Verkehrspolitische Positionen
- Mobilität ganzheitlich begreifen
- Aktuelle Trends einbeziehen
- Arbeitsteilung im ÖPNV stärken
- Multimodale Schnittstellen stärken
- Rad- und Fußverkehr einbeziehen
- Digitalisierung nutzen
- Ausbau der digitalen Infrastruktur beschleunigen
- Technologievielfalt erhalten
- Ausreichend Lkw-Parkplätze bereitstellen
- Gewerbeflächen für Logistik
- Erreichbare Innenstädte
- Finanzierung und Planung von Infrastruktur sicherstellen
- PPP-Finanzierung
Mobilität ganzheitlich begreifen
Die Mobilität von Personen und Gütern ist ein entscheidendes Kriterium für die Entwicklung des Wirtschaftsraums Oberpfalz / Kelheim. Von Politik und Verwaltung wird daher erwartet, sich der Thematik mit einer hohen Priorität zu widmen. Die finanzielle und personelle Ausstattung müssen die hohe Bedeutung ebenso widerspiegeln wie eine effiziente organisatorische Umsetzung. Mobilität muss darüber hinaus in ihrer Gesamtheit begriffen und weiterentwickelt werden. Hierfür sind etablierte Verkehrsmittel ebenso von Belang wie neue Mobilitätsformen. Um systembedingte Vorteile nutzen zu können, müssen Unternehmen und Bürger auch künftig selbst bestimmen können, welche Verkehrsmittel sie wählen. Der Umweltverbund muss im Besonderen durch attraktivitätssteigernde Maßnahmen gefördert werden, damit mehr Menschen umsteigen.
Zusätzlich sollten Kommunen Planungen für die Weiterentwicklung der Mobilität in ihrem Zuständigkeitsbereich aufstellen, um ihre langfristigen Ziele transparent zu machen. Hierbei sollten die Bedürfnisse der Logistik und damit der Unternehmen für eine möglichst ungehinderte Erreichbarkeit berücksichtigt werden. Das sichert für Unternehmen dauerhaft die erforderlichen Standortperspektiven.
Aufgrund der ländlichen Prägung Ostbayerns wird der Pkw im Wirtschaftsraum Oberpfalz / Kelheim mittel- bis langfristig das dominierende Verkehrsmittel bleiben. Gleichzeitig entwickeln sich aber zunehmend Möglichkeiten, diesen Umstand umweltfreundlicher zu gestalten, ohne bestimmte Verkehrsträger zu diskriminieren. Voraussetzung hierfür ist ein positives Grundverständnis von Mobilität als zu gestaltendes und steuerndes Element sowie eine Offenheit gegenüber neuen technologischen und konzeptionellen Möglichkeiten.
Aktuelle Trends einbeziehen
Die Entwicklung neuer Antriebe führt zusammen mit der Digitalisierung und weiteren technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen zu einem neuen Mobilitätsbewusstsein und neuen Mobilitätsformen. Bund, Länder und Kommunen sollten daher weitere innovative und insbesondere integrative Mobilitätskonzepte erarbeiten, um nachhaltige Entwicklungsperspektiven und Planungssicherheit herbeizuführen. Gebietsgrenzen dürfen dabei kein Hindernis darstellen und müssen überwunden werden. Um zusätzliche Potentiale für eine Verkehrswende zu realisieren, sind langfristige Planungen (beispielsweise durch regionale Nahverkehrspläne) immer auch um kurz- und mittelfristige Ziele zu ergänzen und in regelmäßigen Intervallen zu hinterfragen. Langfristiges Ziel muss es dabei nicht sein, Individualverkehr abzuschaffen, sondern ein attraktives Angebot im öffentlichen Personenverkehr mit umweltschonenden Formen des Individualverkehrs zu kombinieren.
Arbeitsteilung im ÖPNV stärken
Um ein attraktives Angebot bieten zu können, muss der öffentliche Personenverkehr entsprechend der Stärken seiner unterschiedlichen Verkehrsmittel eingesetzt und um innovative Konzepte ergänzt werden. Entscheidungsgrundlage für die Gestaltung des Angebots sollte dabei grundsätzlich der aktuelle Bedarf sein. In einigen Fällen, vor allem bei der Einführung neuer Mobilitätskonzepte, wird es aber unausweichlich sein, dass die Aufwandsträger in Vorleistung gehen. Hier braucht es die Weitsicht und den Mut ein Angebot zu schaffen, das überzeugt, auch wenn die Nachfrage sich nicht sofort einstellt.
