Rechtliche Grundlagen für die Beschaffung der öffentlichen Hand

Die Vergabe öffentlicher Aufträge unterliegt zahlreichen Vorschriften, an die sich öffentliche Auftraggeber und private Anbieter gleichermaßen halten müssen. Was zunächst den Anschein unnötiger Bürokratie erwecken mag, dient einer Reihe übergeordneter Ziele und nicht zuletzt der Rechtssicherheit der anbietenden Unternehmen.

Rechtliche Grundlagen für die Beschaffung der öffentlichen Hand

Übergeordnete Prinzipien bei Ausschreibungen

  • Verpflichtung zu sparsamer und wirtschaftlicher Haushaltsführung,
  • Wettbewerbsgrundsatz: Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sollen in einem formalisierten Verfahren möglichst viele Anbieter Gelegenheit haben, ihre Leistungen und Produkte anzubieten,
  • Wirtschaftlichkeit: Entscheidend ist nicht der niedrigste Preis, sondern das insgesamt wirtschaftlichste Angebot,
  • Transparenz: Ausschreibung und Vergabe öffentlicher Aufträge müssen nach für alle Beteiligten nachvollziehbaren und rechtlich überprüfbaren Grundsätzen geschehen,
  • Nachverhandlungsverbot: Grundsätzlich dürfen öffentliche Auftraggeber mit den Anbietern nicht über deren Angebote nach verhandeln,
  • Gleichbehandlung: Im Rahmen der rechtlichen Bestimmungen darf kein Unternehmen, das an einer öffentlichen Ausschreibung teilnimmt, benachteiligt werden,
  • Dezentrale Beschaffung: Eigenverantwortlicher Einkauf durch eine Vielzahl von Vergabestellen verhindert das Entstehen von Nachfragemacht.

Haushaltsvergaberecht

Bis zum Erreichen bestimmter Auftragswerte, den so genannten Schwellenwerten, unterliegt die Vergabe öffentlicher Aufträge allein dem Haushaltsrecht (Bundeshaushaltsordnung, Landeshaushaltsordnung, Gemeindehaushaltsordnung). Das Haushaltsrecht stellt insofern eine Besonderheit dar, als es keine Rechte für Dritte (also private Anbieter oder Auftragnehmer) direkt begründet, sondern lediglich Innenrecht für die öffentliche Hand festsetzt.
Über entsprechende Verweise in der Bundeshaushaltsordnung sowie in den Landeshaushaltsverordnungen/Landesvergabegesetzen finden die Unterschwellenvergabeverordnung für Liefer- und Dienstleistungen und die VOB/A, 1. Abschnitt für Bauleistungen Anwendung.

Kartellvergaberecht

Ab Erreichen oder Übersteigen der Schwellenwerte ist das so genannte Kartellvergaberecht anzuwenden. Dieses entfaltet als besonderes Wettbewerbsrecht direkte Wirkung auch gegenüber Unternehmen, die sich an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen wollen. Damit sind für Ausschreibungen bei Erreichen der EU- Schwellenwerte das GWB, die VgV, sowie – je nach Anwendungsbereich - die VOB/A zu beachten.
Für Vergaben im Bereich der Trinkwasser- und Energieversorgung sowie des Verkehrs sind das GWB und die Sektorenverordnung zu beachten.

Inhalte des vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)

Die Grundlagen des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte sind im Teil 4 des GWB enthalten. Dieser Teil besteht aus Vorschriften zum Vergabeverfahren und zum Nachprüfungsverfahren. Hier finden sich Regelungen zum gesamten Ablauf des Vergabeverfahrens, etwa zu den Verfahrensarten, Ausschlussgründen, der Eignung, dem Zuschlag bis hin zu den Ausführungsbedingungen und der Auftragsänderung.

Die wichtigsten Bestimmungen der Vergabeverordnung (VgV)

Die VgV konkretisiert die Bestimmungen des GWBhttps://www.gesetze-im-internet.de/gwb/BJNR252110998.html#BJNR252110998BJNG002402377, Teil 4. Dieser Rechtsverordnung kommt seit dem 18.04.2016 mehr als "nur" eine Scharnierfunktion mit Verweis auf die jeweiligen Vergabe- und Vertragsordnungen zu. Die VOL/A, 2. Abschnitt und die VOF sind entfallen. Bezüglich dieser Auftragsbereiche gilt ausschließlich die neue VgV.

Die neuen EU-Schwellenwerte seit 1. Januar 2024

  • öffentliche Liefer- und Dienstleistungsaufträge: 221.000 Euro
  • Liefer- und Dienstleistungsaufträge oberster und oberer Bundesbehörden: 143.000 Euro
  • Liefer- und Dienstleistungsaufträge im Bereich der Trinkwasser-, Energieversorgung und im Verkehrsbereich: 443.000 Euro
  • Verteidigungs- und sicherheitsrelevante Liefer- und Dienstleistungsaufträge: 443.000 Euro
  • Bauaufträge: 5.538.000 Euro
  • Konzessionen (alle Bereiche): 5.538.000
Weitere Informationen finden Sie beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.

Aufteilung von VOL und VOB

Die Verdingungsordnungen bzw. die Vergabe- und Vertragsordnung sind in folgender Weise aufgebaut: die VOL besteht aus einem A- und einem B-Teil, die VOB zusätzlich aus einem C-Teil. Der A-Teil enthält die Bestimmungen für das Zustandekommen des Vertrages zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und dem privaten Auftragnehmer (Ausschreibungsverfahren, Veröffentlichung, Fristen, Ausschlusskriterien bis hin zum Zuschlag). Der B-Teil regelt die Abwicklung des Vertrages einschließlich aller Rechte und Pflichten des öffentlichen Auftraggebers und des privaten Auftragnehmers (allgemeine Vertragsbedingungen). Der C-Teil der VOB enthält die allgemeinen technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen.
Tipp: Die Kenntnis der Bestimmungen der VOL, VOB und sowie der Sektorenverordnung ist eine wichtige Voraussetzung für Unternehmen, die sich mit Erfolg an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen wollen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, sich mit den A-Teilen auseinanderzusetzen, sondern auch mit der VOB/B bzw. der VOL/B. Gegebenenfalls kann es, je nach öffentlichen Auftraggeber, auch ergänzende, zusätzliche oder besondere Vertragsbedingungen geben.