Wettbewerbsrecht

Abwerbung von Mitarbeitern



Die Abwerbung von Mitarbeitern durch Dritte ist grundsätzlich zulässig. Im Wettbewerb sind Mitarbeiter ein wichtiges Gut. Unternehmen haben jedoch keinen Anspruch auf den Bestand ihrer Mitarbeiter, da diese in der Wahl ihres Arbeitsplatzes frei sind. Rechtliche Probleme können sich aber unter besonders verwerflichen Umständen ergeben. Nicht erlaubt ist die Abwerbung eines Mitarbeiters des Unternehmens, in dem man selbst beschäftigt ist.

1. Abwerbung durch Konkurrenzunternehmen oder sog. Headhunter

Grundsätzlich ist die Abwerbung von Mitarbeitern durch Konkurrenzunternehmen oder sog. Headhunter erlaubt und zwar auch dann, wenn die Abwerbung planmäßig geschieht. Erst bei Hinzutreten besonderer Umstände, wenn mit der Abwerbung ein verwerflicher Zweck verfolgt oder bei der Abwerbung verwerfliche Mittel oder Methoden eingesetzt werden, wird die Abwerbung unzulässig:
a. Verwerfliche Zwecke:
Ist Ziel der Abwerbung die Behinderung und Ausbeutung des Mitarbeiters, so ist die Abwerbung unzulässig. Dies ist zum einen dann der Fall, wenn Mitarbeiter des Konkurrenten zwar abgeworben werden, aber gar nicht beabsichtigt ist, sie auch einzustellen, sondern nur die Leistungsfähigkeit des Mitbewerbers schwächt. Zum anderen trotz anschließender Einstellung, wenn Abwerbung und Einstellung des Abgeworbenen mit dem Ziel oder Bewusstsein erfolgen,
  • sich die Erfahrungen und Leistungen des Konkurrenten nutzbar zu machen (z.B. Abwerbung, um Geschäftsgeheimnisse zu erfahren) oder
  • die gezielte Abwerbung nicht der Steigerung der eigenen Leistungsfähigkeit dient und den Mitbewerber in seiner Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Auf die Absicht des Unternehmens kommt es nicht mehr maßgeblich an.
b. Unzulässige Mittel und Methoden im Rahmen der Abwerbung:
  • Verleitung zum Vertragsbruch
    Die Verleitung eines Mitarbeiters zum Vertragsbruch oder der bloße Versuch ist im Regelfall unlauter.
  • Verleitung zur ordnungsgemäßen Vertragsauflösung
    Die Verteilung zur ordnungsgemäßen Vertragsauflösung ist zulässig, es sei denn, es werden unzulässige Mittel verwendet, wie z.B.:
    • irreführende oder herabsetzende Äußerungen über den früheren Arbeitgeber,
    • unwahre Angaben über bevorstehende Entlassungen oder betriebliche Veränderungen,
    • Überrumpelung (z.B. durch vorbereitete Kündigungsschreiben)
    • Erpressung,
    • Leere Versprechungen oder Versprechen rechtswidriger Vorteile,
    • Androhen von Nachteilen oder Gewalt,
    • Anbieten sachfremder Lockmittel (z.B. Verlosung einer Flugreise),
    • Zusage einer übermäßigen Prämie für den Fall, dass ein bereits erfolgreich abgeworbener Mitarbeiter auch Kollegen abwirbt.
  • Kontaktaufnahme
    Unzulässig ist das störende Eindringen in die Geschäfts- oder Betriebssphäre des Konkurrenten zum Zwecke des Abwerbens seiner Mitarbeiter. So ist die Entsendung von Personen zum Zwecke der Abwerbung in einen fremden Betrieb unzulässig.
    Abwerbungsversuche über den geschäftlichen Telefonapparat werden von den Gerichten unterschiedlich bewertet. Ein Teil sieht bereits einen einmaligen Anruf als unlauter und als Eingriff in den Gewerbebetrieb an, ein anderer Teil der Gerichte wiederum verlangt zumindest nachhaltig und wiederholte Anrufe. Auch kommt es auf den Inhalt und Zweck der Anrufe an. Ein einmaliger Anruf zum Zwecke der bloßen Vereinbarung zu einem Abwerbungsgespräch wurde als nicht unlauter angesehen, während jedoch Anrufe, die u.a. den Zweck haben, den angesprochenen Mitarbeiter als Informationsquelle für andere Abwerbungskandidaten zu benutzen in der Regel als wettbewerbswidrig gewertet werden. Der BGH hat diese Rechtsprechung bestätigt und darauf hingewiesen, dass die erstmalige telefonische Ansprache des Mitarbeiters eines Wettbewerbers nur dann als wettbewerbswidrig zu beurteilen sei, wenn der Anruf über eine erste Kontaktaufnahme hinausgehe. Eine erste Kontaktaufnahme müsse sich allerdings darauf beschränken, das Interesse des Angerufenen am Gespräch als solchem festzustellen, bei Interesse die zu besetzende Stelle kurz zu umschreiben und gegebenenfalls eine Forstsetzung des Gesprächs außerhalb des Arbeitsplatzes zu verabreden. Werden dem Arbeitnehmer eines Mitbewerbers bei einem ersten Telefongespräch Daten zu dessen Lebenslauf und bisherige Tätigkeiten vorgehalten, so geht auch dies über das für eine erste Kontaktaufnahme Notwendige hinaus und ist wettbewerbswidrig (BGH-Urteil vom 22.11.2007 - I ZR 183/04). Gleiches gilt für die Ausforschung von Mitarbeitern eines Unternehmens nach geeigneten Kollegen für eine Position.
    Die Abwerbung von Arbeitskräften in der Privatwohnung, in einem Lokal oder an einem sonstigen Ort ist grundsätzlich nicht wettbewerbswidrig. Die telefonische Ansprache in der Privatwohnung ist aber nur zulässig, wenn der Angerufene mit dem Anruf mutmaßlich einverstanden ist.
  • Ausspannen unter Missbrauch eines Vertrauensverhältnisses
    Besteht zwischen Konkurrenten ein Vertragsverhältnis oder werden Vertragsverhandlungen, z.B. auf den Abschluss eines Gesellschaftsverhältnisses, geführt, kann eine Abwerbung von Mitarbeitern des Vertragspartners unlauter sein.

