Wirtschaft und Verteidigung
Die Wirtschaftsregion Oberpfalz-Kelheim ist ein bedeutender Technologiestandort mit zahlreichen Hidden Champions und einem überdurchschnittlich stark vertretenen produzierenden Gewerbe. Besonders im Bereich der „dual-use“-Technologien – Lösungen, die sowohl in zivilen als auch militärischen Anwendungen genutzt werden können – kann unsere Region in Kombination mit einer dichten Hochschullandschaft daher einen nicht zu vernachlässigenden Beitrag zur Gesamtverteidigung Deutschlands und militärischen Innovationen leisten.
Gesamtverteidigung Deutschlands
Der Begriff „Gesamtverteidigung“ umfasst alle Maßnahmen von Staat und Gesellschaft, die darauf abzielen, die Widerstandsfähigkeit im Falle von Krisen oder militärischen Konflikten zu gewährleisten.
Das Konzept der Gesamtverteidigung wurde 1995 entwickelt, 2024 ergänzt und beruft auf vier Säulen:
- Die NATO und die ihr unterstellten Teilstreitkräfte der Bundeswehr
- Die territoriale Landesverteidigung
- Die gemeinsame Luftverteidigung mit den NATO-Partnern
- Die zivile Verteidigung unter Koordination des Bundesinnenministeriums
Rolle der Wirtschaft
Einleitung
In den Konzepten der Gesamtverteidigung kommt der Wirtschaft eine zentrale Rolle zu. Aus diesem Grund müssen Unternehmen auf den Krisenfall sowie den damit verbundenen potenziellen Einschränkungen und Herausforderungen vorbereitet sein. So sind beispielsweise widerstandsfähige Produktions- und Lieferketten und geschützte kritische Infrastrukturen unverzichtbar, um im Ernstfall die Grundversorgung sicherstellen zu können. Zudem können im Ernstfall Leistungsverpflichtungen durch die öffentliche Hand ausgelöst werden. Interne Notfallpläne sowie Vorsorgemaßnahmen – wie ein Business Continuity Management (BCM) oder der Schutz vor hybriden Bedrohungen – müssen rechtzeitig getroffen werden.
Cyberangriffe und IT-Sicherheit
Bisher richteten sich Cyberangriffe meist gegen eine begrenzte Zahl von Unternehmen oder Institutionen. Häufig wurden unbekannte Sicherheitslücken (Zero-Day-Exploits) ausgenutzt, die von gängigen Schutzsystemen noch nicht erkannt wurden. Oft erfolgt eine Kompromittierung im Vorfeld, ohne dass sie rechtzeitig bemerkt wird.
In bestimmten hybriden Szenarien ist jedoch mit zahlreichen gleichzeitigen Angriffen zu rechnen – sowohl hinsichtlich der betroffenen Organisationen als auch der Angriffsarten. Dies könnte IT-Sicherheitsressourcen überlasten und zu Verzögerungen bei der Unterstützung führen. Im schlimmsten Fall werden Daten oder Systeme zerstört, für die kein schneller Ersatz verfügbar ist. Weitere Eskalationen sind denkbar.
Abhängig vom Risiko kann es im Spannungs- oder Kriegsfall sinnvoll sein, besonders kritische Systeme vom Internet zu trennen und sensible Daten nur über gesicherte Kanäle zu übertragen. Solche Maßnahmen sind jedoch im Einzelfall unter Einbindung von Experten zu prüfen.
Sabotage geht meist Spionage voraus. Für kritische Infrastrukturen bestehen bereits Schutzvorgaben, doch die Corona-Krise zeigte, dass auch unerwartete Bereiche plötzlich systemrelevant werden können – etwa durch fehlende Komponenten oder Engpässe bei Fachkräften. Eine pauschale Ausweitung der KRITIS-Anforderungen auf alle potenziell betroffenen Sektoren ist jedoch nicht realistisch. Stattdessen sollten Unternehmen individuell prüfen, ob sie von Spionage oder Sabotage bedroht sein könnten – insbesondere im Kontext hybrider Bedrohungsszenarien. Die Verfassungsschutzbehörden bieten hierzu Informationsmaterial, Beratung und Unterstützung im Verdachtsfall.
Personal
Viele Beschäftigte in den Unternehmen engagieren sich ehrenamtlich in Rettungsdiensten, Feuerwehren, Reservestrukturen oder anderen Organisationen. In Krisenszenarien kann die gleichzeitige Beanspruchung in Haupt- und Ehrenamt dazu führen, dass sie dem Unternehmen zeitweise nicht zur Verfügung stehen – anders als in Friedenszeiten. Deshalb ist es sinnvoll, die Zahl dieser Beschäftigten zu erfassen und die Auswirkungen ihres möglichen Ausfalls auf kritische Unternehmensprozesse zu bewerten. Dabei sind datenschutzrechtliche Vorgaben, Einwilligungen sowie mögliche Regelungen mit dem Betriebsrat zu beachten.
Abhängig vom erwartbaren Personalausfall kann es außerdem sinnvoll sein, den temporären Einsatz früherer Mitarbeitender, z. B. von Rentnern, zu prüfen. Zusätzlich empfiehlt sich – je nach Lage – eine frühzeitige Sensibilisierung der Belegschaft für die möglichen Folgen sicherheitspolitischer Entwicklungen über bestehende Vorsorgemaßnahmen hinaus.
