Russland-Ukraine-Krieg

11. Sanktionspaket der EU gegen Russland

Das 11. und damit aktuellste Sanktionspaket ist seit 24. Juni 2023 offiziell in Kraft, nachdem des am 23. Juni 2023 im Amtsblatt der EU L 159I veröffentlicht wurde. Die Europäische Kommission begrüßt, dass der Rat ein elftes Sanktionspaket gegen Russland angenommen hat. Mit diesem Paket soll sichergestellt werden, dass die EU-Sanktionen noch besser durch- und umgesetzt werden, und zwar auf Grundlage der bei der Umsetzung im vergangenen Jahr gewonnenen Erkenntnisse.

Handelsmaßnahmen

  • Verschärfung der Einfuhrbeschränkungen für Eisen- und Stahlerzeugnisse.
    Generell verboten sind Import, Kauf im Drittland zum Import in ein weiteres Drittland, sowie die Beförderung von in Anhang XVII aufgeführten Eisen- und Stahlerzeugnissen, die Ursprung in Russland haben oder aus Russland ausgeführt wurden.
    Wer sanktionierte Eisen- und Stahlerzeugnisse, die in einem Drittland verarbeitet wurden, einführen will, muss den Nachweis erbringen, dass die verwendeten Vorleistungen nicht aus Russland stammen. Ab dem 30. September 2023 sind die zusätzlichen Beschränkungen in Kraft. Zum Zeitpunkt der Einfuhr aus Drittländern sind somit Nachweise über die Ursprungsländer der Eisen- und Stahl(vor)produkte erforderlich.

    Nachweise sind bereitzuhalten und auf Verlangen der Zollstellen vorzulegen. Auch wenn die Nachweis nur auf Verlangen vorzuzeigen sind, stellt das Nichtvorhandensein zum Zeitpunkt des Imports einen Straftatbestand dar. Seit dem 30.09.2023 muss eine der folgenden Unterlagen angemeldet werden, damit die Anmeldung nicht systemseitig abgewiesen wird: 
    L139 - Einfuhrgenehmigung gem. Artikel 3 g Abs.7 der VO (EU) Nr. 833/2014
    Y824 - Nachweis über das Ursprungsland der Eisen- und Stahlvorprodukte, die für die Verarbeitung des Erzeugnisses in einem Drittland verwendet wurden/Nachweis, dass die Eisen- und Stahlerzeugnisse nicht unter Verwendung von Eisen- und Stahl(vor)produkten russischen Ursprungs verarbeitet wurden
    Y859 - Waren, die in das Gebiet der Zollunion der EU verbracht und den Zollbehörden vor dem Inkrafttreten oder dem Geltungsbeginn dieser Sanktion - je nachdem welcher Zeitpunkt der spätere ist - gestellt wurden (siehe Art. 12e der VO (EU) Nr. 833/2014)

    Transportbehältnisse aus Eisen oder Stahl, die ausschließlich zu Beförderungszwecken verwendet werden, sind nicht von den Einfuhrverboten umfasst.

    Die maßgeblichen Zeitpunkte für das Inkrafttreten des Einfuhrverbots staffeln sich wie folgt:
    - Ab 30. September 2023 für Erzeugnisse des Anhangs XVII, die andere Erzeugnisse als solche der KN-Codes 7207 11, 7207 12 10 oder 7224 90 enthalten.
    - Ab 1. April 2024 für Erzeugnisse des Anhangs XVII, die Erzeugnisse des KN-Codes 7207 11 enthalten.
    - Ab 1. Oktober 2024 für Erzeugnisse des Anhangs XVII, die Erzeugnisse der KN-Codes 7207 12 10 oder 7224 90 enthalten.

