Klasse statt Masse

Ideenbewertung

An Ideen mangelt es üblicherweise nicht. Die Herausforderung liegt eher darin die vielversprechendsten unter ihnen zu identifizieren und für die Umsetzung auszuwählen. Innovationsprojekte sind auch Investitionsprojekte. Nur die wenigsten und besten Ideen behaupten sich und sind letztendlich erfolgreich. Gleichzeitig müssen einerseits die interne Technologie als auch der externe Markt analysiert werden. Dabei wird die Idee hinsichtlich der Umsetzbarkeit, dem potenziellen Markterfolg, den gesetzten Zielen und dem strategischen Fit mit der Unternehmenskultur und Vision beurteilt.

Ideenspeicher

Bevor Ideen bewertet werden, muss der Ideenreichtum erst einmal gespeichert werden. Hierfür eignen sich einfache Karteien in einem Tabellenkalkulationsprogramm. Großunternehmen bzw. Unternehmen, die zahlreiche Ideen verfolgen, können dabei auf eigene Softwarelösungen setzen.

Der Bewertungsprozess

Zahlreche Einflussgrößen, Unsicherheiten und der Zukunftsbezug machen die Bewertung komplex. Die Bewertungsmodelle sollen eine bestmögliche und adäquate Abbildung der Realität ermöglichen, trotz dessen aber einfach anwendbar sein. Je nach Reifegrad der Idee sind eher quantitative oder qualitative Bewertungen sinnvoll. Bei Innovationsprojekten mit einem hohen Reifegrad eignen sich vor allem quantitative Methoden (wie z.B. Umsatzrechnungen).
Der Bewertungsprozess strukturiert sich in fünf verschiedene Phasen. Zuerst sollten die Ideen klar dargestellt werden, bevor diese bewertet werden. Dabei gibt es zahlreiche Methoden, die Sie verwenden können. Die IHK stellt Ihnen eine Auswahl an Möglichkeiten vor.

Analyse der Ausgangssituation

Mit dem Business Model Canvas Überblick verschaffen

Um zwischen den Ideen in der Entscheidungsfindung abwägen zu können, sollte für jede Idee ein One-Pager gestaltet werden. Dies ist unter Umständen bei technisch kniffligen Ideen aber schwer komprimierbar. Ein weiteres Tool ist das Business Model Canvas. Dieses Instrument stellt eine Art Ordnungsrahmen für die Visualisierung und Strukturierung von Geschäftsmodellen dar und wird v.a. in der Gründerszene verwendet. Das Modell hilft alle wesentlichen Grundzüge eines erfolgreichen Geschäftsmodells kompakt in ein skalierbares System zu bringen.
Ein Beispiel für einen One-Pager als Innovationssteckbrief finden Sie unter „Weitere Informationen” im Downloadbereich.

SWOT-Matrix - Den Chancen und Risiken auf der Spur

Um eine Idee in die Bewertung oder Entscheidungsgrundlage zu bringen, sollten Sie diese vorab analysieren und aufbereiten. Dafür eignet sich beispielsweise die SWOT-Matix.
Die SWOT-Methode sammelt die Stärken (Strengths), Schwächen (Weakness), Chancen (Opportunities) und Bedrohungen (Threats) der Ideen und stellt diese gegenüber. Dabei sind die Stärken und Schwächen innere Faktoren und die Chancen und Bedrohungen äußere Faktoren. Die SWOT-Analyse liefert eine qualitative Einschätzung einer Idee, ist aber relativ zeitintensiv. Das Ergebnis ist ein detailliertes Einschätzung einer Idee, die zu einer wichtigen Komponente einer Entscheidungsvorlage werden kann.

Transparente Ideenbewertung

Voraussetzung für das Bewerten von Ideen ist, dass die Ziele, Bedingungen und Methoden bekannt sind. Die Ideenbewertung muss transparent kommuniziert sein.
Eine ausgewogene Bewertung beinhaltet unterschiedliche Perspektiven auf die Idee. Um die Spreu vom Weizen zu trennen, sollten daher nicht nur die Führungskräfte urteilen, sondern auch Experten, Kunden und weitere Stakeholder.

Innovations- und Unternehmensziele bestimmen den Weg

Letztendlich ist es bedeutsam, sich klare Ziele zu setzen. Diese ergeben sich aus der Innovationsstrategie. Soll die Idee vor allem neue Kunden bringen? Sollte durch die Innovation ein neues Image erreicht werden? Je nach Ziel, sind auch die Bewertungen anzupassen. Durch ein ungewöhnliches neues Produkt kann ein Unternehmen ein neues Image erhalten und dadurch mehr Stammkunden verlieren als das neue Produkt Neukunden gewinnt. Was passiert, wenn das Produkt am Markt keine Akzeptanz bekommt? Kann das Unternehmen zu seinem alten Ruf zurückfinden? Hier gehen die Ziele auch ganz klar mit der Strategie einher.