So werden auf vielgenutzten Relationen auch zukünftig Bus- und Bahnverkehre mit klassischen Fahrplänen das Rückgrat des ÖPNV bilden. Bestenfalls kann die Taktung in diesen Fällen in Form von regelmäßigen Intervallen gestaltet werden (z.B. Abfahrt eines Busses alle 15 min), so dass Fahrgäste das Verkehrsmittel ohne Kenntnis des zugrunde liegenden Fahrplans nutzen können. Auf wenig genutzten Relationen ist dieser fahrplanorientierte ÖPNV meist nur mit einer unattraktiven Taktung oder mit überproportional hohen Kosten realisierbar. Hier braucht es kreative Ansätze, um beispielsweise mit Bedarfsverkehren durch Rufbusse oder Anrufsammeltaxis ein attraktiveres Angebot bei vertretbaren Kosten zu schaffen.
Politische Aufgabe ist es, finanzielle Unterstützungen so einzusetzen, dass eine stärkere Arbeitsteilung von bewährten und neuen ÖPNV-Konzepten möglich ist. Kreative neue Mobilitätskonzepte müssen in ihrer Entwicklung und Anlaufphase unterstützt werden und Unternehmen, die von der Marktveränderung betroffen sind, muss es ermöglicht werden, an der Entwicklung teilzunehmen.
Multimodale Schnittstellen stärken
Multimodale Schnittstellen sind das verbindende Glied zwischen Verkehrsmitteln. Indem man den Übergang zwischen den Verkehrsmitteln erleichtert, stärkt man den öffentlichen Personenverkehr und schafft insgesamt ein attraktiveres Mobilitätsangebot. Die Verknüpfung solcher Schnittstellen an zentralen Orten wie Bahnhöfen, P+R-Anlagen, Großparkplätzen und stark frequentierten Bushaltestellen sollte deutlich über das bisherige Maß hinaus ausgebaut werden. Je nach Lage ist nicht nur die Verknüpfung von privatem Pkw und ÖPNV sinnvoll. Auch Leihangebote für Autos, Fahrräder oder E-Scooter sowie die Errichtung von Ladesäulen, Fahrradboxen oder WLAN-Hotspots können sinnvoll sein.
Neben der räumlichen Nähe hilft Fahrgästen auch ein Verkehrsmittel-übergreifendes Informationsangebot – beispielsweise als Smartphone-App – dabei, unkompliziert zwischen den Verkehrsmitteln zu wechseln. Durch den Einsatz solcher plattformbasierten Dienste ist es möglich, die Planungssicherheit und Flexibilität ihrer Nutzer zu erhöhen, um den öffentlichen Personenverkehr komfortabler zu gestalten.
Rad- und Fußverkehr einbeziehen
Gerade in Städten wird ein großer Anteil der Wege zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt. Daher ist vor allem in Innenstädten und zentrenrelevanten Lagen eine hohe Aufenthaltsqualität zu schaffen, um diesen Anteil zu halten und auszubauen. Bei Radwegen ist auf eine ausreichende Qualität und Durchgängigkeit zu achten. Darüber hinaus müssen die teils unterschiedlichen Ansprüche von klassischen Radfahrern sowie Nutzern von E-Bikes und Lastenfahrrädern beachtet werden. Diese unterscheiden sich auch in Bezug auf die Güte der Abstellanlagen.
Ebenso wie Alltagsradwege müssen auch touristische Routen aufgewertet und durchgehend beschildert werden. Der Tourismus nimmt in der Region eine wichtige Rolle ein. Zunehmend erkunden die Gäste ihre Urlaubsregion auch mit dem Fahrrad. Um den Anteil der Fahrradverkehre bei Pendlern weiter erhöhen zu können, muss zukünftig auch ein größeres Augenmerk auf die Verbindung von Wohn- und Gewerbegebieten mit Radwegen gelegt werden.
Digitalisierung nutzen
Die Digitalisierung ist ein Trend, in den viel Hoffnung für weitere Effizienzgewinne und eine nachhaltige Wende im Verkehrsbereich gesetzt wird. Tatsächlich hat die Digitalisierung über vielfältige Ansätze das Potential, die Mobilität von morgen drastisch zu verändern. Visionen von autonom fahrenden, induktiv geladenen Bussen, die sich modular verbinden und entkoppeln, um ihre Fahrgäste on demand binnen Minuten an jedem Ort abzuholen, sind sicherlich in einer Endstufe realistisch. Bis dahin ist es aber wichtig, kurzfristigere Möglichkeiten aufzugreifen und umzusetzen. So könnte beispielsweise bereits heute die genaue Erfassung und Analyse von Verkehrsflüssen zu besseren Routenplanungen führen. Im ÖPNV wäre damit schon vor Reiseantritt bekannt, welche Nachfrage auf welchen Verbindungen entsteht und somit eine intelligente, aufkommensgesteuerte Verkehrsführung möglich. Durch die Lokalisierung freier Parkplätze könnte eine neue Qualität an Parkleitsystemen geschaffen werden, die Parksuchverkehre drastisch reduzieren. Smart City und Smart Region sind oft verwendete Begriffe, wenn es um die zukünftige digitale Gestaltung derartiger Möglichkeiten geht. Diese Begriffe gilt es nun im Wirtschaftsraum Oberpfalz / Kelheim mit Leben zu füllen. Neben der Schaffung einer leistungsfähigen Infrastruktur müssen vor allem auch rechtliche Rahmenbedingungen und ein einheitlicher Datenstandard geschaffen werden, die den Einsatz innovativer Anwendungen erlauben und fördern. Hierunter fallen auch die Beseitigung von Hürden durch Datenschutz und Bürokratie.