    Bitte beachten Sie, dass es hierbei aktuell zu einer Over-Compliance zwischen EU -Unternehmen kommt. Die o.g. Nachweispflicht gilt nur und ausschließlich für den Importeur – das erste Glied in der europäischen Handelskette. Nachweise zwischen EU-Handelspartnern sind nicht vorgesehen. Dies hat die Kommission in ihren consolidated version of the FAQs on sanctions against Russia and Belarus auf Seite 176 klargestellt.
Als geeignete Nachweisdokumente können neben den von der Kommission der Europäischen Union vorgeschlagenen Mill Test Certificates unter anderem auch Rechnungen, Lieferscheine, Qualitätszertifikate, Langzeitlieferantenerklärungen, Kalkulations- und Fertigungsunterlagen, Zolldokumente des Ausfuhrlandes, Geschäftskorrespondenzen, Produktionsbeschreibungen, Ursprungszeugnisse, Erklärungen des Herstellers oder Ausschlussklauseln in Kaufverträgen anerkannt werden, aus denen der nicht-russische Ursprung der Vorprodukte hervorgeht. Detailliertere Beschreibungen finden Sie unter Punkt 11 der FAQ zu gelisteten Gütern.
  • Neues Instrument zur Bekämpfung von Umgehungspraktiken: Das Instrument ermöglicht es der EU, den Verkauf, die Lieferung, die Weitergabe oder die Ausfuhr bestimmter mit Sanktionen belegter Güter und Technologien zu beschränken, und zwar mit Blick auf bestimmte Drittländer, für die das Umgehungsrisiko als andauernd und besonders groß angesehen wird. Dieses neue Instrument soll nur und als letztes Mittel zum Einsatz kommen, wenn andere Einzelmaßnahmen und Kontakte zu den betroffenen Ländern nichts bewirken.
  • Ausweitung des Durchfuhrverbots auf bestimmte sensible Güter (z. B. Hoch-Technologien, luftverkehrsbezogene Materialien), die über Russland aus der EU in Drittländer ausgeführt werden. Dies wird auch das Umgehungsrisiko verringern.
  • Aufnahme von 87 neuen Einrichtungen in die Liste derjenigen, die direkt den militärischen und industriellen Komplex Russlands in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützen. Sie unterliegen strengeren Ausfuhrbeschränkungen für Güter mit doppeltem Verwendungszweck (Dual-Use) und fortgeschrittene Technologien. Neben den bereits in der Liste aufgeführten russischen und iranischen Organisationen umfasst dies nun auch Organisationen, die in China, Usbekistan, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Syrien und Armenien registriert sind.
  • Beschränkung der Ausfuhr weiterer 15 technologischer Güter, die auf dem Schlachtfeld in der Ukraine gefunden wurden, oder von Ausrüstung, die für die Herstellung solcher Güter benötigt wird.  Die Schweiz schließt sich hier an.
  • Verbot des Verkaufs, der Lizenzierung, der Übertragung oder der Weitergabe von Rechten des geistigen Eigentums und von Geschäftsgeheimnissen, die im Zusammenhang mit Sanktionen belegten Waren verwendet werden. 
  • Ausweitung des Ausfuhrverbots für Luxusfahrzeuge auf alle Neu- und Gebrauchtwagen ab einer bestimmten Motorgröße (> 1 900 cm³) sowie auf alle Elektro- und Hybridfahrzeuge.
  • Ein vollständiges Verbot bestimmter Arten von Maschinenbauteilen. Hiervon ausgenommen sind nur diejenigen technischen Anlagen, die für den Betrieb von U-Bahn-Wagen der Budapester Linie 3 erforderlich sind und die 2018 vom russischen Maschinenbauunternehmen Metrowagonmasch geliefert wurden.
  • Vereinfachte Struktur des Anhangs über Industrie-Erzeugnisse: Produkte, die Beschränkungen unterliegen, werden in einem einzigen Abschnitt aufgezählt, versehen mit umfassenderen Produktdefinitionen, um Waren, für die Ausfuhrverbote gelten, besser zu identifizieren und die Umgehung von Sanktionen durch falsche Einreihung zu verringern.

Verkehrsmaßnahmen

  • Ein vollständiges Verbot für Lastkraftwagen mit russischen Anhängern und Sattelanhängern, Güter in die EU zu befördern. Dadurch wird die Umgehung des Verbots für russische Güterkraftverkehrsunternehmer, Waren in der EU zu befördern, unterbunden.
  • Verbot des Zugangs zu EU-Häfen für Schiffe, die Transfers von Schiff zu Schiff durchführen und mutmaßlich gegen das russische Öleinfuhrverbot oder die Preisobergrenze der G7-Koalition verstoßen.
  • Verbot des Zugangs zu EU-Häfen für Schiffe, wenn ein Schiff der zuständigen Behörde nicht mindestens 48 Stunden im Voraus eine Umladung von Schiff zu Schiff innerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszone eines Mitgliedstaats oder innerhalb von 12 Seemeilen von der Basislinie der Küste dieses Mitgliedstaats meldet.
  • Verbot des Zugangs zu EU-Häfen für Schiffe, die ihr Navigationsüberwachungssystem beim Transport von russischem Öl, das dem Öleinfuhrverbot oder der Preisobergrenze der G7 unterliegt, manipulieren oder abschalten.

Energiemaßnahmen

  • Beendigung der Möglichkeit für Deutschland und Polen, russisches Pipeline-Öl zu importieren.
  • Einführung strenger und sehr gezielter Ausnahmen von den bestehenden Ausfuhrverboten, um die Aufrechterhaltung der Pipeline CPC (Caspian Pipeline Consortium), die kasachisches Öl über Russland in die EU transportiert, zu ermöglichen.
  • Verlängerung der Ausnahme von der Ölpreisobergrenze für Sachalinöl für Japan (bis zum 31. März 2024).

Zusätzliche Einträge auf der Sanktionsliste

Die Vermögenswerte von über 100 weiteren Personen und Organisationen werden eingefroren. Dazu gehören etwa:
  • hochrangige Militärbeamte,
  • kriegspolitische Entscheidungsträger,
  • Personen, die an der illegalen Abschiebung ukrainischer Kinder nach Russland beteiligt sind,
  • Richter, die politisch motivierte Entscheidungen gegen ukrainische Staatsbürger getroffen haben,
  • Personen, die für die Plünderung von kulturellem Erbe verantwortlich sind,
  • Geschäftsleute,
  • Propagandisten,
  • russische IT-Unternehmen, die dem russischen Geheimdienst kritische Technologien und Software zur Verfügung stellen,
  • Banken, die in den besetzten Gebieten tätig sind, sowie
  • Einrichtungen, die mit den russischen Streitkräften zusammenarbeiten.