2. Abwerbung durch Mitarbeiter

a. Abwerbung durch Mitarbeiter
Abwerbungsversuche durch eigene Mitarbeiter während des laufenden Arbeitsverhältnisses sind grundsätzlich unzulässig. Vorausgesetzt wird jedoch ein nachhaltiges auf eine Kündigung und anschließende Einstellung in einem anderen Unternehmen gerichtetes Einwirken. Bloße Gespräche unter Arbeitskollegen über beabsichtigten Stellenwechsel, selbst bei Hervorhebung der Vorteile des neuen Arbeitgebers, sind noch nicht treuwidrig.
b. Abwerbung durch ehemalige Mitarbeiter
Für Abwerbungsversuche durch ehemalige Mitarbeiter gegenüber früheren Arbeitskollegen gelten die Ausführungen zu den Abwerbungen durch Unternehmen und Headhunter.

3. Rechte des früheren Arbeitsgebers

Gegenüber dem Konkurrenzunternehmen und zwar auch dann, wenn es einen Headhunter beauftragte, sofern es zu dessen verwerflichem Handeln anstiftet oder dieses zumindest billigte, kommen im Falle einer unlauteren Abwerbung insbesondere Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus § 8 UWG wegen Behinderungswettbewerb, § 4 Nr.10 UWG, in Betracht. Schadenersatzansprüche können bei Verschulden aus § 9 UWG, § 826 BGB wegen sittenwidriger Schädigung oder aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Frage kommen. Strafrechtliche Sanktionen können sich aus §§ 17, 18 UWG wegen Verrats und Verwertung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie -unterlagen ergeben.
Zugunsten des verlassenen Mitbewerbers kommt ein zeitlich und sachlich befristetes Beschäftigungsverbot in Betracht. Das bedeutet, dass dem neuen Arbeitgeber über einen bestimmten Zeitraum verboten würde, den abgeworbenen Mitarbeiter zu beschäftigen. Anderenfalls bestünde zumindest ein Anspruch auf Schadensersatz in Geld. Weitere Ansprüche, insbesondere Schadensersatz- oder Auskunftsansprüche, können sich zudem aus der selbständigen Verfolgung der einzelnen Abwerbungsmittel oder -methoden (z.B. Ausspionieren) ergeben.
Sollte der abgeworbene Mitarbeiter in irgendeiner verwerflichen Weise an der unlauteren Abwerbung mitgewirkt haben, ist der zwischen ihm und dem neuen Arbeitgeber geschlossene Arbeitsvertrag gemäß § 138 BGB nichtig.
Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche können auch gegenüber dem Headhunter aus §§ 823, 1004 BGB analog oder aus § 823 Abs. 1 BGB bestehen.
Da dem früheren Arbeitgeber die Beweislast bzgl. des tatsächlichen Vorliegens verwerflicher Umstände obliegt, ist es wichtig, Abwerbungsversuche möglichst genau zu dokumentieren (Datum, bestenfalls Uhrzeit, Aufbewahrung sämtlicher schriftlicher Unterlagen, bei Telefonanrufen: Name des Gesprächspartners) und evtl. Zeugen benennen zu können.