Ausbau der digitalen Infrastruktur beschleunigen
Die technischen Voraussetzungen für die Nutzung digitaler Technologien müssen zügig verbessert werden. So ist die Mobilfunkabdeckung vielerorts immer noch lückenhaft und verhindert selbst die Nutzung von einfachen, datenarmen Anwendungen. Dieser Umstand ist schnellstmöglich durch eine flächendeckende Netzabdeckung in 4G-Qualität zu beseitigen. Im nächsten Schritt müssen die Voraussetzungen für datenintensive Anwendungen und einen Datenaustausch in Echtzeit hergestellt werden, wie sie beispielweise für autonomes Fahren und leistungsfähige Car2x-Kommunikation notwendig ist. Dies erfordert nach heutigem Stand den flächendeckenden Ausbau der digitalen Infrastruktur auf gigabitfähiges Breitband und 5G-Technologie sowie den zukunftsweisenden 6G-Standard.
Technologievielfalt erhalten
Der Einsatz alternativer Antriebstechnologien ist von entscheidender Bedeutung für die Mobilität von morgen. Aktuell stehen neben Elektroantrieben v.a. Wasserstoffantriebe sowie Antriebe mit synthetischen Kraftstoffen und LNG im Fokus der öffentlichen Diskussion. Aus Sicht der IHK Regensburg für Oberpfalz / Kelheim ist diese Technologievielfalt positiv zu bewerten und sollte nicht politisch eingeschränkt werden. Letztendlich muss und wird der Markt selbst entscheiden, welche Antriebsformen sich in welchem Anwendungsbereich langfristig durchsetzen. Gleichzeitig darf dieses Argument nicht vorgeschoben werden, um die Entwicklung und Verbreitung marktreifer Technologien, wie dem Elektroantrieb, zu verzögern. Elektrofahrzeuge werden heute nicht mehr nur von einer Handvoll überzeugter Idealisten genutzt. Technologische Entwicklungen ermöglichen ihren Einsatz in einem breiten Anwendungsfeld. Dieses wird sich vor allem aufgrund von Verbesserungen im Batteriebereich und einem dichteren Netz an Ladesäulen auch zukünftig vergrößern. Gleichzeitig ist es aber unwahrscheinlich, dass sich die Elektromobilität auf absehbare Zeit als vollwertiger Ersatz für Benzin- und Dieselmotoren etablieren wird. Für die Unternehmen im Wirtschaftsraum Oberpfalz / Kelheim ist es daher wichtig, dass für alle Anwendungsbereiche zu jedem Zeitpunkt funktionale und wirtschaftlich abbildbare Lösungen zur Verfügung stehen. Je nach Verkehrsträger, Transportgewicht und Reichweite wird es sich dabei in der Übergangszeit auch weiterhin um Benzin- und Dieselmotoren oder Hybrid-Ansätze handeln.
Ausreichend Lkw-Parkplätze bereitstellen
Entlang der Autobahnen fehlten 2018 bundesweit dreißig- bis vierzigtausend Lkw-Parkplätze, allein in Bayern waren es fast viertausend. Dies führt zu Unfällen, überfüllten Rastplätzen und der Gefahr, dass Lenk- und Ruhezeiten nicht eingehalten werden. Bei der Behebung des Problems sollten sowohl die Erweiterung von bestehenden Anlagen als auch die Wiedereröffnung geschlossener Rastplätze und der Neubau von Parkplätzen in die Überlegungen einfließen. Darüber hinaus sind schnellstmöglich technische Möglichkeiten umzusetzen, die es Unternehmen und Fahrern erlauben, sich via Online-Portal oder Anzeigetafeln über die Belegung von Parkplätzen zu informieren.
Gewerbeflächen für Logistik
Für Logistikzwecke geeignete Flächen sind knapp und die Erschließung neuer Flächen häufig schwierig. Die Verwendung bestehender Logistikflächen für andere Zwecke sollte von Kommunen daher möglichst vermieden werden. Um Vorbehalte gegen die Logistikbranche abzubauen, sollten ihre systemische Relevanz für die Gesamtwirtschaft und die Vorteile von Investitionen dieser Branche für den Standort herausgestellt werden.