Festlegung der Bewertungskriterien

Zuerst muss ein Kriterienkatalog erstellt werden. Die Kriterien müssen je nach Priorität gewichtet werden. Folgenden Anforderungen kann dabei Beachtung geschenkt werden:
  • Ökonomische Aspekte: Cashflow, Return-on-Investment, Umsatz, Gewinn etc.
  • Produktbezogene bzw. Verfahrensbezogene Aspekte: Qualität, Flexibilität, Funktionssicherheit, bekannter Produktionsprozess etc.
  • Technologische Aspekte: Passfähigkeit zum vorhandenen Produktspektrum, technologische Synergieeffekte, etc.
  • Absatzwirtschaftliche Aspekte: Marktvolumen, Marktwachstum, Wettbewerbssituation etc.
  • Strukturelle Aspekte: Fertigungstiefe, Organisationstyp der Fertigung, Zeitliche/personelle/räumliche Kapazitäten etc.
  • Arbeitswissenschaftliche Aspekte: Beanspruchung der Mitarbeiter, Arbeitssicherheit, Motivation, Qualifikation etc.
  • Zeitliche Aspekte: Produktlebenszyklus, Amortisationsdauer, zeitlicher Innovationsprozess etc.
  • Sonstige Aspekte: Ökologie, gesetzliche Rahmenbedingungen, Vorhandensein von Fördermitteln etc.
Anschließend müssen die gewünschten Zielgrößen festgelegt werden. Das Ziel sollte dabei mit einem zeitlichen und qualitativen Aspekt beschrieben werden. Beispielsweise: „Durch das neue Produkt sollte innerhalb von drei Jahren nach Markteinführung der Umsatz um bis zu 20 Prozent gesteigert werden“. Qualitative Ziele sind leichter zu erörtern als quantitative. Danach erfolgt die Ideenbewertung. Dabei ist ein unternehmerisches Fingerspitzengefühl gefragt, um zwischen den Ideen zu entscheiden und auch zwischen den Aspekten zu gewichten und zu messen. Bevor der Bewertungsprozess losgeht, müssen die Daten, die für die Verfahren verwendet werden, aufbereitet werden. Der direkte Vergleich der Parameter mit Zielen, Maßstäben oder Mindestanforderungen soll erfolgen.

Durchführung der Bewertung

Ideen können anhand verschiedener Methoden bewertet werden. Dabei gliedert sich der Prozess in verschiedene Phasen: Grobauswahl – Feinauswahl – Endergebnis.

Keine Rohdiamanten rausschmeißen!

Es kann passieren, dass eine gute Idee abgelehnt wird und eine schlechte Idee vermeintlich als positiv befunden wird. Daher sollten Ideen zuvor einem Frageprozess unterworfen werden.
  • Ideenablehnung: Was passiert wenn ein Konkurrent diese Idee umsetzt?
  • Idee wird hochgestuft: Warum hat noch kein Wettbewerber diese Idee realisiert?
Ideen die vorerst schlecht bewertet wurden, sollten später immer wieder aufgegriffen werden. Vielleicht ist der richtige Zeitpunkt noch nicht gekommen und der Markt einfach noch nicht reif. Die Bewertungen von Ideen müssen immer wieder hinterfragt und neu analysiert werden.

Grobauswahl

Bei der Grobauswahl wird aus der Fülle der Ideen eine übersichtliche Auswahl getroffen. Hier wird mit Intuition und Diskussionen gearbeitet, um schnelle Entscheidungen herbeizuführen. Anhand von KO-Kriterien (z.B. technische Machbarkeit) werden einzelne Ideen aussortiert. Ideen, die die erste Auswahl überdauern, werden mittels weiterer Kriterien im nächsten Schritt noch detailreicher geprüft. Wichtig ist hierbei, dass unerkannte Rohdiamanten nicht durch das Raster fallen.
Bei der Grobauswahl eignen sich insbesondere Checklisten. Diese gehören zu den qualitativen Verfahren. Eine Innovation lässt sich nicht alleine an ihren Zahlen messen. Auch Themen wie Design oder Benutzerfreundlichkeit müssen bewertet werden. Hierfür sind Checklisten, Ja/Nein-Entscheidungen, Pro/Contra-Methoden oder Kriteriensysteme geeignet.
Dabei wird jenen Aspekten Beachtung geschenkt, die prioritär sind. Genügt eine Idee diesen Grundanforderungen nicht, wird sie bereits innerhalb der ersten Stufe eliminiert. Zu einem späteren Zeitpunkt kommen zusätzlich die Kann-Kriterien dazu. Folgende Aspekte sollten in den Checklisten unbedingt behandelt werden:
  • technische Realisierbarkeit der Idee
  • Komplementarität mit den Unternehmensgrundsätzen
  • Übereinstimmung mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen und Richtlinien
  • Sicherung von Schutzrechten

