Recht

Fragerecht des Arbeitgebers beim Vorstellungsgespräch



Bei Einstellungsgesprächen ist der Arbeitgeber daran interessiert, möglichst viele Informationen über die persönlichen Verhältnisse des Bewerbers zu erfahren. Andererseits möchte der Bewerber nicht über seine Intimsphäre ausgefragt werden. Die Auskunftspflichten des Arbeitnehmers in Einstellungsgesprächen stellen das Ergebnis einer Abwägung des Arbeitgeberinteresses an einer möglichst umfassenden Information über den Bewerber und dem Persönlichkeitsrecht des Bewerbers dar.
Aus den vorvertraglichen Auskunftspflichten des Arbeitnehmers kann sich ergeben, dass der Arbeitnehmer über bestimmte Umstände auch ohne Befragen des Arbeitgebers aufklären muss. Den Arbeitnehmer trifft eine selbständige Auskunftspflicht über Tatsachen, die die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Leistung unmöglich werden lassen oder sonst für den in Betracht kommenden Arbeitsplatz von ausschlaggebender Bedeutung sind.
Die Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers unterliegt engeren Grenzen als das Fragerecht des Arbeitgebers.
Beantwortet der Arbeitnehmer eine zulässige Frage des Arbeitgebers wahrheitswidrig oder teilt der Arbeitnehmer einen offenbarungspflichtigen Umstand nicht von sich aus mit, kann der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag regelmäßig wegen arglistiger Täuschung anfechten. Darüber hinaus können Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer wegen schuldhafter Pflichtverletzung bei Vertragsverhandlungen bestehen.
Der Arbeitnehmer darf unzulässige Fragen ohne rechtliche Konsequenzen wahrheitswidrig beantworten. Wird das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers durch Überschreiten der Grenzen des Fragerechts verletzt, ist der Arbeitgeber unter Umständen schadensersatzpflichtig. In der Praxis dürfte dieser Anspruch mangels Quantifizierbarkeit von nur geringer Bedeutung sein.
In der Rechtsprechung hat sich im Laufe der Zeit eine umfangreiche Kasuistik zur Zulässigkeit bestimmter Fragen bei Einstellungsgesprächen und in Einstellungsfragebögen herausgebildet:
  • Alter
    Unternehmen wird davon abgeraten, Bewerber nach dem Alter zu fragen oder ein Lichtbild zu verlangen, da hieraus auf eine Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz wegen des Alters bzw. der ethnischen Herkunft geschlossen werden könnte.
  • Beruflicher Werdegang
    Fragen nach dem beruflichen Werdegang, nach Zeugnis- und Prüfungsnoten und Sprachkenntnissen sind zulässig.
    Die Vorlage gefälschter Prüfungsunterlagen oder eine unrichtige oder unvollständige Beantwortung von Fragen nach dem beruflichen Werdegang führt zur Anfechtbarkeit des Arbeitsvertrags wegen arglistiger Täuschung.
  • Gesundheitszustand
    Eine allgemeine Auskunftspflicht über ausgeheilte oder akute Erkrankungen besteht nicht. Auch eine latente Gesundheitsgefährdung ist nicht offenbarungspflichtig. Erkrankungen, die den Arbeitnehmer wegen der Ansteckungsgefahr oder der Schwere der Erkrankung an der Erbringung der Arbeitsleistung auf dem vorgesehenen Arbeitsplatz dauerhaft hindern, sind mitzuteilen.
  • Gewerkschaftszugehörigkeit
    Der Arbeitgeber darf bei der Einstellung nach überwiegend vertretener Auffassung nicht nach der Gewerkschaftszugehörigkeit fragen.
  • Heirat
    Die bevorzugt Arbeitnehmerinnen gestellte Frage, ob sie demnächst heiraten möchten, ist unzulässig.
  • Haftstrafe
    Muss der Arbeitnehmer in Kürze eine Haftstrafe antreten und kann daher voraussichtlich seine Arbeit nicht antreten, so muss er dies unabhängig vom Haftgrund offenbaren.
  • Lohn- und Gehaltspfändung
    Ob der Arbeitgeber berechtigt ist, nach Lohn- oder Gehaltspfändungen zu fragen, ist umstritten. Bei umfangreichen Pfändungen dürfte wegen des zusätzlichen Arbeitsaufwands ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers gegeben sein.
  • Religions- und Parteizugehörigkeit
    Nach Religions- und Parteizugehörigkeit darf der Arbeitgeber grundsätzlich nicht fragen. Bei konfessionellen oder parteipolitischen Institutionen gelten jedoch Ausnahmen. Die Frage nach einer Mitgliedschaft bei Scientology erscheint wegen des Diskriminierungsmerkmals der Weltanschauung problematisch.