Erreichbare Innenstädte
Lieferverkehre nehmen in Städten eine besondere Rolle ein. Gründe hierfür sind beispielsweise die räumliche Enge, ein hohes Verkehrsaufkommen, konkrete Lieferfenster und -zonen sowie i.d.R. höhere Umweltauflagen. In dieser komplexen Gemengelage müssen Wege für die zukünftige Gestaltung von Lieferverkehren in die Innenstädte gefunden werden. Denn auch zukünftig sollen diese als wichtige und funktionsfähige Standorte für Handel, Dienstleistungen und Gewerbe ohne Einschränkungen erreichbar bleiben. Die Verlagerung der Betriebe ins Umland hätte schlimmstenfalls zur Folge, dass sie zwar mit Pkw und Lkw besser zu erreichen wären, nicht aber für den ÖPNV, Fuß- und Radverkehr.
Eine aktuell viel diskutierte Alternative zu klassischen Lieferverkehren ist die Schaffung von Mikro-Depots. Darunter wird die zentrale Anlieferung von Paketen zu kleinen Containern in der Innenstadt verstanden, von denen aus anschließend die Feinverteilung etwa durch Lastenfahrräder durchgeführt wird. Eine Kooperation verschiedener Logistikdienstleister und damit die Bündelung der Verkehre auf der letzten Meile muss als ernstzunehmende Option für die Zukunft in Erwägung gezogen werden. Vor allem auf kommunaler Ebene können Politik und Verwaltung derartige Vorhaben durch frühzeitige Planung und durch die Vermittlung von Standorten für Mikro-Depots unterstützen. Weiterhin haben sich an Modellstandorten Sondergenehmigungen für die eingesetzten Lastenfahrräder bewährt – beispielsweise für die entgegengesetzte Einfahrt in Einbahnstraßen oder für die Nutzung in Fußgängerzonen.
Finanzierung und Planung von Infrastruktur sicherstellen
Die Prognose des aktuellen Bundesverkehrswegeplans geht von einer Zunahme der Verkehrsleistung im Güterverkehr von 2010 bis 2030 um 38 Prozent aus. Eine Entkopplung von Wirtschafts- und Verkehrswachstum ist damit bislang nicht erkennbar. Die Mobilität von Menschen und Gütern ist auch in Zukunft Voraussetzung für viele wirtschaftliche Aktivitäten in einer arbeitsteiligen Wirtschaft. Häfen, Flughäfen und multimodale Terminals sind bedeutende Schnittstellen zwischen den Verkehrsträgern und sowohl für den Export als auch für den Import von Bedeutung.
Fehlende Planungskapazitäten sind aktuell ein entscheidendes Hindernis für die Realisierung wichtiger Infrastrukturprojekte. Dies führt dazu, dass es inzwischen trotz Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln einen Mangel an planfestgestellten Projekten gibt. Es gibt derzeit zu wenige Bauingenieure, insbesondere für den Bereich Verkehrswegebau und die Ausbildung von Nachwuchs benötigt Zeit. Hinzu kommt, dass Infrastrukturbetreiber, Verwaltungen und Planungsbüros bei der Schaffung neuer Stellen vorsichtig agieren, wenn sie nicht absehen können, wie lange die Investitionsmittel auf dem aktuell hohen Niveau gehalten werden. Die Finanzierungslinie für Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur sollte daher längerfristig auf einem hohen Niveau verstetigt werden. Dies gilt für alle Baulastträger gleichermaßen. Die Zweckbindung der Einnahmen aus der Lkw-Maut für die Bundesfernstraßen hat sich bewährt und sollte daher beibehalten werden, um die Verstetigung der Mittel zu unterstützen.
PPP-Finanzierung
Public Private Partnership (PPP) bietet die Chance, unternehmerisches Know-how zur Minimierung der Lebenszykluskosten zu nutzen und gerade bei schlechter Haushaltslage schneller privates Kapital zur Infrastrukturfinanzierung zu mobilisieren. Aus Nutzersicht macht es keinen Unterschied, ob Bau, Betrieb und Erhebung von Nutzungsentgelten durch den Staat oder einen privaten Betreiber erfolgen. Wichtig für die Wirtschaft ist, dass PPP dabei nicht zu einer Verteuerung der Mobilität führt. PPP darf den Staat zudem nicht aus seiner Verantwortung für die Gewährleistung einer leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur entlassen. Gelungene PPP-Projekte können als Vorbild dienen, diese Form der Finanzierung weiterzuentwickeln.