Da Bundeswehr und Polizei im Krisenfall mit einer Vielzahl von Aufgaben gebunden wären, stünden diese nur eingeschränkt für den Schutz von Unternehmen und deren Infrastruktur zur Verfügung. Gleichzeitig ist mit einem deutlichen Anstieg der Nachfrage nach privaten Sicherheitsdiensten zu rechnen. Unternehmen sollten daher frühzeitig geeignete Kapazitäten an Wachpersonal sichern, um im Ernstfall vorbereitet zu sein.
Energieversorgung
Im Krisenfall stehen Kraft- und Betriebsstoffreserven vorrangig den Streitkräften, Rettungsdiensten und anderen verteidigungsrelevanten Organisationen zur Verfügung. Unternehmen sollten daher – abhängig vom Risiko und sicherheitspolitischen Umfeld – eigene Vorräte zur Sicherstellung geschäftskritischer Prozesse einplanen. Dabei sind rechtliche Vorgaben, etwa zu Arbeits- und Betriebssicherheit oder Gefahrstoffen, zu beachten.
Der Ukrainekrieg hat gezeigt, dass gezielte Angriffe auf die Energieversorgung ein effektives Mittel zur Schwächung des Gegners sein können. Auch in Deutschland wäre bei Sabotage oder hybriden Angriffen mit Stromausfällen zu rechnen – möglicherweise über längere Zeiträume.
Deshalb sollte je nach Gefährdungslage die Notwendigkeit einer Not- oder Eigenstromversorgung geprüft werden. Diese kann vom kleinen Aggregat für Grundfunktionen bis hin zu umfassenden Insellösungen für ganze Produktionsbereiche reichen.
Deshalb sollte je nach Gefährdungslage die Notwendigkeit einer Not- oder Eigenstromversorgung geprüft werden. Diese kann vom kleinen Aggregat für Grundfunktionen bis hin zu umfassenden Insellösungen für ganze Produktionsbereiche reichen.
Telekommunikation
Mobilfunk, Internet und IP-basierte Telefonie können im Krisenfall ausfallen. Daher sollte im Rahmen der Notfallplanung geprüft werden, welche alternativen Kommunikationsmittel verfügbar und geeignet sind. Ergänzend können analoge Meldeketten oder feste Treffpunkte und -zeiten außerhalb der Betriebszeiten sinnvoll sein, um die Erreichbarkeit im Ernstfall sicherzustellen.
Disruptionen in der Lieferkette
Lieferketten können nicht nur in einem großen Konflikt, sondern auch durch Sabotage, Bedrohungen von Transportrouten oder politische Einflussnahme auf Lieferländer beeinträchtigt werden – sowohl national als auch international. Daher ist es sinnvoll, sich frühzeitig auf mögliche Störungen vorzubereiten und flexible Alternativen oder eine Diversifizierung der Lieferketten einzuplanen.
Liquiditätsengpässe
In Krisensituationen kann es – etwa durch Verunsicherung, Desinformation, gestörte Lieferketten oder Rohstoffmangel – zu starken Nachfragerückgängen oder Angebotsausfällen in bestimmten Branchen kommen, wie beispielsweise im Tourismus oder bei Luxusgütern. Obwohl auch in solchen Fällen zunächst die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft gelten, könnten zahlreiche Unternehmen kurzfristig in eine existenzbedrohende Lage geraten. Staatliche Unterstützungsmaßnahmen wie Steuererleichterungen oder Hilfsprogramme würden nicht automatisch greifen, sondern situationsabhängig beschlossen werden. Unternehmen sollten sich daher frühzeitig mit solchen Szenarien auseinandersetzen und entsprechende Notfallpläne samt Informationsquellen und interner Zuständigkeiten vorbereiten.
Leistungsverpflichtungen im Kontext der Gesamtverteidigung
Im Krisen- oder Verteidigungsfall wird die öffentliche Hand stärker auf die Unterstützung der Wirtschaft angewiesen sein. Unternehmen können durch öffentliche Aufträge zur Sicherstellung wichtiger Dienstleistungen und Güter beitragen. Besonders in den Bereichen Logistik, Versorgung, IT-Sicherheit, Bau und Infrastruktur kann es zu einer hohen Nachfrage kommen. Die zivil-militärische Zusammenarbeit zeigt sich beispielsweise im Host Nation Support (HNS: Unterstützung ausländischer Streitkräfte durch das Gastland) oder in Convoy Support Center (CSC: mobile Versorgungsstationen für Truppen).
Die unterschiedlichen Leistungs- und Sicherstellungsgesetze ermöglichen es der öffentlichen Hand, die Unternehmen gegebenenfalls zu den notwendigen Leistungen zu verpflichten. Dazu zählen beispielsweise:
- Arbeitssicherstellungsgesetz
- Bundesleistungsgesetz
- Energiesicherungsgesetz
- Energiesicherungstransportverordnung
- Erdölbevorratungsgesetz
- Ernährungssicherstellungs- und -vorsorgegesetz
- Landbeschaffungsgesetz
- Mineralölbewirtschaftungs-Verordnung
- Postgesetz
- Schutzbereichgesetz
- Telekommunikationsgesetz
- Verkehrsleistungsgesetz
- Verkehrssicherstellungsgesetz
- Wassersicherstellungsgesetz
- Wirtschaftssicherstellungsgesetz
- Wirtschaftssicherstellungsverordnung
Rolle der IHKs
Die IHK Regensburg für Oberpfalz / Kelheim fungiert als Bindeglied zwischen Wirtschaft, Bundeswehr, Politik und Behörden. Als Ansprechpartner und Sprachrohr der regionalen gewerblichen Wirtschaft sensibilisieren wir unsere Mitgliedsunternehmen für die Themen der Gesamtverteidigung und tragen somit einen Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen Resilienz bei.