Methodiken und Checklisten für die erste Auswahl

Ein Beispiel für eine Erstauswahl ist die Kartenreihung. Hier handelt es sich um einen direkten Vergleich zwischen einzelnen Ideen. Eine Idee wird an die Wand gepinnt und mit einer anderen Idee verglichen. Der Gewinner steigt eine Stufe auf und wird über die Idee gehängt. Dieser Vergleich findet dann mit jeder weiteren vorgestellten Idee statt. Diese Methode ist aufwendig und eignet sich nur bei einer überschaubaren Ideenmenge.

Feinauswahl

Nachdem einige Ideen einfach und schnell aussortiert wurden, können nun die übrigen Alternativen durch ein feineres Sieb sortiert werden. Unterstützung liefern hier Scoring Modelle.

Nutzwertanalyse

Die Nutzwertanalyse, eine-Scoring-Bewertung, hilft bei der Auswahl von Alternativen, v.a. wenn es nicht um bloße Fakten geht, sondern auch subjektive Einflüsse in die Bewertung miteinfließen. Die Bewertung lässt sich leicht mit einem Tabellenkalkulationsprogramm durchrechnen.
Folgende Schritte erfolgen:
  1. Festlegung der Ideen:
    Die Varianten werden gesammelt und gegenüber gestellt. Die Alternativen sollten nicht zu zahlreich sein. Ideen, die den KO-Kriterien nicht genügen, scheiden aus.
  2. Definition und Gewichtung der Bewertungskriterien:
    Um eine Entscheidung zu treffen, werden Kriterien festgelegt. Diese sind beispielsweise Anforderungen an das Produkt, Ziele oder der Innovationsgrad. Die Kriterien werden mit einem Prozentsatz hinterlegt, der ihre Bedeutsamkeit widerspiegelt. Nicht alle Kriterien sind gleich wichtig und die Verhältnisse zueinander müssen beachtet werden. Die Summe muss dann 100 Prozent oder eins ergeben. Vor allem um quantitative Faktoren einbeziehen zu können, sollten hier Experten das Ruder übernehmen.
  3. Bewertungsmaßstab:
    Die einzelnen Kriterien werden mit Punkten bewertet. Der Bewertungsmaßstab muss exakt festgelegt sein, z.B. 10 Punkte =sehr gut, 1 Punkt=sehr schlecht
  4. Bewertung der Alternativen:
    Nun werden den einzelnen Alternativen entsprechend dem Erfüllungsgrad Punkte zugeordnet. Pro Kriterium und Alternative werden Punkte vergeben und die gewichteten Punkte berechnet.
  5. Summierung und Auswahl:
    Durch Summierung der Einzelgewichtungen ergibt sich die gewichtete Punktzahl pro Idee. So bekommt jede Idee einen Art Nutzwert zugeschrieben.

Beispiel: Bewertung von verschiedenen Autoreifen

Zielkriterien
Gewichtung
Ideen-Alternativen
Autoreifen Natur
Autoreifen Speed
Autoreifen Safety
Punkte
Gewichtet
Punkte
Gewichtet
Punkte
Gewichtet
Geringe Herstellkosten
0,1
2
0,2
5
0,5
8
0,8
Kraftstoffeffizienz
0,05
4
0,2
1
0,05
8
0,4
Reifenverschleiß
0,1
6
0,6
3
0,3
7
0,7
Griffigkeit auf der Straße
0,2
6
1,2
8
1,6
10
2
Bremseigenschaften
0,2
6
1,2
7
1,4
10
2
Fahrkomfort
0,05
5
0,25
10
0,5
6
0,3
Kurvenstabilität
0,2
6
1,2
9
1,8
10
2
Innovationsgrad
0,1
10
1
2
0,2
3
0,3
Summe
1
5,85
6,35
8,5
Gewinner

Wirtschaftlichkeitsrechnung - Der Rubel muss rollen!