  • Schwangerschaft
    Die Frage nach der Schwangerschaft einer Arbeitnehmerin stellt eine unzulässige Diskriminierung wegen des Geschlechts dar.
  • Schwerbehinderung
    Die Frage nach Behinderung oder Schwerbehinderung ist grundsätzlich unzulässig, da ihr ein unmittelbar diskriminierender Charakter zukommt. Dies wird durch § 81 Abs. 2 SGB IX i.V.m. den Regelungen des AGG nunmehr ausdrücklich normiert. Als Folge einer unerlaubt gestellten Frage kann zum einen eine Schadensersatzpflicht des Arbeitnehmers in Betracht kommen. Zum anderen steht auch dem Arbeitnehmer grundsätzlich das Recht zu, die gestellte Frage entweder gar nicht oder wahrheitswidrig zu beantworten, ohne dass zugunsten des Arbeitgebers ein Anfechtungsgrund wegen arglistiger Täuschung entsteht.
    Allerdings kann die Frage nach einer Schwerbehinderung dann gerechtfertigt sein, wenn die Behinderung die vertragsgemäße Arbeitsleistung dauerhaft unmöglich macht und ihr Nichtvorliegen daher eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt.
    Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist der Arbeitgeber zur ordnungsgemäßen Durchführung des Arbeitsverhältnisses im Hinblick auf die besonderen gesetzlichen Pflichten gegenüber schwerbehinderten Arbeitnehmern auf die Kenntnis der Schwerbehinderteneigenschaft angewiesen, so dass aus der Frage nach der Schwerbehinderung kein Indiz für eine Diskriminierung abgeleitet werden kann. Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht die Frage nach der Schwerbehinderung jedenfalls nach Ablauf von sechs Monaten für zulässig erachtet, BAG v.16.02.2012, Az.: 6 AZR 553/10.
  • Vergütung
    Die Zulässigkeit der Frage nach der Vergütung hängt davon ab, ob die bisherige Vergütung für die begehrte Stelle aussagekräftig ist oder der Bewerber von sich aus diese als Mindestvergütung gefordert hat.
  • Vermögensverhältnisse
    Es besteht ein zulässiges Informationsinteresse des Arbeitgebers über die Vermögensverhältnisse von leitenden Angestellten oder sonstigen Arbeitnehmern in Vertrauenspositionen. Ansonsten ist die Frage nach den Vermögensverhältnissen unzulässig.
  • Vorstrafe/Ermittlungsverfahren
    Die Frage nach Vorstrafen ist nur begrenzt zulässig. Ein Fragerecht des Arbeitgebers ist nur gegeben, wenn dies für die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes von Bedeutung ist. Kassierer dürfen daher z.B. nach Vermögensdelikten, Kraftfahrer nach Verkehrsdelikten gefragt werden.
    Nach laufenden Ermittlungsverfahren darf der Arbeitgeber nur fragen, wenn das Ermittlungsverfahren Zweifel an der Eignung des Arbeitnehmers entstehen lässt.
    Beispielsweise wäre ein Ermittlungsverfahren gegen einen Erzieher wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern geeignet, die persönliche Eignung eines Erziehers zu verneinen.
  • Wehr- und Ersatzdienst
    Nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz wird teilweise vertreten, dass die Frage danach, ob eine Einberufung zum Wehr- oder Ersatzdienst bevorsteht oder ob der Dienst bereits abgeleistet worden ist, ebenso wie die Frage nach der Schwangerschaft bei Frauen geschlechtsdiskriminierend und daher verboten ist.
    Den Arbeitnehmer trifft aber eine Aufklärungspflicht, wenn er bereits einen Einberufungsbescheid erhalten hat.
  • Wettbewerbsverbot
    Bestehende Wettbewerbsverbote hat der Bewerber nach Art, Zeit und Gegenstand von sich aus mitzuteilen.
Das Bewerbungsgespräch sollte auf Arbeitgeberseite möglichst durch zwei Personen geführt werden, damit zusätzlich zum auswählenden Unternehmer oder Personalchef eine weitere Person als Zeuge zur Verfügung steht. Das Vorstellungsgespräch sollte anhand eines Fragenkatalogs ablaufen.
Die Erfüllung oder Nichterfüllung des Anforderungsprofils sollte bei jedem Bewerber schriftlich festgehalten werden.
Unternehmen wird außerdem empfohlen, die den Bewerbern gestellten Fragen und Antworten zu dokumentieren, um sich gegebenenfalls gegen Benachteiligungsvorwürfe verteidigen zu können.