.
  • Ausweitung des das bestehenden Verbots der Erbringung bestimmter Dienstleistungen (Wirtschaftsprüfung, Buchhaltung, Steuer- und Rechtsberatung, Werbung, IT-Beratung, Marktforschung usw.) an die russische Regierung oder russische Unternehmen. Das Verbot gilt nun auch für Verkauf, Lieferung, Übergabe, Export oder Bereitstellung von Software für die Unternehmensführung und von Software für Industriedesign und Fertigung, die in den Bereichen Architektur, Maschinenbau, Bauwirtschaft, Produktion, Massenmedien, Bildung und Unterhaltung zum Einsatz kommen kann. Achtung: neuer Anhang XXXIX (z.B. ERP, EDW, CAD, CRM Systeme, uvm.)
  • Vorsehung der Möglichkeit finanzielle Vermögenswerte juristischer oder natürlicher Personen aus Russland zu beschlagnahmen, um europäische Unternehmen zu entschädigen, deren Vermögen in Russland ins Eigentum des russischen Staates oder russischer Unternehmen übergegangen ist. Auch Beschlagnahmungen „im öffentlichen Interesse“ sind potentiell möglich.

Lockerungen:

  • Für Einfuhren aus Schweiz und Norwegen entfällt gemäß Art. 3g Abs. 1 Buchstabe d die Pflicht zur Vorlage bestimmter (Ursprungs-)Nachweise für die gelisteten Eisen- und Stahlerzeugnisse
  • Ausnahmen von Einfuhrbeschränkungen für persönliche Gegenstände wie Hygieneartikel oder von Reisenden getragene oder in ihrem Gepäck enthaltene Kleidung
  • Fahrzeuge mit Diplomatenkennzeichen für die Einreise in die EU
  • EU-Bürgern, die in Russland leben, können die Mitgliedstaaten nun die Einfahrt ihrer persönlichen Fahrzeuge genehmigen, sofern diese nicht zum Verkauf bestimmt und ausschließlich zum persönlichen Gebrauch sind
Weiterführende Infos finden Sie in der Pressemitteilung der EU und den FAQs zum 12. Sanktionspaket, oder in unserem allgemeinen Artikel EU-Sanktionen gegen Russland und Belarus.
Quellen: Deutsch-Russische Auslandshandelskammer, EU Kommission, AWA