Bei der letzten Überprüfung werden die Ideen noch anhand ihrer Wirtschaftlichkeit analysiert. Hierbei gibt es unterschiedliche Instrumente mit individuellen Vor- und Nachteilen:
  • Kostenvergleich
  • Gewinnvergleich
  • Rentabilität
  • Amortisation
  • Kapitalwert
  • Interner Zinsfuß
  • Annuitäten
Im Folgenden stellen wir zwei Methoden näher vor:

Return-on-Investment (ROI-Methode)

Die Kennziffer des ROI beschreibt das prozentuale Verhältnis zwischen dem investierten Kapital und dem Gewinn. Der Quotient aus Gewinn und Umsatz wird dabei als Umsatzrentabilität bezeichnet und der Quotient aus Umsatz und Kapital als Kapitalumschlag.
ROI = (Gewinn/Umsatz) x (Umsatz/investiertes Kapital) x 100 (%)

Barwertmethode

Der Barwert entspricht dem Wert, welchen zukünftige Zahlungen in der Gegenwart besitzen. Dieser wird dadurch ermittelt, dass die in der Zukunft anfallenden Zahlungen auf den heutigen Wert abgezinst und aufaddiert werden. Die Idee dahinter ist, dass der Umsatz beispielsweise heute anders ausfällt als in hundert Jahren. So bewerten auch Investoren Zahlungen heute vorteilhafter als eine genauso hohe Summe später.
Barwert (einmalige Zahlung) = Auszahlung am Ende / [(1+Zinssatz) ^ Laufzeit]

Die Entscheidung

Bevor die endgültige Entscheidung getroffen wird, sollten die Alternativen in einen Business Case zusammengefasst werden. Dabei werden die Ideen inkl. Stärken und Schwächen vorgestellt sowie wirtschaftliche Rechnungen dargestellt. Die Ergebnisse werden illustriert und aufgrund von verschiedensten Analysen die vielversprechendste für die Umsetzung freigegeben. Zudem werden verworfene Ideen nochmal neubewertet.
Das Endergebnis und der Entscheidungsprozess werden daraufhin transparent kommuniziert. Üblicherweise werden aus einer Vielzahl an Ideen nur wenige, vielleicht auch nur eine einzige umgesetzt. Nicht selten ist es am Ende eine Bauchentscheidung der Führungskräfte, da niemand über eine Wahrsagerkugel verfügt. Zur Bewertung stehen zahlreiche Methodiken, mit individuellen Vor- und Nachteilen zur Verfügung. Sie müssen die geeigneten für Ihr Unternehmen und Ihre Zukunft identifizieren.

Machbarkeitsstudie - machbar oder nicht?

Zur Entscheidungsfindung verwenden Firmen vor allem für größere Projekte eine Machbarkeitsstudie. Diese beinhaltet Themen, die auch in späteren Abschnitten noch näher beschrieben werden. Eine Machbarkeitsstudie soll die Idee überprüfen und letztendlich Auskunft zur Projektentscheidung geben. Sie liefert die Informationen, um über den Start des Entwicklungsprozesses zu entscheiden.
Die Machbarkeitsstudie beinhaltet folgende Komponenten:
  • Informationen zur Idee und deren Konzipierung
  • Umfangreiche Recherchen über  beispielsweise Markt, Wettbewerber oder die Patentierfähigkeit
  • einen ausgeklügelten Projektplan
  • Informationen zur Vermarktung
  • Informationen zur technischen Realisierbarkeit
  • Wirtschaftliche Analysen
  • eine Risikobewertung

Drei Tipps zur Umsetzung

  • Legen Sie sich vor der Bewertung Ihre Ziele fest.
  • Reduzieren Sie die Ideen anhand einer zuvor festgelegten Entscheidungsregel. Auch müssen die Kriterien, Maßstäbe und das gesamte Schema klar definiert und kommuniziert sein.
  • Bevor Sie Ideen herausfiltern, untersuchen Sie diese nochmal. Es kann passieren, dass radikale Ideen, die auf Anhieb nicht sonderlich innovativ klingen oder zu abwegig erscheinen, frühzeitig rausgeschmissen werden. Gleichzeitig sollte der Bewertungsprozess nicht unnötig in die Länge gezogen werden. Greifen Sie immer wieder „alte“ Ideen auf, denn vielleicht ist der Marktzeitpunkt erst später gegeben. Lassen Sie die Bewertung durch verschiedene Personenkreise durchführen, um alle relevanten Blickwinkel zu erhalten.
BLICK IN DIE PRAXIS – INTERVIEW
Ein Interview mit Prof. Dr. med. Clemens Bulitta, Präsident, der OTH Amberg-Weiden, finden Sie unter „Weitere Informationen”.
Quellen
  • Vahs/Brem, Innovationsmanagement, 2013
  • Disselkamp, Innovationsmanagement, 2012
  • Granig, Innvoationsbewertung, 2007