Zusätzliche Erläuterungen/Klarstellungen

  • Das Kriterium für die Aufnahme von für Personen/Einrichtungen, die EU-Sanktionen umgehen oder ihre Umsetzung erheblich verhindern, in die Liste wird überarbeitet.
  • Neues Kriterium für die Aufnahme in die Liste: das soll das Benennen von Personen und Einrichtungen ermöglichen, die im russischen IT-Sektor mit einer Lizenz des Föderalen Sicherheitsdienstes der Russischen Föderation (FSB) oder des russischen Ministeriums für Industrie und Handel tätig sind.
  • Einfügung einer Ausnahmeregelung, die den Verkauf von Eigentumsrechten an einem russischen Gemeinschaftsunternehmen ermöglicht, an dem eine gelistete Person beteiligt ist.  
  • Einfügung einer Ausnahmeregelung, die die Veräußerung bestimmter Arten von Wertpapieren gestattet, die von gelisteten Einrichtungen gehalten werden.
  • Bestimmte Klarstellungen in den Bestimmungen über den Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden und die Wahrung der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwälten und ihren Mandanten im Zusammenhang mit Meldepflichten.
  • Aufnahme einer Ausnahmeregelung, die die Erbringung von Dienstleistungen ermöglicht, die für die Errichtung einer Firewall erforderlich sind, die die Kontrolle einer gelisteten Person über die Vermögenswerte einer EU-Einrichtung aufhebt. 
  • Einführung einer Ausnahmeregelung für die Erbringung von Lotsendiensten unter bestimmten Umständen.
  • Ausweitung des Medienverbots auf 5 weitere Kanäle: RT Balkan, Oriental Review, Tsargrad, New Eastern Outlook und Katehon. Journalisten der betroffenen Medien dürfen weiter in der Union arbeiten
  • Zusätzliche Bestimmungen über Informationsaustausch und Meldepflicht
  • Einführung einer vorübergehenden Ausnahme vom Verbot der Erbringung bestimmter Dienstleistungen, die für den Rückzug russischer Wirtschaftsbeteiligter aus der EU gesetzlich erforderlich sind, d.h. Lockerungen für europäische Halter von Aktienzertifikaten, denen russische Wertpapiere zugrunde liegen. Sie können nun bis zum 25. September bei den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats die Genehmigung beantragen, die mit der Umwandlung des Aktienzertifikats und dem Verkauf der zugrunde liegenden Wertpapiere verbundenen Gelder zu bekommen. 

Hilfsmittel

Es wurde eine Prioritätenliste der mit Sanktionen belegten Güter, die in russischen Militärsystemen verwendet werden und auf dem Schlachtfeld gefunden wurden, veröffentlicht. Bei diesen Gütern sollten die Unternehmen besondere Sorgfalt walten lassen, Drittländer dürfen sie nicht nach Russland ausführen.
Darüber hinaus wurden innerhalb der EU auch wirtschaftlich kritische Güter ermittelt, bei denen Unternehmen und Drittländer besonders wachsam sein sollten.
Außerdem stellt die EU einen Überblick des Rates über die Sanktionen gegen Russland zur Verfügung.
Einen Überblick zum Länderembargo Russland finden Sie auf der Homepage des Zolls.
Es wurde ein neuer EU-Leitfaden: Sanktionsumgehungen erkennen und vermeiden von der EU-Kommission veröffentlicht.

Ausblick

Der EU-Sanktionsbeauftragte David O'Sullivan steht im Kontakt mit wichtigen Drittländern, um gemeinsam gegen das Umgehen von Sanktionen vorzugehen.
Mit dem neuen Sanktionspaket hat der Europäische Rat sich selbst de facto erstmals die Befugnis erteilt, Sekundärsanktionen gegen Nicht-EU-Unternehmen zu verhängen, die Russland bei der Umgehung der Handelssanktionen helfen, wenn die EU-Beamten der Meinung sind, dass über diese Weise sanktionierte europäische Güter nach Russland gelangen. 
Russland beschließt im Gegenzug Sanktionen gegen Unternehmen und Personen aus den sogenannten „unfreundlichen Staaten“. Die Liste der Personen aus der EU, denen die Einreise nach Russland verboten ist, sei „wesentlich ausgeweitet“ worden, teilte das russische Außenministerium am 23. Juni mit. Die aktualisierte Sanktionsliste selbst veröffentlichte es bislang nicht.
Das 12. Paket steht bereits in den Startlöchern und wird weitere Personenlistungen nach sich ziehen, sowie Verschärfungen im Bereich der Jedermannspflicht und auch der Sanktionsumgehung und -durchsetzung aufgrund der ständigen Umstrukturierung der russischen Handelswege. Auch der Ölpreisdeckel sowie das Diamentengeschäft stehen im Fokus. Wir informieren, sobald das Paket rechtkräftig ist.

Quelle: AHK Russland, Europäische Kommission, zoll.de